Kapitel 3

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Menschen die unter Schock stehen, tun ja die seltsamsten Dinge. Und ich muss unter Schock stehen, anders kann man mein Verhalten erklären. Statt nämlich, wie jeder normale Mensch, sich auf den Boden zu setzten und mithilfe von Servierten die Blutung zu stoppen oder so, zwinge ich mich dazu mich zu beruhigen und meinen Plan durchzuziehen. Total bescheuert.

Erik , sein Freund und das gesamte Eiscafé starren mich erschrocken an, während ich sie fröhlich anlächele , obwohl mir total schwindelig ist. Egal. Der Plan. „Oh Gott“, sage ich zu Erik, dessen T-Shirt komplett durchweicht ist. „Tut mir sooo Leid. Warte ich hole dir eben ein frisches T Shirt.“ Ohne seine Antwort abzuwarten, drehe ich mich um und humpele zurück. Mein Bein tut noch nicht mal so richtig weh, aber die warmen Rinnsale, die stetig auf den Boden tropfen und eine Blutspur hinterlassen, sind schon unangenehm. Alles schwankt leicht, aber ich stütze mich einfach hin und wieder an Tischen oder Stühlen oder Personen ab. Ich höre Schritte hinter mir, aber ich habe es schon fast geschafft. Ich ziehe das Oberteil aus dem Regal im Hinterraum und drehe mich um.Hinter mir stehen Erik und Antonio, die irgendetwas sagen, aber ich höre sie schon nicht mehr richtig, es piepst in meinen Ohren. Ich halte ihm lächelnd das T Shirt hin, dann wird alles schwarz und ich kippe nach hinten in das Regal. 

Als ich wieder aufwache, liege ich auf einer Liege. Ich bin erst total desorientiert, bis ich runter auf mein in Verbände gehülltes Bein gucke.

Achja, Leas fantastischer Plan. In dem Moment öffnet sich die Tür und Antonio und ein Arzt kommen rein. „Ah, Sie sind wach. Wir haben die Scherbensplitter gezogen und mussten auch ein bisschen nähen. Die Narbe wird man aber bald kaum noch sehen. Bitte lassen Sie den Verband die nächsten drei Tage um."Ich nicke etwas verwirrt von den vielen Informationen.Antonio hat seine Arme verschränkt und guckt ziemlich schlechtgelaunt. Ops. Der Arzt ist noch ziemlich jung und gutaussehend und legt gerade nachdenklich den Kopf.„Bist du nicht das Fahrschulmädchen?“Ich erwäge einen Ohnmachtsanfall vorzutäuschen, aber ich bin nicht unbedingt das größte Schauspieltalent. Ich nicke ergeben. Er lacht. „Dank Ihnen haben wir wenigstens etwas zu tun. Alle paar Wochen landet mal einer ihrer Fahrschullehrer oder unschuldige Passanten bei uns, die Ihnen und ihrem Auto wohl im Weg waren."Ich werfe ihm einen hasserfüllten Blick zu. Vielleicht sieht er doch nicht so gut aus. Er hat schon eine ziemlich große Nase.  Der Arzt lacht immer noch, als er das Zimmer verlässt und sich von mir verabschiedet. Ich rutsche von der raschelnden Liege und greife nach meiner Tasche. „Was zum Himmel war das denn heute?“, poltert Antonio los, sobald die Tür hinter dem blöden Arzt  ins Schloss fällt. Ich verdrehe die Augen. „Ja tut mir Leid. Ich kann doch auch nichts dafür, dass ich eine Phobie vor Blut habe. Ist das Regal kaputt gegangen?“ Er wirft mir einen genervten Blick zu. „Mamma mia, das mein ich nicht. Wieso bist du gestolpert?“ „Meine Schnürsenkel waren offen“, lüge ich. Er zieht die Augenbrauen hoch und wirft einen bedeutungsvollen Blick auf meine Füße. Ich trage Sandalen. „Jetzt erzählen sich alle anderen Eisdielen, wie eine meiner Kellnerin gestolpert ist, den Kunden kostenlos eine Dusche gibt und dann auch noch mit blutüberströmenden Bein durch die Gegend rennt. Ich kann praktisch gleich dichtmachen.“ , jammert er.„Jetzt übertreib mal nicht Als ob es alle interessiert ob eine Kellnerin mal gestolpert ist.“

„Aber mich interessiert es!“, schreit er. „Du bist gefeuert.“

Natürlich bin ich nicht gefeuert.

Bereits drei Stunden später, als ich zuhause sitze, ruft er mich an um sich zu entschuldigen. Da Mariella die meiste Zeit krank feiert und er fremden Aushilfekräften grundsätzlich nicht vertraut, braucht er mich.  Außerdem ist es immer dasselbe, ich habe schon aufgehört zu zählen, wie oft er mich schon gefeuert hat.  In meiner WG herrscht zu meiner Überraschung Totenstille.

