Kapitel 38 _ Insider

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"Bevor wir da jetzt zurück gehen muss ich dich was fragen." sagte ich leicht verunsichert. "Alles." Ich lächelte. "Ich liege mit Paddy richtig, oder?" Sie lachte und stimmte zu. Ich hatte sie lange nicht so fröhlich und offen lachen sehen. Vielleicht war Stephan doch nicht so gut für sie wie ich immer gedacht hatte. Er war durch und durch ein Arschloch. Jetzt war es offiziell.

Erleichtert seufzte ich. "Na immerhin etwas." Gemeinsam gingen wir zur Bühne. Meine Mutter ging gezielt an den Fantas vorbei zu Paddy und begrüßte ihn freundlich. "Hey, schön, dass du es geschafft hast." grüßte er sie bei ihrer knappen Umarmung. "Wie war die Fahrt?" fragte Paddy weiter und ignorierte gekonnt sämtliche Blicke. Meine Mutter wirkte hingegen recht nervös. Das war eher untypisch. Meistens hatte sie eine genauso große Klappe wie ich und konnte echt schlagfertig sein. "Ganz gut." antwortete sie lächelnd. "Nur gut? Das klingt grausam langweilig." merkte ich an und wieder lachte sie. "Manchmal ist langweilig genau das Richtige." Ich verstand es, hatte in letzter Zeit aber einfach zu wenig langweilige Tage, um mich an so einen Tag zu erinnern.

Smudo und Michi wirkten ebenso verwirrt von meiner Mutter zu sein wie Yvonne und Mark. Sie erkannten sie nicht. "Ehm, kann ich euch zwei kurz was fragen?" fragte ich und sah zwischen Paddy und meiner Mutter hin und her. "Ehm, klar." willigte Paddy ein und wir drei gingen auf Abstand. "Was ist los?" fragte meine Mutter besorgt. "Also ich... Ihr müsst denen das nicht sagen." brachte ich heraus. "Ich weiß doch was 1992 passiert sein muss und die scheinen dich nicht zu erkennen. Vielleicht-" "Das ist lieb von dir." unterbrach mich meine Mutter lächelnd. "Aber ich kann doch nicht ewig weg laufen, Anny." Ich nickte und fühlte mich wieder klein und naiv. "Wonderful." flüsterte Paddy. Da musste ich nun doch lächeln. That's why you're so wonderful spukte es mir durch den Koof. Paddy war ein Spinner. Und ich war auch noch verwandt mit ihm. Genial.

"Du schläfst bei uns." sagte ich dann zu meiner Mutter. "Du musst dir unbedingt ansehen was wir aus der WG gemacht haben." Sie lächelte mich an. "Gern, aber ich werde erstmal in einem Motel wohnen. Wir sollten es nicht überstürzen." Vielleicht war das sogar eine gute Idee. Eine richtig gute. "Und... Dir würde ich es auch gern zeigen." sagte ich und sah Paddy an. "Michi auch, aber das ist dann mehr so ein geschäftlicher Besuch, wegen dem Label... Kommst du?" Paddy grinste. "Auf jeden Fall." Dann konnte ich auch wieder grinsen. "Aber erst müssen wir zwei wütende Rapper besänftigen." sagte ich nachdenklich. "Sind die echt immernoch wütend?" Ich zuckte mit den Schultern. "Hast du gesehen was Stephan denen in deinem Namen geschickt hat? Da wär ich auch angepisst." "Beschützerinstinkt." sagte Paddy erklärend und machte eine wegwerfende Handbewegung.

Wir gingen zu den anderen zurück, die hörten wiederum auf mit Tuscheln als sie das bemerkten. " Da stellte Mark die Frage auf die ich die ganze Zeit gewartet hatte. "Ist außer mir noch jemand verwirrt?" Yvonne hob den Arm. Entschuldigend blickte ich beide an. Die Fantas waren ganz offensichtlich auch verwirrt, konnten es aber anscheinend nicht recht zugeben. "Wie wär es, wenn wir das in meiner Garderobe klären? Ich kann gut auf weitere Zuhörer verzichten." sagte Paddy und alle folgten ihm bereitwillig.

In der Garderobe angekommen suchten sich alle einen Sitzplatz. "Da drüben steht eine Kaffeemaschine." sagte der Gastgeber, sah dabei aber nicht so aus als würde ihm Kaffee reichen. Paddy sah eher so aus als würde er etwas Stärkeres bevorzugen. "Wo fang ich am besten an?" fragte er sich selbst. "Machs kurz." sagte Smudo. So wie auch bei unserem Gespräch gestern. "Gut." sagte Paddy. Er sammelte sich kurz ehe er mit der Tür ins Haus kam. Nein, mehr noch, er sprengte sie regelrecht. "Tanja war meine erste Freundin und Anny ist unsere gemeinsame Tochter."

Keiner sagte etwas.

Aber was hätten sie auch sagen sollen? Die Situation war zu skurril für Michi und Smudo, um Welten zu abwegig für Yvonne und Mark, und ein "Ist doch schön." war absolut fehl am Platz.

Ich legte den Kopf schief. "Vielleicht sollten wir das doch anders machen." Michi schien zunehmend verwirrt zu sein. "Moment, Tanja? DIE Tanja?" Er musterte meine Mutter. Ein Licht ging ihm auf. "Ach du scheiße. Dich hätt ich ja im Leben nicht wiedererkannt!" entfuhr es ihm. Smudo stand immer noch auf dem Schlauch. "Was meinste?" "Na sie doch mal hin! Sie ist älter und die Haarfarbe ist anders, aber... das ist sie ganz eindeutig!" Nun ging auch Smudo ein Licht auf. Dann sah er plötzlich noch verwirrter aus. "Das heißt aber... Wow, bist viel rum gekommen, he?" seine Tonlage war etwas angespannt. Michi schien dieses ganze Drama von vor zwanzig Jahren beinahe vergessen zu haben, er war einfach nur fasziniert von meiner Mutter.

