Kapitel Dreiunddreißig

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Als die Kutsche hält und wir aussteigen, laufen die Kinder auf uns zu und umarmen uns stürmisch. "Endlich seid ihr wieder da. Großmutter wollte uns schon in den Kerker werfen lassen."

Lachend umfasse ich Kates Gesicht und gebe ihr einen Kuss auf die Wange. "Wo ist Sophie?"

"Mutter." Sophie kommt die Treppen hinunter, die Hände ineinander gelegt. Sie sieht so erwachsen aus.

Ich schaue erst sie, dann meinen Bruder an. Er starrt sie an und reißt die Augen auf. Sie trägt die Kette mit ihrem Namen, welche von Antonio ist. "Guten Tag." Sie knickst leicht und schaut ihn prüfend an. Sie hat dieselben Blicke wie Melodie. "Du bist also meine ... Nichte." murmelt er und wirkt nervös.

Ich trete neben sie und nehme ihre Hand. "Waren deine Geschwister zu anstrengend?"

Sie lacht und schüttelt den Kopf. "Sie haben Großmutter keine einzige Sekunde in Ruhe gelassen. Mich zum Glück schon."

Grinsend fährt Henry über ihre Haare und schaut Antonio kurz an. "Wir sollten reingehen." schlägt Mutter vor und mustert Antonio. Verwirrt über ihre Distanziertheit, gehe ich hinter Henry her. Er fasst nach hinten und umschlingt meine Hand mit seinen Fingern. Dann fährt er über meine Handfläche. Antonio folgt uns schweigend.

Als wir alle vier, Mutter, Henry, Antonio und ich im Wohnzimmer sitzen, herrscht eisiges Schweigen. Antonio rutscht auf seinem Stuhl herum, Henry schaut auf den Boden und Mutter mustert meinen Bruder.

"Mutter. Freust du dich denn gar nicht über Antonio?"

Alle schauen verwundert auf und blicken mich an. Mutter ist kurz still, bis sie sich räuspert. "Natürlich freue ich mich. Dennoch frage ich mich, was hat sich dein Vater dabei gedacht? Antonio hat niemals dieselbe Erziehung wie du genossen. Er kann kein Reich regieren. Dazu ist er nicht im Stande. Und ich verstehe nicht, warum du auf deine Ansprüche verzichtest."

Mein Mund klappt auf und Wut steigt in mir auf. Wut, weil Mutter schon Recht hat. Wut, weil Vater uns diese Last aufgebürdet hat, obwohl er sich hätte kümmern müssen. Und Wut, weil er Geheimnisse vor mir hatte.

"Eure Majestät. Mit allem Respekt. Ich bin selbst ein Thronfolger und habe eine strenge Erziehung bekommen. Jedoch hat die Erziehung nichts mit dem zutun, was man im Leben entscheiden muss. Wie man entscheiden muss. Die Erziehung dient doch nur dazu, dass man das Richtige sagt, sich richtig verhält." Henry steht auf und geht hin und her. "Antonio wird das sehr gut machen. Da bin ich mir sicher. Er ist ein kluger Mann."

Damit verbeugt er sich und geht aus dem Raum. Wie sehr ich meinen Gatten liebe. Immer kurz angebunden, aber liegt immer richtig.

Mutter nickt nach einiger Zeit, und das ist für mich das Zeichen zu gehen. "Mutter, wir reisen morgen ab." murmele ich noch, bis ich ihr einen Kuss auf die Wange gebe, mich umdrehe und Henry folge.

Am Abend spaziere ich etwas und finde mich im Labyrinth wider. Ich lasse mich auf die Bank fallen, seufze und fahre mir über das Gesicht.

"Warum morgen?" höre ich hinter mir und lächele leicht. "Anne." flüstert er und legt seine Hand auf meine Schulter.

"Weil du deine Zeit brauchst." erwidere ich und schüttele den Kopf. "Und Sophie?" fragt er und hockt sich vor mich hin. Er blickt mir in die Augen und ich sehe Tränen in seinen.

"Du wirst noch viele Möglichkeiten haben sie kennenzulernen." hauche ich und umarme ihn. "Ich habe dich so vermisst."

"Ich dich auch."



Liebe PrinzessinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt