Kapitel Neunzehn

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Ich laufe die langen Treppen langsam hinab und sehe eine Kerkertür. "Ich bin mit Erlaubnis hier."
Die Soldaten nicken und schließen auf. Melodie sitzt auf einem Bett und schaut gedankenverloren auf ihren Bauch. Sie ist verdreckt aber wirkt dennoch wunderschön. Ich schaue traurig auf sie hinab, dann setze ich mich neben sie und nehme ihre Hand. "Du hättest nicht kommen sollen, Anne." Ihre Stimme ist brüchig und stockt. Ihr Bauch ragt genau wie meiner hervor und man merkt ihr an, dass sie nicht mehr lange bis zur Geburt hat. "Ich hoffe sie verschonen mein Kind." schluchzt sie und ich umarme sie. "Dafür sorge ich, meine liebe Freundin." Sie nickt und lässt ihren Tränen freien Lauf. "Ich bereue nichts Anne. Ich habe sie gespürt." Verständnislos blicke ich sie an. "Sie?"

Melodie nickt und lächelt leicht. "Ich weiß, dass es ein Mädchen wird. Da bin ich mir sicher."
Ich streiche über ihren Bauch. "Wie willst du sie nennen?" Sie lacht spöttisch auf und legt den Kopf schief. "Wenn sie überlebt, soll sie Sophie-Isabelle heißen." Ich nicke und falte meine Hände zusammen. "Wusstest du, dass ich an diesem Hofe nie jemanden wie dich gesehen habe?" unterbricht Melodie die Stille.
"Wie meinst du das?"
"Du bist gütig und freundlich, lächelst immer. Ich meine, du hast sogar die frühere Zukünftige von Henry angelächelt. Niemand würde so etwas tun, weil sie viel zu eitel wären. Aber du siehst immer das Gute in Menschen. Du bist hübsch, höflich und erwartest auch immer Höflichkeit von anderen Personen. Henry und du, ihr seid wie füreinander geschaffen. Du bist die beste Freundin auf der Welt und ich liebe dich über alles." Als sie endet, weine ich lautlos und blicke sie an. "Sogar wenn du weinst, siehst du aus wie ein Engel."
Ich falle ihr in die Arme und schluchze. "Ich werde dich so vermissen, Melodie."Sie nickt und streicht mir über den Rücken. "Bitte pass auf dich auf, Anne."
Nachdem wir uns beruhigt haben, reden wir über belanglose Dinge. Sie möchte wissen was mit Antonio passiert ist. Als sie mich fragend anschaut, blicke ich kurz in ihre Augen, dann schweift mein Blick weiter auf den Boden. "Ich verstehe." flüstert sie und streicht über ihren Bauch. "Ich habe ihn wirklich geliebt."

Wir schweigen eine Weile, bis es an der Tür klopft und eine Wache mich bittet zu gehen. "Der Prinz erwartet Euch." Ich blicke Melodie an und sie lächelt leicht. "Du wirst zurückkommen, das weiß ich."

Als ich oben in meinem Schlafgemach bin, blickt mich Henry düster an. "Dein Vater wird mir immer unsympathischer." Ich schaue ihn fragend an und er erklärt.
"Ich habe einen Brief von ihm erhalten, in dem er mich fragt  ob ich dir auch treu wäre."

Ich schmunzele und setze mich neben ihn. "Ist doch egal, was er denkt. Alles was zählt sind wir, Schatz." Ich küsse seine Schläfe. "Wir." hauche ich und küsse seine Wange. "Nur Wir." wiederholt er und blickt mir tief in die Augen. Dann legt er seine Lippen auf meine und wir verlieren uns in der Liebe.

Nach einigen Tagen, voller Sorge um Melodie, bin ich mit Henry auf dem Weg in den Kerker. Wir unterhalten uns gerade über das Zimmer des Babys, als wir Schreie aus dem Kerker hören. Fragend schauen wir uns an und Henry nimmt meine Hand. "Denkst du sie entbindet?" murmelt Henry und ich zucke die Schultern. Kurzerhand laufen wir die letzten Meter zu Melodies Tür und sehen eine Wache, welcher auf sie einschlägt. "Aufhören!" schreit Henry und zerrt ihn von ihr weg. Ich bücke mich zu Melodie und helfe ihr hoch. Als sie sitzt, drehe ich mich zu dem Mann um und kann meine Wut nicht unterdrücken. "Bist du verrückt? Sie erwartet ein Kind!" Als ich auf ihn zugehen will, hält mich Henry auf und drückt mich neben Melodie auf die Bank. "Befehl des Königs." erwidert er und starrt an die Wand.
"Komm mit." ist das Einzige was Henry zu ihm sagt und geht aus dem Kerker. Ich schließe die Tür und nehme Melodies schluchzendes Gesicht in die Hände. Ihre Arme sind von blauen Flecken übersät und ihr Gesicht ist gerötet. "Alles ist gut, verstanden? Dem Baby geht es gut." Als ich den Schmerz in ihren Augen sehe, schluchze ich und umarme sie. "Mein Gott, Melodie." stoße ich hervor und sie wimmert. Es stellt sich heraus, dass der König die Prügel nicht verordnet hat. Der Mann ist ein hasserfüllter Mann und hat Melodie nur geschlagen, weil sie ihrem Bauch etwas vorgesungen hat.

In den Nächten darauf verfolgt mich ihr Schrei. Ich kann nicht schlafen und habe Angst um sie. Mir wird verwehrt sie nochmals zu besuchen. Alle machen sich Sorgen, dass es mir auch schlechter geht, wenn ich sie sehe. Doch sie merken nicht, dass ich ohne sie zu sehen, nur noch mehr in ein Loch falle und mich zurückziehe.

Es schlägt zwölf und ich sitze stumm im Bett.

"Liebes, was ist los?" Henry Stimme reißt mich aus meiner Starre. Ich starre auf den roten Flecken, welcher sich im Bett ausbreitet. Mein Kleid ist vom Bauch abwärts in Blut getränkt. "Henry, Ich weiß nicht, da ist..." Weinend starre ich auf den Blutfleck zwischen meinen Beinen. "Alles wird gut." Er umarmt mich. Dann ruft er nach einer Zofe. "Hol den Arzt!" Ich schließe die Augen und lasse mich von ihm hin und her wiegen.



Liebe PrinzessinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt