Vorsicht, explosiv!

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Randi
Ich würde ihr das Leben zur Hölle machen. Lene fühlte sich mir eindeutig überlegen. Hielt sich für etwas besseres wegen ein paar guten Noten.
Langweilig!
Normalerweise würde ich möchtegern- Mädchen wie sie einfach ignorieren, doch ihre Wutausbrüche waren einfach zu geil!
Mann, das Mädel musste dringend eine Entspannungstherapie nehmen!

Ihr Bus bog um die Ecke, doch ihr hochrotes Gesicht konnte ich bis hierher sehen. Ob sie sich rächen würde? Mit Sicherheit. Doch das würde ich ebenfalls tun. So würde mir die nächsten Jahre wenigstens nicht langweilig werden.

Ich schob den Schultergurt meines Rucksacks weiter nach vorne und schlug den Heimweg ein. Fröhlich pfeifend schlenderte ich an der Straße entlang und stellte mir vor wie Lene ihre Wut an den Fahrgästen ausließ. Für so ein kleines Persönchen, trug sie definitiv zu viel Aggressionen in sich. Joey würde sich totlachen, wenn ich ihm nachher von ihrer Giftspritzerei im Unterricht erzählte.
Keine schlechte Idee. Zurück bei meinem Bruder, würde ich ihn anrufen. Was würde er mir wohl erzählen? Gab es spannende Neuigkeiten von Zuhause? Bestimmt nicht! Ohne mich konnte dadrüben doch nur alles sterbenslangweilig sein.

Schneller als erwartet stand ich vor dem Mehrfamilienhaus, in das Diego und Anisa sich eingemietet hatten und ich auch... irgendwie. Gerade als ich die Türklinke in die Hand nahm, kam mir Diego von innen zuvor. Mit Schwung riss er die Tür auf und zog mich ins Treppenhaus und die Stufen zum oberen Stockwerk hoch. „Was zum-" protestierte ich, doch Diego reagierte nicht. Erst als wir die Wohnung betraten, wandte er sich mir zu und murmelte unverständliche Entschuldigungen. Verwirrt nahm ich Platz am Küchentisch und blickte meinen großen Bruder abwartend an, ob er zu einer Erklärung für sein stürmisches Verhalten ansetzen würde.

„Hör mal", begann er, wobei er sich rücklings gegen den Kühlschrank lehnte. „Wegen heute morgen..."
Mir schwante schreckliches.
„Sag Anisa einfach, sie soll die Türen wenn notwendig in Zukunft abschließen", raunte ich und wollte schon aufstehen.
„Was? Achso, neinneinnein", hastete er und drückte mich an den Schultern zurück auf den Stuhl.
„Es geht um unsere... anderweitigen Differenzen", presste er mühsam hervor.
„¿Que?", fragte ich verwirrt und lehnte mich weiter nach vorne, als könnte ich Diego so besser verstehen.
„Unserer Überzeugung nach sollten keine Tiere sterben. Es sind Lebewesen mit einer Seele. Welches Recht sollten wir haben, ihr Leben zu beenden?", philosophierte er.
Ich verdrehte nur die Augen. Das schon wieder!
„Ich mach bei der Scheiße nicht mit. Ich brauche Fleisch!", stellte ich energisch klar und blickte ihm fest in die Augen.
„Randi, Randi, langsam", murmelte er und hob abwehrend die Hände. „Wir sind jetzt eine Familie und sollten das daher auch klären wie eine Familie. Am besten finden wir einen Kompromiss"
„Und was soll das für ein Kompromiss sein?", fragte ich skeptisch.
„Wie wäre es, wenn du dich zumindest vegetarisch ernährst?", fragte er vorsichtig.
„Eine beschissene Idee!", wehrte ich sofort ab.
„Bitte keine Kraftausdrücke!"
„Ich scheiß auf dein Bitten"

