Kapitel Achtunddreißig

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Die Schüssel fällt und ich sehe wie sich die Blumen auf dem Boden verteilen. Ich stöhne auf und falle zu Boden.
Kate eilt zu mir und streicht mir über den Rücken.
Ein Brennen durchfährt meinen Hals, während Kate meine Haare zurückhält. "Mutter, es geht gleich wieder." murmelt sie und küsst mein Haar.

Fünf Jahre sind vergangen, seitdem Henry und ich König und Königin geworden sind.

"Ruf bitte deinen Vater."
Ich sehe im Augenwinkel, wie sie in Richtung Tür verschwindet. Seufzend setze ich mich etwas auf, greife nach der Bettdecke und ziehe mich hoch.

"Schatz?" Henrys Stimme hallt durch die Flure. Er greift sofort nach meiner Hand und kniet sich neben mich. "Ich habe Angst."

"Wovor?"

"Davor, dass dieses Kind es nicht überlebt."
Woher kommt diese Angst?
"Es wird gesund zur Welt kommen, Anne. Keine Sorge."

Ich nicke und lasse mich von ihm küssen.
Auf einmal erfasst mich ein stechender Schmerz, worauf ich schreiend meinen dicken Bauch betaste.

"Sophie, hol den Arzt." Henry bleibt ruhig und küsst meine Stirn.

Diese dreht sich zu John um, welcher hinter der Tür steht und starrt ihn an. "Geh du."

"Warum ich?" murmelt John zurück und ich höre wie er einige Schritte in meine Richtung kommt. "Weil ich bei Mutter bleiben muss." drängt sie und schubst ihn weg.

Ich lache auf und beobachte Sophie. Meine Tochter ist vermählt, Kate und Harry bald erwachsen und nun bekomme ich wieder ein kleines Baby.

Als der Arzt da ist, setzen die Schmerzen wieder ein, worauf ich mir auf die Lippen beiße. Schweiß bricht aus und ich stöhne auf. Oh Gott.

Warum habe ich solche Schmerzen? Diese Geburt tut so weh. Oh Gott.

Ich merke, dass es warm und feucht wird. Die Bettdecke färbt sich rot. Als Henry es auch bemerkt, fängt er an zu zittern und schreit den Arzt an.

"Tun sie doch etwas! Sie verblutet!"

"Mein Herr, ich kann es nicht stoppen, ich..."

Der Schmerz wird immer größer, und ich spanne mich an. Ich merke, dass es gleich soweit ist, ich werde es schaffen.

Doch auf einmal wird alles schwarz.

Und ich werde in die Tiefe gerissen.

___

Als ich die Augen öffne, finde ich mich an einem Ort wieder.

Auf dem Hügel, in meiner Heimat.

Dort war ich mit Henry als wir uns kennenlernten.

Ich höre Gezwitscher, Wasserrauschen und Lachen. Ich habe ein weißes Kleid an und meine Füße sind nackt.

Meine Beine tragen mich in die Richtung aus der die Stimmen kommen. Hinter einem Baum bleibe ich stehen und schaue einer Familie zu.

Dort sind zwei Kinder und meine Eltern. Und eine weitere Frau.

"Vater!" ruft das Mädchen und lacht, während ihr Vater sie kitzelt.

Vater?

"Schatz, hör auf. Das Kind erstickt ja."

Lachend legt Mutter ihre Arme um sie und setzt sie auf ihren Schoß.

Die andere Frau reicht ihr ein Brot und grinst leicht zu meinem Vater.

"Wo ist Antonio?" fragt dieser und steht auf. Er legt die Arme um Mutter und die Frau und zieht sie zu sich rüber. "Ich glaube, er spielt am Bach."

Vater nickt und senkt seinen Kopf. Er küsst Mutter auf die Stirn, dann die Frau auf die Wange.

"Anne, hol Antonio zum Essen." die sanfte Stimme meines Vaters weht zu mir herüber.

"Sie muss erst was essen. Ich gehe." sagt die Frau und steht auf. Sie hat lange blonde Haare und ein blaues Kleid an.

Nachdem sie verschwunden ist, schaut Mutter Vater an. "Ich bin froh, dass wir alles mit Clarisse geklärt haben. Sie ist eine gute Mutter für Antonio."

Geschockt drehe ich mich um.

"Mein Schatz, es war alles vor unserer Ehe. Da kannte ich dich noch nicht."

"Ich weiß. Ich liebe Antonio so wie einen Sohn. Mach dir keine Sorgen."

Ich schaue auf den Boden und merke wie die Erde zittert. Als ich panisch aufschaue, sehe ich eine große Brücke vor meinen Füßen. Sie ist groß und gold, reicht bis hoch in den Himmel.

Wohin führt sie?

Sie führt dich in deinen Frieden.

Ich erblicke ein vertrautes Gesicht. Sie ist genauso schön wie damals. Ihre braunen Haare strahlen und in ihren Augen erblicke ich das pure Glück.
"Hallo Anne." Sie kommt auf mich zu und lächelt. 
"Melodie?" Ich lächele zurück und laufe ihr entgegen. Sie ist weit entfernt, doch ihre Stimme erreicht mich klar. So als würde sie neben mir stehen. "Ich habe lange auf dich gewartet. Ich wünschte ich hätte noch länger warten müssen." 
Meine Gedanken springen zu meinen Kindern und zu meinem Ehemann. Doch bevor ich irgendeine Trauer fühlen kann ändert sich die Umgebung. Es sieht jetzt aus wie in meinem Schlafzimmer. Es ist mein Schlafzimmer.

Henry kniet dort neben einer Person, um sie herum stehen dutzende Menschen.

"Sie ist tot."

Henrys Stimme erreicht mich.

Es gibt kein zurück mehr.

Melodie steht jetzt direkt neben mir. Sie schaut Sophie lächelnd an. Dann dreht sie sich zu mir um und nimmt meine Hand. 

Dann wird es dunkel.

Ich muss loslassen.

Ich will nicht.

Ich bin nicht bereit dafür.



Liebe PrinzessinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt