Mein Röschen

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Randi
Viel zu viel Lärm schwirrte um mich herum. Ich befand mich buchstäblich in einem Nebel aus Stimmen. Dabei war das im Moment das Letzte was ich wollte. Der Flug war unfassbar anstrengend gewesen. Irgendein Kind hatte alle paar Minuten geschrien und mich fast zum Eskalieren gebracht. Besser würde ich nie Kinder bekommen!

Fluchend verließ ich das Flugzeug und warf der Stewardess die mich freundlich anlächelte nur einen überheblichen Blick zu. Instinktiv drückte ich mir meine Sonnenbrille ins Gesicht um mich vor der Welt zu verbergen die mich sicher gleich in Anspruch nehmdn würde. Wider erwarten prallte mir beim Verlassen jedoch nicht die Sonne entgegen. Es regnete wie aus Kübeln. Super.
Ich schulterte meinen Rucksack und grummelte leise vor mich hin. Das hielt jedoch leider das Wetter nicht davon ab verrückt zu spielen.

Im Flughafenkomplex wartete ich minder geduldig auf meinen Koffer am Fließband. Neben mir stand ein altes Ehepaar das sich über Gott und die Welt unterhielt. Ich wette ihr Koffer war schon mehrere Male an ihnen vorbeigerollt. Genervt verdrehte ich die Augen und tippte mit dem Fuß auf den Boden. Dann entdeckte ich jedoch das schwarze Teil, das mit der Argentinischen Flagge auf der Vorderseite bedruckt war. Ich hechtete schnell zu ihm und stieß beinahe das Rentnerpärchen um, die mir laute Beschimpfungen nachriefen. Mir soll es egal sein.

Gelangweilt zuckelte ich mit dem schweren Koffer zur Eingangshalle. Sofort erkannte ich nur wenige Meter vor mir einen schäbigen Kiosk. Mann, Frankfurt ist auch nicht mehr das was es einmal war...

Ich wollte gerade auf den Kiosk zusteuern um mich mit Zigaretten für das ganze nächste Halbjahr einzudecken, als ich hinter mir eine raue aufgeregte Stimme vernahm:
„Randi! Raaaandi! Dreh dich um mein Freund, mein bester..."
Wie versteinert blieb ich stehen. Wie konnte man so seltsames Zeug von sich geben?
In Zeitlupe drehte ich mich um. Nur wenige Schritte von mir entfernt stand ein groß gewachsener Mann in den Zwanzigern. Sein dunkles Haar lockte sich über der Schläfe und seine dunklen Augen gaben ihm ein verwegenes Aussehen. Er trug ein auffällig gelbes T-Shirt mit der Aufschrift Ich beiße nicht, dazu ausgewaschene Jeans und Flipflops. Er schwenkte ein monströses Plakat über seinem Kopf, das hin und wieder einem ahnungslosen Reisenden an den Kopf klatschte, doch das schien den Typen nicht zu stören. Mit bunten Wachsmalstiften hatte er Willkommen im neuen Zuhause, Kumpel geschrieben, was er mit liebevollen Zeichnungen einer lächelnden Sonne und Blumen mit ebenso abstrakten Gesichtern verziert hatte. Sofort wurde mir schlecht.
So gerne ich es leugnen würde, aber dieser Typ war mein Bruder.

„Nun komm schon her, damit ich dich einmal knuddeln kann!", brüllte er freudig durch die Halle was zur Folge hatte das einige Umstehenden stehen blieben und amüsiert lächelten. Ich wollte am liebsten wegrennen. Keine schlechte Idee eigentlich.
Gerade als ich auf dem Absatz kehrt machen wollte um zwischen den Menschen zu verschwinden, machte der Hühne zwei große Sätze und schloss mich in eine lange Umarmung. So schnell konnte ich garnicht reagieren und blieb vollkommen verdattert wie angewurzelt stehen. Doch ich fasste mich wieder, riss mich los und schaute Diego vernichtend an. Er sollte sich nicht noch einmal trauen mich anzufassen.

„Unfassbar wie groß du geworden bist. Außerdem siehst du gut aus", sagte er zwinkernd. Das wars! Das Fass war übergelaufen!
„Bah, was stimmt nicht mit dir?", raunzte ich ihn an und verengte die Augen wütend zu Schlitzen. „Mach nicht so einen peinlichen Aufstand wegen meiner Ankunft. Lass mich am besten in Ruhe, dann passiert dir auch nichts!", setzte ich nach und sah einen kurzen Augenblick das Lächeln aus Diegos Gesicht verschwinden. Na also, geht doch!
Er würde schon sehen dass er mir besser nicht in die Quere kommen sollte.

Gerade wollte ich endlich meinen Weg zum Kiosk fortsetzen um meine lang ersehnte Zigarette zu rauchen, da ertönte eine neue Stimme, diesmal greller, direkt neben meinem Ohr. Erschrocken zuckte ich zusammen. Eine blonde, spindeldürre Frau in langem Batikkleid mit Rastazöpfen und Federohrringen warf sich um Diegos Hals und schmatzte ihm einen dicken Kuss auf die Wange. Die beiden grinsten wie in Trance und mir wurde erneut schlecht.
„Du musst Randi sein. Die Ähnlichkeit zwischen euch beiden ist ja gruselig", flötete sie und sah zwischen mir und Diego hin und her. Dabei wippten ihre Ohrringe unablässig und ich stellte mir vor wie sie die Frau in die Höhe trugen wie Flügel.
„Ich bin Anisa", stellte sie sich mir vor und tippte mir mit dem Zeigefinger auf die Nasenspitze. Hallo?! Denken die alle sie könnten mir wie einem kleinen Baby in die Wange kneifen?

Ich trat ärgerlich einen Schritt zurück um einen Sicherheitsabstand zu gewinnen. Hoffentlich ging das nicht die nächsten drei Jahre so weiter.
Die zwei Verliebten nahmen von meinem Groll keine Notiz. Vielleicht ignorierten sie ihn auch einfach nur. Ich schnaubte.

„Sollen wir gleich zum Auto, Bubu?", fragte Anisa an meinen Bruder gewandt und ich riss die Augen auf. Bubu?! Heilige Scheiße...

„Aber sicher mein Röschen", gab Diego nur zurück und tätschelte sanft ihren Oberarm woraufhin Anisa gurgelnde Laute von sich gab. Dann, wie aus heiterem Himmel schnellte ihr Arm nach vorne und sie griff nach meinem Handgelenk. Doch ich war darauf vorbereitet. Wie elektrisiert schoss mein Arm in die Höhe und Anisa griff ins Leere.

1:0 für mich, du seltsame Tante!

Sie machte ein verblüfftes Gesicht und auch Diego wirkte nicht mehr so überschwänglich wie zu Beginn.
Ohne Rücksicht auf Verluste stieß ich beide Ellenbogen zur Seite aus und bahnte mir meinen Weg an ihnen vorbei.

„War wirklich ähm... nett mit euch zu plaudern, doch ich muss noch etwas besorgen. Ihr könnt gerne hier auf mich warten", rief ich ihnen über meine Schulter zu und verschwand im Kiosk. Mir doch egal was sie von mir dachten. Mir doch egal ob sie überhaupt existierten!
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Was haltet ihr von Randis Empfang? Benimmt er sich unverschämt? Lasst gerne einen Kommentar da😸 ich freue mich wie immer sehr über euer Feedback😻
~Kira

When Worlds CollideWhere stories live. Discover now