Kapitel 12

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Pünktlich mit dem Klingeln wachte ich auf. Müde streckte ich mich und blinzelte einige Male. Auch meine Schwestern räkelten sich langsam in ihren Betten. „Guten Morgen", sagte ich. „Morgen." „Guten Morgen." Nachdem wir aufgestanden waren, gingen wir ins Badezimmer, machten uns fertig und zogen uns an. Während ich meinen üblichen Apfel frühstückte, huschte ich unauffällig zurück in den Schlafsaal und steckte „Gacrux und Gratria" in die Tasche meines Kleides. Ich wollte das Buch noch heute lesen. Die Aufgaben des Arbeitsplans konnten warten. Das Haus wurde regelmäßig geputzt. Wenn ich meine Aufgaben einmal nicht erledigte würde das sicher nicht auffallen. Als Kira uns die Arbeitspläne gab, warf ich dennoch einen kurzen Blick darauf.

Aufgaben, Leona:

- Lüften (Gemeinschaftsraum)

-Tische abwischen (Gemeinschaftsraum)

- Bücher aufräumen (Gemeinschaftsraum)

-Seife auffüllen (Badezimmer für Gäste)

-Badewanne putzen (Badezimmer für Gäste)

- Kissenbezüge waschen (Empfangsbereich)

Ich faltete den Arbeitsplan zusammen und schob ihn zu dem Buch in meine Tasche. „Bis später", rief ich und verließ den Gemeinschaftsraum. Ich musste mir einen Ort zum Lesen suchen. Ich ging in die Küche, den Empfangsbereich, den Keller..., doch mir wurde klar, dass meine Schwestern mich dort früher oder später sicher finden würden. Ich musste etwas anderes finden. Wohin konnte ich gehen? Nachdenklich fuhr ich mit meinen Fingern über den Ledereinband des Buches. Es wartete in meiner Tasche auf mich. Aber wo konnte ich es sicher lesen? Plötzlich hatte ich eine Idee.

Zuerst wartete ich bis all meine Schwestern sich im Haus verteilt hatten und bei der Arbeit waren. Dann schlich ich mich zurück in den Gemeinschaftsraum. Ich ging auf die Gemächer des Herrn zu. In seinem Büro könnte ich in Ruhe lesen. Keine meiner Schwestern würde hereinkommen. Es war das perfekte Versteck. Immer wieder drehte ich mich um, um sicherzugehen, dass ich alleine war. Niemand war hier. Schnell drehte ich den verschnörkelten Türknauf und huschte durch die Tür. Sie fiel schwer ins Schloss und ich befürchtete, jemand hatte mich gehört. Zuerst lauschte ich einige Minuten, doch schon bald ließ die Anspannung nach und ich wurde ruhiger. Niemand hatte etwas bemerkt. Seufzend machte ich einige Schritte in den Raum. Bei Tag sah das Büro eigentlich ziemlich gemütlich aus. Ich ging hinter den Schreibtisch und lies mich in den smaragdgrünen Sessel des Heern fallen. Er war gemütlich und fühlte sich samtig an. Nun zog ich das Buch heraus. Bevor ich es aufklappte fuhr ich noch einmal über das schwarze Leder, in das es gebunden war. Doch dann begann ich zu lesen. „Gacrux und Gatria", flüsterte ich.

Die Geschichte handelte von zwei Geschwistern. Die beiden waren sich wahnsinnig ähnlich und hatten eine besondere Verbindung zueinander. Sie schworen sich, für immer zusammenzuhalten und beieinander zu bleiben, doch wie es das Schicksal wollte, wurden sie schon bald darauf getrennt. Milliarden und Millionen von Kilometern lagen nun zwischen Gacrux und seiner Schwester Gatria. Sie wuchsen getrennt auf, doch nichts, nicht einmal die Entfernung zwischen den beiden, konnte ihre Verbindung zerstören. Trotz dass die Geschwister sich nicht sehen konnten, wussten sie stets wo der andere war, was er tat und wie es ihm ging. Es war, als seien ihre Gedanken verbunden. Das Buch erzählte, wie die beiden versuchten, einander zu finden. Sie unternahmen lange, abenteuerliche Reisen, und legten weite Wege hinter sich, um zueinander zu gelangen. Die Geschwister schafften es, sich zu finden und große Freude überkam sie, doch innerlich wussten beide, dass es schon bald wieder Zeit für einen Abschied war. Und beide wussten, dass der andere es auch wusste. Mit großem Bedauern trennten sie sich also erneut, denn beide hatten ihr zu Hause und ihre Aufgaben, die sie erfüllen mussten. Sie konnten nicht beieinander bleiben. Doch bevor sie sich verabschiedeten, legten sie erneut einen Schwur ab, wie viele Jahre zuvor. Gacrux und Gatria würden stets aneinander denken, stets wissen, wie es dem anderen erging und sich trotz der Trennung immer auf ihre Verbindung verlassen können. Es war das letzte Mal, dass die beiden sich sahen.

Die Geheimnisse des HerrnTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon