Kapitel 25

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Sonnenstrahlen kitzelten mich an der Nase und ich rieb mir müde die Augen. Ich erwachte aus dem Schlaf und setzte mich auf. Als ich mich umsah war Cutter natürlich längst weg. Nur ein Häufchen Erdbeeren hatte er zurückgelassen. Lächelnd schnappte ich mir eine Hand voll und stand auf. Mit meinen nackten Füßen lief ich über das taufeuchte Gras zum Ufer des Sees. Statt dem wunderschönen nächtlichen Sternenhimmel spiegelte sich nun der Sonnenaufgang auf dessen Oberfläche. Das Wasser war still und glatt, sodass ich fast daran zweifelte, dass es überhaupt noch flüssig war. Der wolkenlose Himmel spiegelte auf dem See sein helles Rosa, das gen Osten in ein flammendes Orange und dann in ein sattes Gelb überging. Das Farbenspiel war wunderschön. Ganz nah am Horizont sah ich, wie die Sonne langsam aufging, doch in der Spiegelung des Sees wurde sie noch von den hohen Bäumen verdeckt. Es würde noch etwas dauern, dann könnte man auch ihr Spiegelbild im Wasser bewundern.
Ich nahm eine Erdbeere aus meiner Hand und probierte sie. Sie schmeckte süß. Die nächste war eher bitter, doch die darauf war wieder gut. So frühstückte ich meine Erdbeeren, während ich am Seeufer entlang schlenderte und darauf wartete, dass Cutter zurück kam. Ich beobachtete, wie sich von der Mitte des Sees aus kleine Wellen ausbreiteten, als sich etwas darin bewegte. Das Farbenspiel des Himmels, wurde nun in kleine Wellenbewegungen versetzt, was jedoch auch ziemlich harmonisch aussah. Ich hob den Saum meines Kleides etwas an und streckte den rechten Fuß darunter hervor. An die Narbe, wo einst meine Kette gewesen war, hatte ich mich noch immer nicht  gewöhnt. Ich betrachtete sie kurz, doch dann streckte ich den Fuß aus und tauchte ihn in das kühle Wasser des Sees. Ich bewegte meinen Fuß von rechts nach links, von links nach rechts und versetzte das Wasser somit in stärkere Bewegungen. Diese breiteten sich auf dem See einige Meter weit aus, bis sich das Wasser schließlich wieder beruhigte. Ich hielt einen Moment inne und genoss das kühle Nass, da begrüßte mich eine raue Stimme: „Guten Morgen." Cutter räusperte sich und stellte sich neben mich. „Guten Morgen. Hast du gut geschlafen?" „Wie ein Stein", gab er grinsend zu. Er erzählte mir von seinem Traum über eine Savanne und die Zebras dort, was mich nicht sonderlich überraschte. Als er endete fragte ich: „Wo warst du heute Morgen?" „Ich habe uns noch einige Vorräte gesucht und ich habe dir etwas zum Anziehen besorgt." „Was?" Überrascht sah ich ihn an, woraufhin er nur gelassen nickte. Dann streckte er den Arm aus und wies nach rechts. „Dort hinten kannst du dich im See ein bisschen waschen. Die Kleider müssten dir passen. Wir sollten spätestens in einer Stunde weiterziehen." Nickend stimmte ich  zu, bevor ich losging, um mich zu waschen. Ein sorgfältig gefaltetes Päckchen Kleidung und ein Paar Schuhe erwarteten mich bei unserem Unterschlupf. Ich schnappte alles und ging zu der Stelle des Sees, auf die mein Freund gewiesen hatte. Erleichtert, mich endlich waschen zu können, streifte ich mein grünes Kleid ab und ging ins Wasser. Ich badete eine Weile in dem kühlen Nass. Ich wusch meine Arme, meine Beine, zum Schluss meine Haare. Die Erinnerungen an unser großes Schwimmbecken im Haus und daran, wie meine Schwestern und ich als Kinder darin getobt hatten, schmerzten und ich gab mir Mühe, sie zu verdrängen. Als ich mich schlussendlich wieder sauber fühlte, tapste ich eilig aus dem See und warf mir die neue Kleidung über. Cutter hatte mir ein schlichtes, weißes Hemd und eine enge, schwarze Hose mitgebracht. Es war ungewohnt plötzlich eine Hose statt eines Kleides zu tragen, doch ich gewöhnte mich schnell daran. Ich schlüpfte in die festen, schwarzen Stiefel und mit meinem Kleid unter dem Arm machte mich auf den Weg zurück zum Unterschlupf. Ich sah Cutter von Weitem. Er kniete neben einem kleinen Feuer und briet darüber das Fleisch eines Tieres. Als er mich sah zog er überrascht die Augenbrauen nach oben. „Steht dir gut", rief er lächelnd, während er sich aufrichtete. An seinem Gürtel blitzte das Messer im Sonnenlicht und plötzlich fragte ich. „Kann ich das mal haben?" Mit einem Nicken wies ich auf die scharfe Klinge. Nun zog Cutter seine Augenbrauen zusammen, händigte mir das Messer jedoch aus. „Natürlich, aber wieso?" Ich ignorierte seine Frage und nahm ihm stattdessen die Klinge aus der Hand. Das Messer lag schwer in meiner Hand. In seinen Griff war ein kleiner Stern eingraviert, der im Sonnenlicht glitzerte. Meine hüftlangen, dunkelbraunen Haare klebten an meinem Rücken und durchnässten das neue Hemd. Ich wickelte die Haare um meine Hand und entschied: „Es wird Zeit für eine Veränderung". Und dann schnitt ich sie ab.
Das Messer glitt problemlos durch meine Haare und mit einem Schnitt waren sie schulterlang. Cutter klappte vor Fassungslosigkeit die Kinnlade nach unten. „Leona!", war das Einzige, was er herausbrachte. „Wenn der Herr gefährlich ist, dann will ich ihm eine ebenbürtige Gegnerin sein. Ich habe Respekt vor ihm und jetzt soll er auch welchen vor mir haben. Bianca meinte, sie glaubt an mich und glaubt daran, dass ich die Geheimnisse des Herrn lösen kann. Und das werde ich."
Ohne einen weiteren Kommentar ließ ich mein Kleid und den Rest meiner Haare ins Feuer fallen und mit ihnen verbrannte der Teil von mir, der versucht hatte, sich anzupassen.

Die Geheimnisse des HerrnWhere stories live. Discover now