Kapitel 2.2 - Dirty little Secret

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   Genau darum kreisten meine Gedanken bis Samstag. Auch Taylor war aufgefallen, dass ich mit meinen Gedanken nicht dort zu sein schien, wo sie eigentlich sein sollten. Aber sie fragte nicht weiter nach, was ich sehr zu schätzen wusste.

   Nervös betrachtete ich mich im Spiegel. Ich hatte mich für ein dunkelblaues schlichtes Kleid entschieden. Ein letzter prüfender Blick ob alles so weit passte, ehe ich meine kleine Tasche nahm und die Treppe nach unten schritt. Meine Eltern warteten schon und meine Ma wirkte einfach unglaublich schön, wie sie meinen Vater anlächelte.

  »Bist du so weit?«, fragte mein Vater noch einmal und betrachtete mich kurz prüfend. Ich nickte nur, denn wie konnte man sich für einen solchen Moment bereit fühlen? Es war nicht das klassische erste Date, kein klassisches Blinde-Date. Es hatte nicht mal ansatzweise etwas von dieser Richtung.

   Die Fahrt war nicht so lang und dann hielt der Wagen bereits vor dem Hotel in dem die Spendengala stattfinden würde, auf der ich Ethan dann das erste mal persönlich traf. Ein klassischer roter Teppich deutete den Weg hinein, Reporter standen an den Zäunen, in der Hoffnung auf den großen Schnappschuss. Erst stieg mein Vater aus, half dann meiner Mutter und dann kam ich. Wie lange war es her, dass ich sie auf eine Gala begleitet hatte? Es erschien mir wie eine Ewigkeit.

   »Dr. Shay!«, rief einer aus der Menge und mein Vater stellte uns für ein kurzes Foto auf, ehe wir weiter gingen. Ich hasste diese Aufmerksamkeit und die Fragen, die einem laut zugerufen wurden. Meine Mutter blieb stehen und beantwortete professionell ein paar Fragen, da ihre Stiftung wohl im Zusammenhang mit der Gala stand. Ich lief weiter, unbemerkt. Im Foyer, welches ich betrat, standen einige Gäste zusammen und redeten, begrüßten sich und da sah ich auch schon Frank Collister und seine Familie stehen. Ich nahm mir allen Mut zusammen und lief auf die Familie zu. Immerhin kannte ich Frank und Chrystal auch schon von anderen Veranstaltungen, so dass ich mir versuchte vorzustellen, sie einfach nur zu begrüßen. Meine Eltern waren kurz hinter mir.

   »Julienne, schön Sie wieder zu sehen«, begrüßte Frank mich und gab mir auf jede Wange einen Kuss. Noch so ein gehabe der Upperclass, welches ich hasste. Als wären alle so gute Freunde und stünden sich so nahe.

    »Die Freude ist ganz auf meiner Seite«, meinte ich höflich und wendete mich dann Crystal zu. Blieb nur noch einer übrig, Ethan.

   »Schön dich zu sehen, Juls.« Er lächelte kurz, ehe er sich zu einem kleinen Kuss auf meine Wange zu mir herunterbeugte. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und dieser Moment erschien mir wie eine Ewigkeit.

   Ich war verlegen, was sollte ich sagen? Hier stand mein wohl aktueller Freund von mir und jeder schien zu erwarten, dass wir direkt einen vertrauten und innigen Eindruck machten. Aber das war gar nicht möglich. Wer jetzt glaubte, es wäre alles wie in einem Märchen und perfekt, der irrte sich. Ich hatte mich noch nie so unwohl in meiner eigenen Haut gefühlt. Ein gruseliger Moment, voller Unsicherheit und Angst davor was nun auf mich zukommen würde. Es fühlte sich an, als würde man auf den Gleisen stehen und darauf warten, dass der Zug einfuhr, wobei ich mir nicht genau vorstellen konnte, ob es sich wirklich genau so anfühlte, aber ich vermutete es einfach mal.

    »Hey«, meinte ich leise, denn zu mehr war ich nicht im Stande.

   »Es gibt keinen Grund aufgeregt zu sein, einfach Atmen, das hilft schon mal«, flüsterte Ethan mir zu und seine Stimme war noch viel angenehmer, wie bei unserem Telefonat.

   »Dann lassen wir euch mal allein.« Frank klopfte seinem Sohn auf die Schulter und nickte mir zu, ehe sie sich zu meinen Eltern gesellten.

   Verlegen biss ich mir auf meine Lippe, was sollte ich nun sagen? Vor mir stand ein echt gut aussehender Mann, mit dunkeln Haaren, dessen moosgrünen Augen mich mit einem neugierigen Schalk betrachteten. Ein verschmitztes Lächeln umspielte seine Lippen, während ich wohl so steif dastand, dass ich jedem Stock Konkurrenz hätte machen können.

