Kapitel 18

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Das Notizbuch

Die Zeichnung eines Gepards

Eine tiefe, hallende Stimme ruft: „Leona!"

„Leo!", rief Bianca und rüttelte an meiner Schulter. „Ja?", nuschelte ich müde und rieb mir die Augen. „Ist alles in Ordnung? Hast du etwas Schlimmes geträumt?" Meine kleine Schwester saß neben mir auf der Bettkante und sah mich besorgt an. „Ist nicht so wichtig", antwortete ich. „Wo sind die anderen?" "Die sind schon im Bad." Hektisch setzte ich mich auf, doch ich fiel sogleich zurück in mein Kissen. Ich hatte starke Kopfschmerzen und meine linke Schläfe pochte, als würde Rabastan in meinem Kopf galoppieren. Ich drückte meinen Handballen gegen die Stirn und spürte sogleich Biancas Hand an meiner Schulter. „Leo, was ist los?" Ich atmete tief ein und setzte mich noch einmal langsam auf. Dieses Mal ging es. Ich sah Bianca an und flüsterte: „Ich hab von dem Buch geträumt und der Herr... er hat nach mir gerufen. Au!" Wieder fühlte es sich an, als mache Rabastan die wildesten Sprünge hinter meiner Stirn. „Ich hab solche Kopfschmerzen", sagte ich leise. Bianca reagierte sofort. „Leo, du bleibst heute im Bett. So kannst du nicht arbeiten." Ohne, dass ich widersprechen konnte, schüttelte sie mein Kissen aus, drückte mich zurück ins Bett und deckte mich fürsorglich zu. Dann beugte sie sich zu mir herunter und flüsterte in mein Ohr. „Bitte Leo, bleib heute im Bett. Ich glaube, dass weder deine Träume, noch das Verhalten des Herrn ein gutes Zeichen sind. Bleib heute im Bett. Nutze die Zeit und lies sein Notizbuch. Vielleicht wissen wir dann mehr." Bianca lächelte mich an, doch die Sorgen, die sie sich machte, glitzerten in ihren Augen. Sie ging zur Tür. „Ich sage Doro, dass sie gleich nach dir sehen soll. Gute Besserung!" „Danke!", rief ich und die Tür fiel ins Schloss. Dorothea interessierte sich schon immer für Medizin. Sie wusste alles über den Körper des Menschen, die Krankheiten, die ihn befallen konnten und hatte stets eine Lösung parat. Sie wusste immer, wie sie einem wieder  auf die Beine helfen konnte. Meist sorgte sogar ihre bloße Anwesenheit für ein besseres Gefühl. Bianca hatte den Schlafsaal vor nicht einmal zwei Minuten verlassen, da flog die Tür plötzlich in weitem Bogen auf und Doro eilte herein. „Bianca sagt, es geht dir nicht gut. Was ist denn los?" „Kopfschmerzen", murmelte ich in meine Bettdecke hinein. „Kopfschmerzen", wiederholte Doro und setzte sich neben mir auf das Bett. Sanft legte sie ihre Hand auf meine Stirn. „Du hast Fieber, sogar hohes Fieber. Es ist wirklich besser, du bleibst heute im Bett. Ich werde dir ein nasses Tuch bringen, das du dir auf die Stirn legen kannst. Achte heute darauf, dass du genügend trinkst. Ich bringe dir besser gleich ein Glas Wasser mit." Meine Schwester drückte liebevoll meine Hand und machte sich auf den Weg.

So verbrachte ich den ganzen Vormittag im Bett. Das nasse Tuch lag kühlend auf meiner Stirn. Einige Wassertropfen rollten von meiner Stirn über meine Schläfe, meine Wange, herab auf meinen Hals, doch es war mir egal. Ich spürte, wie das Fieber sank und nachdem ich ein drittes Glas Wasser getrunken hatte, fühlte ich mich allmählich besser. „Nutze die Zeit und lies sein Notizbuch. Vielleicht wissen wir dann mehr", hatte Bianca gesagt. Also befolgte ich ihren Rat und zog das in Leder gebundene Büchlein unter meinem Kopfkissen hervor.

Ich setzte mich auf und löste den Knoten des Lederbandes. „Na dann wollen wir mal, Philo Leander Shepherd", murmelte ich. Dann begann ich zu lesen. Auf den nächsten Seiten folgten unzählige Steckbriefe mit Informationen über Namen, Entfernung zur Erde und Helligkeit. Ab und zu folgte die Skizze eines Tieres, wie die eines Frosches, eines Dachses oder einer Spinne. Bei der Zeichnung eines Gepards, schmerzte mein Kopf plötzlich stark und ich fuhr zusammen. Es war die Skizze, die ich heute Nacht in meinem Traum gesehen hatte. „Was sollen nur ständig diese Zeichnungen?" Frustriert blätterte ich weiter. Einerseits war ich mir sicher, die Studien des Herrn drehten sich um Sterne, doch warum schrieb er dann etwas über deren Aufgabe und ihren letzten Aufenthalt auf der Erde?

Die Geheimnisse des HerrnWhere stories live. Discover now