Kapitel 10 _ Liebe

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Eigentlich hielt ich ja Dienstage für die Ausgeburt der Hölle, aber als ich an diesem Montag um 4 Uhr in der Früh geweckt wurde, war ich mir da nicht mehr so sicher. Stephan hatte die fantastische Idee gehabt mich ein bisschen eher zu wecken, damit ich mir noch eine Tasche packen konnte. Dieser Idiot hätte einfach mal die Augen öffnen müssen, denn natürlich hatte ich schon eine fertig gepackte Tasche neben dem Bett stehen. Da er trotz der fertig gepackten Tasche darauf bestand, dass ich auf zu stehen hatte, machte ich mich total genervt fertig und versuchte irgendwo in meiner verschlafenen Hülle ein wenig Motivation auf zu treiben.

Die Motivation fand ich schließlich in meiner "Coach"-Playlist. In dieser Playlist hatte ich mir ein paar Lieder der Coaches zusammen gesammelt die mir besonders gefielen. Aber irgendwie hatten sich auch Lieder von anderen Interpreten in die Liste geschmuggelt. Doch das störte mich nicht weiter.

Der Abschied von Stephan viel ziemlich knapp aus. "Bis Mittwoch." hatte er gesagt. Nicht einmal eine Umarmung war drin. Echt traurig. Dabei hatte er versprochen mir als Stieftochter eine Chance zu geben. "Bis dann." hatte ich erwidert und war dann zu meiner Mutter gegangen, um mich wenigstens von einer Person richtig zu verabschieden. Sie nahm mich in den Arm und drückte mich fest. "Pass auf dich auf, Schatz." "Du kennst mich doch." Sie lächelte mich aufmunternd an. "Und hab viel Spaß." "Danke Mom, bis Freitag." hatte ich mich schließlich verabschiedet und war zu dem Kleinbus gegangen mit dem die gesammelte Mannschaft zum Einsatz fuhr.

Ich konmte mir einen Platz am Fenster sichern und beobachtete mürrisch, aber auch voller Vorfreude, wie sich der Wagen nach und nach füllte und sich schließlich in Bewegung setzte. Auf der Fahrt sah ich zumeist aus dem Fenster oder holte meinen verloren gegangen Schlaf nach. Erst eine halbe Stunde bevor wir das Ziel erreichen sollten, bekamen wir alle ein kleines Briefing und meine Aufmerksamkeit wurde verlangt. Damit brach in mir wieder ein wenig der Ärger über Stephan herein, denn ohne diesen Idioten würde ich nicht schon seit Stunden in einem stickigen Auto sondern in meinem klimatisierten Büro sitzen.

"So, da wir jetzt fast da sind besprechen wir nochmals kurz worauf es heute ankommt. Wie ihr sicher mitbekommen habt, sind ein paar Leute ausgefallen und wir sind etwas anders aufgestellt als sonst, doch ich gehe davon aus, dass das kein Problem ist." begann unser Teamleiter seinen Vortrag. "Sanders, Sie springen für Nancy ein und werden dem Kunden jeden Wunsch erfüllen. JEDEN, haben Sie verstanden?" Ich könnte kotzen. "Sir ja, Sir." sagte ich und erntete ein paar genervte Blicke. Wenn die wüssten wie genervt ich in diesem Moment war. "Ein bisschen ernster sollten Sie diese Situation schon nehmen, Sanders." Ich seufzte. "Ja, war nicht so gemeint. Ich werde mir Mühe geben den Kunden zufrieden zu stellen. Gibt es irgendwelche Tabus?" mein Teamleiter räusperte sich und ich erkannte erst im Nachhinein die Zweideutigkeit die in meinen Worten gesteckt hatte. "Der Gast ist König." sagte er einfach und verteilte schnell die Aufgaben an die Anderen. Wie mich hatte man auch sie im Vorraus schon über ihre Zuständigkeit informiert, aber das schien für diesen Teamleiter nicht wichtig zu sein. Außerdem wussten wir, dass wir vor Ort sowieso noch einmal zugeordnet wurden. Es war also vertane Zeit die wir diesem Mann zugehört hatten. Und doch; Bis zum Schluss der Fahrt zerbrach ich mir den Kopf darüber wie der Typ eigentlich hieß. Hatte er sich überhaupt vorgestellt?