Ich teile sie mir mit drei anderen Studenten. Einmal Leon, der ungefähr jeden dritten Tag Partys veranstaltet und dessen Gäste MEINEN Joghurt essen. Ich habe keine Ahnung, wie er die Uni schaffen will, denn wenn er nicht Partys feiert, hat er ein Mädchen bei sich im Zimmer. Und die Beiden spielen dann nicht Monopoly.  Außerdem gibt es noch Karin, die ein echter Ordnungsfreak ist. Sie hat überall in der Wohnung Listen hängen, zum Beispiel eine „Hausordnung“ mit dreißig Stichpunkten (an die sich niemand hält, außer sie.) oder ein kompliziertes System, woran wir feststellen können, wer als nächstes mit dem einkaufen dran ist. Aber dafür braucht man auf jeden Fall einen Taschenrechner und Leon besitzt wahrscheinlich noch nicht mal einen.  Und dann gibt es noch den dritten ominösen WGbewohner. Ich weiß noch nicht mal seinen Namen, obwohl er sich bei seinem Einzug vor drei Monaten vorgestellt hatte. Leider nuschelte er so sehr, dass ich nichts verstanden habe außer:“Wadeasuhzdai“ Ich bin mir ziemlich sicher, dass er Waldemar heißt, aber Leon besteht darauf, dass er eine Sie ist und „Waldtraut“ heißt. Fakt ist, dass man ihn (oder sie?) so gut wie nie sieht. Es studiert Biologie oder so und auf seiner Fensterbank züchtet es etwas was mir verdächtig nach Hanf aussieht. Allerdings habe ich auch keine Ahnung von Pflanzen. Heute herrscht jedenfalls eine fast schon verdächtige Stille noch nicht mal Karin und Leon streiten sich. Auf Zehenspitzen schleiche ich in mein Zimmer und werfe mich auf mein Bett. Was ein verdammter Tag.

Am nächsten Morgen schlurfe ich im Schlafanzug in die Küche und reiße die Kühlschranktür auf. Natürlich schaut mir nur gähnende Leere entgegen. „WIESO KANN NIEMAND IN DIESER VERDAMMTEN WG JEMALS EINKAUFEN GEHEN?“, brülle ich. „Hausordnung Punkt 23“, kommt es dumpf aus  Karins Zimmer. „Außerdem hättest du meine sorgfältig ausgerechnete Gleichung genommen, wäre dir aufgefallen, dass du dran warst.“  Ich schlage die Tür zu und werfe einen Blick auf die verdammte Hausordnung, die mit einem Magneten am  Kühlschrank befestigt ist.

PUNKT „23: Lautes Reden und Schreien ist untersagt. Verstöße werden bestraft.“  

Ich reiße die Liste ab und schmeiße sie in den Müll. Damit verstoße ich gegen Regel 30. „DIESE LISTE DARF NICHT ABGERISSEN WERDEN, JA DAS GILT AUCH FÜR DICH VIENNA.“

 Der Supermarkt ist gerade mal drei Minuten von unserer Wohnung entfernt und deshalb entscheide ich, dass ich auch meinen Schlafanzug, eine kurze Hose mit supersüßen Spitzendetails und ein blaues normales T-Shirt, anbehalten kann. Ich schnappe mir noch meine Sweatshirtjacke, schlüpfe in Flipflops und verlasse die Wohnung. Es ist natürlich schon ziemlich warm draußen und das obwohl es gerade mal neun Uhr ist. Normalerweise schlafe ich um diese unmenschliche Zeit noch, aber mein Bein juckte so sehr unter dem Verband, dass ich nicht mehr einschlafen konnte.

Der Supermarkt hat auch gerade erst geöffnet, dementsprechend ist es auch ziemlich leer. Lustlos schiebe ich den Einkaufswagen durch die Gänge und klappere die Einkaufsliste ab, die Karin aufgehängt hatte. Fragt sich wofür zum Himmel sie fünf Desinfektionsgelpackungen braucht. Der untere Teil sind Sachen, die Leon dazu geschrieben hat. „ Zehn Packungen Kondome mit Erdbeergeschmack und zwei Packungen Aspirin“  Interessant. Ich bin gerade dabei die sechste Packung Kondome in den Wagen zu schmeißen, als auf einmal jemand neben mir schüchtern:“Ehm Hallo“, sagt.

Überrascht, mit Kondome in Erdbeergeschmack „für grenzenloses Vergnügen“  in der Hand, drehe ich mich um. 

~

Hi :)

Über Kommentare würde ich mich wahnsinnig freuen! :)  Ich habe rechts ein Bild von "Vienna" hochgeladen, da ich sie mir wie die Schauspielerin Alexis Bledel vorstelle. (Sie hat Lena in eine "Eine für vier" gespielt, falls jemand von euch den Film geguckt hat)

xx

Attraction | Erik DurmWhere stories live. Discover now