Männer.

"Ja, das ist ewig her. Aber viel wichtiger ist, dass ich diese E-Mail an euch nicht geschickt habe. Das hätte ich Anny niemals antun können. Und...", sie seufzte, "Es tut mir leid, dass ihr und Anny das alles so missverstanden habt. Das wollte ich nicht." "Aber du hast mich doch selbst nach meiner Mailadresse gefragt, oder?" Meine Mutter nickte. "Ja, weil ich euch um Hilfe bitten wollte. Ich wusste, dass ich es Anny sagen müsste, aber ich wusste nicht wie und..." Sie zuckte hilflos mit den Schultern.

Paddy sah mich unterdessen an. "Dann hat sie es dir nicht gesagt?" Ich schüttelte den Kopf. "Woher wusstest du es dann?" Ich zuckte mit den Achseln. "Du hast es mir praktisch selbst verraten. Ich hab es nur viel zu spät gesehen." Ich lächelte. "Wonderful." Paddy lächelte ebenfalls. Um uns herum hoben alle nur eine Augenbraue. Wow. Nach nur 10 Minuten hatten wir unseren ersten Insider.

"Was ist hier verdammt nochmal los?" fragte Mark plötzlich mit Nachdruck. Den hatte ich schon beinahe vergessen. "Paddy ist jetzt plötzlich dein Vater?" Plötzlich zwar nicht, aber. "Ja, verrückt oder?" "Verrückt? Wie alt soll er bitte gewesen sein, als du..." er fuchtelte mit den Armen rum. "14." mischte Paddy sich ein.

Meine Mutter begann daraufhin das gesamte Geschehen von 1992 einmal zusammen zu fassen.

Tanja, meine Mutter, erzählte von ihrer konservativen Familie und all den Regeln mit denen sie aufgewachsen war. Sie erzählte auch von ihrem besten Freund John der die Idee hatte ab zu hauen und neu an zu fangen. Er war in einer Band als Gitarrist und so kam meine Mutter zu dem Teil bei dem sie die Fantas kennen gelernt hatte. John hatte offenbar die Idee gehabt ihnen etwas Geld ab zu nehmen und in ihrem jugendlichen Leichtsinn erschien das nicht ganz so dumm wie es letzten Endes war.

Sex hatten sie nie gehabt. Smudo und Michi waren jeweils beide zu dicht oder zugedröhnt, um etwas wahr zu nehmen als sie kurz davor standen. Meine Mutter lachte und sagte, dass sie die Fotos noch immer besitzen würde die sie in diesen Nächten geschossen hatte. Mit etwas Geld und der Gitarre von John im Schlepptau sind sie auf Wanderschaft gegangen und haben die Kellys kennengelernt. Durch ihre Erfahrung mit einer Band konnten sie beim Auf- und Abbauen helfen. Paddy hatte damals keine Lust mehr auf die Band. Er war zwar das Herzstück, wie meine Mutter behauptete, aber ihn nervte diese ganze Familiensache. Sie wurden durch ihre Ansichten Freunde und dann kam eins zum anderen. Sobald sie wusste, dass sie schwanger war, und nur er kam als Vater in frage, verließ sie mit John die Kellys. Sie hatte es Michael Patrick gesagt, doch sie hatte ihm auch gesagt, dass sie John als Vater für ihr Kind wollte. Er hatte das akzeptiert. Dann zogen auch die Kellys weiter und der Kontakt brach ab.

Bis zum Tag der Blind Auditions, denn Paddy hatte sich die alten Aufnahmen von mir angesehen. Dort hatte er John erkannt und angefangen nach meiner Mutter zu suchen.

Die einzig offene Frage blieb die Frage wann sie sich in John verliebt hatte. Meine Mutter konnte den Zeitpunkt an dem sie sich tatsächlich in John verliebt hatte nicht mehr benennen, vermutete aber, dass sie ohne ihn zu lieben, wohl nie von zuhause abgehauen wäre.

"Oh Gott, ich hab Paddy Junior angebaggert." sagte Mark nachdem auch ihm klar wurde, dass das alles kein Scherz war. Wir lachten. Wobei Michi lachend noch etwas hinzufügte: "Anbaggern nennst du das also, ja?" Ich wurde rot und meine Mutter hellhörig. "Wie darf ich das verstehen?" Ich sank tiefer in das Sofa. Kaum glaubt man mal, dass es besser wird, da kommt sowas. "Naja..." Michi zögerte, nun doch etwas vorsichtiger mit dem was er sagte. Ich rechnete ihm positiv an, dass er mich nicht komplett in die Scheiße reiten wollte. "Die haben mich für sein Team gesperrt." sagte ich kleinlaut. Es war heute bereits das zweite Mal, dass ich mit dieser Geschichte raus rücken musste. "Das musst du mir genauer erklären." verlangte meine Mutter. Leider war auch Yvonne sehr interessiert wie genau man es schaffte für ein Team gesperrt zu werden. Sie waren meiner Meinung nach viel zu neugierig.

"Daran ist nur dieses blöde T-Shirt schuld."

(K)ein StarWo Geschichten leben. Entdecke jetzt