Kapitel 27

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"Ich bin so nervös, ich kotz gleich", sage ich und versuche Zentimeter für Zentimeter mein hautenges Kostüm höher zu ziehen. Lea, die bis gerade noch gelangweilt auf ihrem Handy rumgetippt hat, guckt genervt auf und rückt ihre Hasenöhrchen zurecht. "Sei nicht so melodramatisch, was soll schon passieren?" Was eine dämliche Frage. Ich wackele ein wenig mit den Hüften um den Stoff irgendwie über meinen, anscheinend dicken, Hintern zu zerren. "Er könnte nein sagen? Und wie peinlich wär das denn bitte?" "Wird er nicht", sagt Lea zuversichtlich. "Er hat dir doch gestanden, dass er dich noch liebt und das Einzige was zwischen euch stand war doch, dass er dachte das du und Jonas ein Paar wärt, richtig?" "Ja schon", murmele ich kläglich und schlüpfe in die Ärmel. Das Ding fühlt sich an als hätte ich ein Kondom an. "Und das er denkt, dass es nicht mehr wie früher wird." "Ja blabla", Lea macht eine abwerfende Handbewegung. "Das ist doch nur einer dieser abgedroschenen Sätze die Jungs immer sagen."  Seufzend greife ich nach dem Haarreif mit den Öhrchen und stecke ihn in meine Haare. "Wooow", sagt Lea anerkennent. "Du siehst echt heiß aus!" Ich betrachte mich zweifelnd im Spiegelbild. Zugegeben, als Katze zu gehen ist nicht besonders orginell. Eigentlich wollte ich mich ja als Kugelfisch verkleiden, aber Lea und Jonas waren beide total entsetzt von dem Gedanken wie ich als kleiner fetter Kugelfisch auf dem Bett sitze und Erik erwartungsvoll anstarre. Wahrscheinlich haben sie sogar Recht. Aufeinmal blinkt mein Handy und ich wende mich von dem Spiegel ab und greife danach.  Eine Nachricht von Miss Waikiki "Hi Schlappschwanz. Erik und ich kommen als Susi und Strolch, aber weil keiner Susi sein wollte, sind wir Strolch und Strolch. Nur damit du weißt wonach du Ausschau halten musst.

Und wie ich Ausschau halte. Es hat schon fast etwas von einer Paranoia und schließlich beziehe ich Platz neben der Tür und lauere alle Gäste auf, die hereinkommen. Mit einigen Bier und Waldgeistflaschen bewaffnet um mir Mut zuzutrinken, wenn Erik auftaucht, hocke ich am Türrahmen und inspiziere die Besucher. Ich stelle fest, dass mein Kostüm nicht sonderlich orginell ist, denn ungefähr jedes dritte Mädchen ist als Katze verkleidet. Vielleicht hätte ich doch als Kugelfisch gehen sollen. Oder Igel? Ich fange gerade an nervös zu werden (also noch nervöser als ich ohnehin schon bin), weil der Zeiger der Wanduhr sich unerbittlich auf 23 Uhr zubewegt, als drei Typen eintreten. Zwei als Hunde verkleidet. Als hätte mir jemand einen Elektroschock verpasst, springe ich auf und stelle fest, dass ich mir mehr als ein bisschen Mut zugetrunken habe. Ich stütze mich mit einer Hand an der Wand an und grinse die Neuankömmlinge euphorisch an. "Herzlich Willkommen zur Hollyween-Gedenkfeier!" Mats sieht total niedlich aus in seinem Hamsterkostüm (endlich jemand der die Hollyween-Gedenkfeier ernst nimmt) und Jonas und Erik sind kaum zu unterscheiden in ihren identischen Hundekostümen. Ihre Kaputzen gehen fast über die Augen und sie tragen aus mir unerklärlichen Gründen schwarze Zorromasken und Umhänge. Jonas bemerkt meinen kritischen Blick. "Wir sind Zorro-Strolche! Ist das nicht cool?" "Wahnsinng cool", murmele ich. Erik lächelt mir schüchtern zu und ich lächele zurück, bis mir einfällt das unser Plan ja war ihn bis Mitternacht zu ignorieren. Ich werfe einen Blick auf die Wanduhr. Es ist 22:56. Das wird hart. Sehr hart.

Anfangs versuche ich so zu tun, als hätte ich wahnsinnig Spaß und als würde ich mich nicht gerade am liebsten einfach um Eriks Hals werfen. Ich spüre wie sein Blick auf mir ruhen, als ich einen Shot nach den anderen mit Marco trinke und mich von Lea auf die Tanzfläche ziehen lasse. Mir ist etwas schwindelig und schlecht und mein Blick wandert ständig zur Uhr. 23:45. Noch eine Viertelstunde. Das halte ich nicht mehr aus. Wäre es so tragisch, wenn ich Erik einfach eigenhändig in mein Zimmer zerre und ihm die Karten gebe und mit ihm rede? Gut, vielleicht ist es dann nicht mehr so Grande Gesture-mäßig. Aber scheiß auf die Grande Gesture.

Als ich mich aus der Masse von tanzenden Menschen rauszwänge und mehr Ellbogen abkriege, als ich zählen kann, stelle ich fest das Erik verschwunden ist, was mich ein bisschen beunruhigt. Ich schnappe mir einen Shot von der improvisierten Bar und trinke ihn aus. Wo zur Hölle ist er hin? Alles dreht sich ein bisschen, aber auf die angenehme Weise. Schließlich erhasche ich in der Menge kurz einen schwarzen Umhang mit einer Hundeohrenkaputze und hastig drängele ich mich durch. Ich sage nichts zu Erik, sondern packe ihn einfach am Ärmel und zerre ihn hinter mir her. Es kommt kein Widerstand und der Art ,wie er hinter mir herschwankt nach zu urteilen, ist er auch nicht mehr besonders nüchtern. Eher total besoffen. Das ist eigentlich ziemlich untypisch für Erik und vielleicht nicht ideal für die Grande Gesture, aber ich bin ja auch nicht gerade ein Moralapostel. Als ich mein Zimmer erreiche, schließe ich die Tür auf (diesmal war ich so vorrausschauend und habe abgeschlossen damit ich nicht wieder Marco und Karin überrasche) und schubse Erik rein. Rasch schließe ich sie wieder und drehe mich zu ihm um. "Die Karten", denke ich hektisch. "Die Karten. Du musst dich entschuldigen. Die Karten. Du musst..." Und dann spüre ich auf einmal warme Lippen auf meinen. Es fühlt sich irgendwie ungewohnt an, aber vielleicht liegt es daran das ich Erik so lange nicht mehr geküsst habe.  Es ist definitiv nicht schlecht. Leidenschaftlich küsst er mich und seine Hände umfassen meine Hüfte. Und obwohl es sich gut anfühlt, ist es irgendwie anders. Aber ich komme nicht drauf, was sich verändert hat. Sanft schiebt er mich nach hinten, bis ich mit meinen Kniekehlen gegen das Bett stoße, nach hinten falle und Erik mitziehe. Er legt sich auf mich drauf und eine warme Hand wandert langsam unter mein TShirt. In dem Moment öffnet sich meine Zimmertür und wir fahren außeinander. Im Türrahmen steht ein entsetzter Mats und ein leichenblasser..Erik.

Attraction | Erik DurmOnde histórias criam vida. Descubra agora