Stille
Keiner von uns wollte noch irgendetwas sagen. Diego nicht, weil er eine Konfrontation vermeiden wollte und ich, weil mir sein Gelaber abgrundtief auf die Nerven ging.
Anisa unterbrach das bedrückende Schweigen als sie schwungvoll zur Küchentür eintrat und einen großen Korb auf den Tisch stellte, der zwischen Diego und mir die Sicht auf den jeweils anderen versperrte.
„Ich hab ein bisschen eingekauft", flötete sie munter und begann sofort die ersten Lebensmittel auszuräumen.
„Da Randi ja offensichtlich Fleisch essen möchte und wir das absolut nicht unterstützen können dachte ich mir, ich kaufe Fleisch vom Wochenmarkt. Das ist besser als garnichts", meinte sie schulterzuckend an Diego gewandt.
Behutsam griff sie in den Korb und brachte eine graue Tüte hervor, eingewickelt in mehrere Tücher. Vorsichtig hob sie das Bündel vor meine Nase und entwirrte das Knäuel um mir den Inhalt zu zeigen.
Frisches, leicht rötlich gefärbtes Fleisch.
„Sieh mal, es blutet sogar noch", murrte Anisa mitleidig.
Es sah köstlich aus!
Als könnte das Fleisch in ihrer Hand explodieren, legte sie es langsam im Kühlschrank ab. Dafür räumte sie extra eines der unteren Fächer aus.
„Ich will nicht, dass unser wundervolles Gemüse mit dem Kadaver in Berührung kommt", beschwerte sie sich und schenkte mir ein gezwungenes, aber dennoch freundliches Lächeln.
Sie konnte mir fast leid tun.
Aber quch nur fast.

„Da haben wir doch unseren Kompromiss", rief ich fröhlich, stand auf und klatschte in die Hände. Diego sah nicht sonderlich begeistert aus, aber widersprechen wollte er mir auch nicht.
Betont fröhlich pfeifend verließ ich die Küche und ging in mein Zimmer. Dort angekommen schloss ich erstmal die Tür hinter mir und schmiss mich aufs Bett. Zufrieden schnappte ich mir mein Handy. Zeit, Joey anzurufen.
Da sah ich eine Nachricht auf dem Display. Die Nummer war mir unbekannt. Neugierig öffnete ich die Nachricht und las:

Heyy💕💕💕
Hier ist Emma. Na, alles klar bei dir? Wenn du mal was machen willst, meld dich bei mir
xoxo🙈

Emma? War das nicht Miss fake-blond aus Erdkunde? Klar, dass sie sich bei mir melden würde. Ich hatte direkt ihren schwärmenden Blick bemerkt als ich den Saal betreten hatte. Sie könnte mich ein bisschen ablenken von meiner Langeweile. Zumindest so lange bis sie selbst anfing mich zu langweilen.
Es sei denn...
Die beste Idee des Jahrtausend schoss mir in den Kopf. Mühsam unterdrückte ich ein diabolisches Grinsen. Dann antwortete ich ihr:

Ich brauche Lenes Nummer

Nur wenige Sekunden später kam eine Antwort von Blondi:

Wieso denn Lene?😅🙈💞

Jesus, Blondi war ja richtig kommunikativ.

Gib einfach. Du hast sie doch, oder?

Ähm, klar😚💕

Ich erhielt kurz darauf einen Kontakt: „Lene Höst- Streber"

Klares Statement. Anscheinend war der Zwerg nicht sonderlich beliebt. Woran das wohl lag?
Erneut ploppte eine Nachricht von Emma auf, mit so vielen Emoticons dass es abstrakte Kunst hätte sein können. Genervt wischte ich ihre Nachricht beiseite. Emma war definitiv nicht spannender als die Möglichkeit, Lene ein bisschen zu nerven. Mal sehen wie schlau sie tatsächlich war!

When Worlds CollideWhere stories live. Discover now