Als wir nach einer gefühlten Ewigkeiten ankamen gab es einen letzten Hinweis von unserem namenlosen Teamchef. "Leute, heute ist ein wichtiger Tag. Dieser Kunde könnte uns allen einen fetten Bonus einbringen. Zeigt euch von eurer besten Seite." An seiner Motivationsrede musste er sprachlich noch ein wenig arbeiten, allerdings hatte er mit der Erwähnung von einem Bonus das erreicht was eine motivierende Rede auch bezweckte. Wir waren alle begeistert und bereit an die Arbeit zu gehen.

Vor Ort erwartete uns eine halb aufgebaute Bühne und ein nervöser Tourmanager. "Da kommt die Verstärkung endlich!" freute er sich und sah seine Assistentin zufrieden an. Uns begrüßte er gar nicht weiter sondern reichte der blonden Frau einfach ein schwarzes Klemmbrett und ging. "Herr Owono lässt sich entschuldigen, er muss sich noch um ein anderes Problem kümmern." sie sah in die Runde. "Sie haben eine halbe Stunde Pause und dann fangen sie mit ihren Arbeiten an. Michels, Müller, Schmidt, Trame, Jakob und Boss, Sie helfen beim Bühnenaufbau." Die Männer nickten. "Und Sie, Sanders, tja... Ich führe Sie am besten einmal rum."

In der Tat führte sie mich einmal über den kompletten Platz und erklärte mir von dem Mini-Würstchen-Stand bis hin zu der Maske alles bis ins kleinste Detail. Während dieser kleinen Tour wurde mir dann auch bewusst wessen Open Air Veranstaltung das werden würde. Und das brachte mein Herz dazu schneller zu schlagen. "Wann wird Mark eintreffen?" sie lächelte professionell. "Morgen, gegen Mittag." Ich nickte. Mit dieser Info hatte ich die Bestätigung auf meinen Verdacht. Das hier war Mark Forsters Event, seine Tour zum Album "Liebe"! Und ich sollte seinen persönlichen Pinguin spielen. Ich zwang mich zu einem entspannten Lächeln.

"Und was mache ich bis dahin?" fragte ich möglichst interessiert. Die Frau, die ebenso wie mein Teamleiter keinen Namen zu haben schien, lächelte und sah auf ihr Klemmbrett. Ihr Ausdruck blieb zwar freundlich, aber ich konnte sehen wie sie immer wieder den Mund öffnete und wieder schloss. Sehr amüsant zu betrachten und es erinnerte mich ein bisschen an einen Fisch auf dem Trockenen.

"Wie es aussieht sind Sie erst für morgen eingeplant. Aber..." Sie blätterte wie wild um, bis sie hatte wonach sie offenbar gesucht hatte. "...Hm, es gibt tatsächlich keine Aufgabe für Sie. Sie können den Aufbau der Bühne unterstützen." Bevor ich meine nächste Frage stellte zögerte ich, denn es war bestimmt ungewöhnlich einen Auftrag ab zu schlagen. "Kann ich vielleicht beim Ton oder bei der Band helfen? Damit kenn ich mich besser als mit dem Rest einer Bühne aus." Sie seufzte und schaute nochmals auf die Zettelsammlung. Dann schrieb sie eine Notiz neben meinen Namen. "Ich gratuliere, sie gehören heute offiziell zur Band." "Danke." Die Frau nickte und verabschiedete sich vorerst von mir. Ich spazierte zur Bühne zurück.

(K)ein StarWhere stories live. Discover now