   »Ich bin wirklich überrascht.« Ethan musterte mich kurz.

   »Wieso?« Ich blickte ihn skeptisch an.

   »Ich hatte eigentlich eines der klassischen Upperclass- Mädchen erwartet und mich schon mit dem schrecklichen Gedanken angefreundet, aber ich wurde positiv überrascht.«

   »Das kannst du nach den wenigen Minuten jetzt schon so sagen?« Ich zog fragend eine Augenbraue nach oben.

   »Schau dich mal um und sehe in die Gesichter der Frauen, um dich herum. Die meisten tragen mehr Make-Up als gut für sie wäre, die Augen stark geschminkt, um die Augenringe zu kaschieren, die sie davon haben, weil sie jeden Abend entweder trinken oder zu lange in ihre Kissen weinen, weil das Leben ja so ungerecht sein kann.« Er rollte mit den Augen. »Und dann schau dich an, dezentes Make-Up, eine einfache Frisur, wahrscheinlich selbst gesteckt. Die Wahl deines Kleides, nicht zu auffällig. Mir gefallen natürliche Menschen besser. Dank meiner Stiefmutter ist meine Welt bereits voll genug von künstlichem.«

   Chrystal war nicht seine leibliche Mutter? Jedenfalls erklärte es, warum er und sein Bruder so gar keine Ähnlichkeit hatten, denn beide sahen sich oder ihrem Vater nicht mal ansatzweise ähnlich.

   »Ich bin mehr so der Jeans und Chucks Typ«, gestand ich und zuckte entschuldigend mit den Schultern. In diesen würde ich mich jetzt auch wohler fühlen, aber es war nicht angemessen, für eine Gala,

   »Ein weiterer Punkt für dich, Juls.«

   »Sehr schön, wenn das so weiter geht, kann ich die bestimmt bald einlösen und mir ein schickes Kofferset aussuchen.«

   Und da war sie, meine eigentliche Schlagfertigkeit.

   Ethan musste laut lachen und ich stimmte mit ein. Einige drehten sich kurz zu uns um, aber wir ignorierten sie einfach.

   »Lass uns einfach mal ein schönes Bild von uns machen, die Welt wartet nur darauf, dass wir uns kennen und dann habe ich wenigstens mal ein Bild von dir.« Er hatte sein Telefon gezückt und mich etwas näher an sich herangezogen, noch ehe er den Auslöser drücken konnte, hatte ich schon eine Fratze geschnitten, die ihn zum Lachen brachte.

   »Ist das, dass Bild, das man von dir sehen sollte?« Er zeigte es mir und ich musste so sehr lachen, dass sich Tränen in meinen Augen bildeten. Wir machten noch ein paar weitere Fotos, aber keines schien für Ethan gut genug zu sein, er war kritischer als ich dachte.

   Doch das nächste Bild war dann doch gut genug und schon waren wir in den Weiten des Internets.

   »Wird das ab jetzt immer so laufen?« fragte ich ihn und betrachtete die Bilder von uns, die er mir weitergeleitet hatte.

   »Leid nein, wir werden uns weiter heimlich treffen, und glauben wir sind ungestört und dann kommt es raus und wir werden eine Weile offiziell ein Paar sein.« Er klang so unglaublich professionell. Es war wahr, sie waren eine gut geölte Maschine, es war kaum zu übersehen.

   »Wenn du solche Bilder postest, dann wundert es mich nicht, dass es rauskommt.«

   »Ich werde gleich noch ein paar anderen Freunden Hallo sagen und es wird nicht bei dem einen Bild bleiben.« Er zwinkerte mir zu. »Und genau das solltest du auch tun. Ich weiß, du kennst hier auch ein paar Leute, mach Fotos und teil sie, dann fällt es weniger ins Gewicht.«

   »Dann wünsche ich dir noch einen angenehmen Abend«, verabschiedete ich mich höflich, in dem Glauben es für heute geschafft zu haben.

   »Meinst du wirklich, dass das hier für heute alles war?« Er grinste mich breit an.    

   »Dann sehen wir uns also noch?«

   »Mit Sicherheit, Juls.«  

   Ich nickte ihm kurz zu und hatte damit den ersten Akt unseres Schauspiels erfolgreich hinter mich gebracht. Jedoch stellte sich mir die Frage, wann all das zu einer Art Selbstläufer werden würde, oder ob jede dieser Begegnungen so seltsam und befremdlich war. Wenn man bedachte, was für Chaoten es gab, hatte ich scheinbar mit Ethan doch noch Glück gehabt. Er war mir bisher unbekannt gewesen, was bedeuteten konnte, dass er eher der unauffällige Typ war. Der erste Eindruck war jedenfalls nicht verkehrt, wenn man es auf all das bezog, was ich bisher wusste.

lies have their own truth - Band 1 der Ethan und Juls ReiheTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang