Kapitel 4

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Hinter mir steht Erik Durm.

Was zum Himmel.

Er hält eine Packung Wasser und Müsliriegel in der Hand und hat eine Trainingstasche umgeschlungen. „Ich war hier gerade einkaufen und hab dich gesehen und… ehm… ich wollte mal fragen wie es dir geht?“  Seine Wangen werden etwas rot. Süß. „Oh!“, sage ich. „Mir geht es schon besser, danke. Mein Bein wird schon wieder.  Mir tut es übrigens sehr leid, dass ich gestern dein T-Shirt nass gemacht habe, ich weiß auch nicht wie mir das passiert ist…“Leas Plan, das ist passiert.  „Ach ist doch kein Problem.  Ich hab dein Eisdielenshirt  gerade leider nicht mit. Wo kann ich es dir wiedergeben?“ Ich will ihm gerade erwidern, dass er es ruhig behalten kann, ein T-Shirt weniger mit Antonios Gesicht in Lebensgröße drauf ist wirklich kein großer Verlust,aber dann fällt mir auf,  was für eine Chance das ist.

Ich setzte mein charmantestes Lächeln auf und versuche den Fakt zu ignorieren, dass ich im Schlafanzug, mit verwuscheltem Haaren, ungeschminkt und mit Kondomen in der Hand in dem grellen Licht eines Supermarktes stehe. „Ich habe gleich Fahrstunde, aber du kannst es nachher bei mir vorbeibringen, wenn es dir nichts ausmacht.“ Er schüttelt den Kopf. „Kein Problem. Ich komm dann so um eins vorbei, ist das okay? Was ist deine Adresse?“ Er hat ein Grübchen. Himmel. Ich gebe ihm meine Adresse und er verabschiedet sich freundlich. Eine Woche lang habe ich verzweifelt versucht ihn irgendwo zu treffen, habe mich geschminkt, in enge kurze Kleider gezwängt und bin auf Highheels durch die Gegend geschwankt. (Ich kann schon ohne Absätze nicht laufen ohne über meine Füße zu stolpern) und jetzt treffe ich ihn, während ich in Pyjamas und Erdbeergeschmackkondomen in der Hand in der Hygieneabteilung stehe. Danke Schicksal.

Fahrstunden laufen immer nach demselben Schema ab.  Ich setzte mich ins Auto und heule dem Fahrlehrer vor, dass ich es eh niemals schaffe. Der lächelt nur gequält und gibt keine Widerworte, die Aufmunterungsversuche hat er schon lange eingestellt. Dann versuche ich das Auto zu starten und scheitere schon daran, dass ich den Schlüssel in die falsche Richtung drehe. Nachdem ich es dann irgendwann geschafft habe, schleiche ich mit 20 kmh die Hauptstraße hinunter und versuche das Hupen hinter mir zu ignorieren. Irgendwann verliert der Fahrlehrer dann die Geduld und drückt ein wenig auf das Gas, was ich mit einem Quieken quittiere. Panisch reiße ich das Lenkrad nach rechts und wir landen in dem kleinen Busch neben der Fahrbahn, wie so oft. Der Fahrlehrer seufzt nur, begutachtet den Schaden (Gott sei Dank nur ein kleiner Kratzer), flucht ein paar Minuten vor sich hin, während ich mich stammelnd entschuldige. Schließlich sagt er das er mich nicht mehr unterrichten kann und das ich es aufgeben soll. Ich nicke und weine ein bisschen. Er sagt:“ Nagut, noch eine allerallerletzte Stunde.“ (Wie eigentlich immer.) Wir fahren zurück und ich bin eigentlich ziemlich zufrieden. Ich mache definitiv Fortschritte. Immerhin sind diesmal keine Personen zu Schaden zu kommen.

Zuhause dusche ich erstmal um meinen Angstschweiß ab zu waschen und überlege was ich anziehen soll. Ich probiere so ziemlich alles in meinem Kleiderschrank einmal an und bin gerade dabei meinen Skianzug (der ehemals mal meiner Mutter in den 90' gehört hatte. Dementsprechend sieht er auch aus) anzuprobieren, als es klingelt.  Ich gucke auf die Uhr. Es ist gerade einmal zwölf Uhr, das kann unmöglich Erik sein. Also watschele ich in dem Anzug Richtung Tür und luge durch den Spion. Irgendein fremder Junge mit kurzen braunen Haaren. Bestimmt ein Freund von Leon.

Ich öffne die Tür. „Hi.“ Er zieht seine Augenbrauen hoch. „Hi. Bist du Vienna?“  Ich nicke, meine Haut kribbelt unangenehm unter dem Anzug.  Gott ist es warm. „Jetzt weiß ich was Erik meinte“, murmelte er, während er mich kopfschüttelnd betrachtet.  „Wie bitte?“ „Nichts“, sagt er und lächelt mich höflich an. „Ich bin Jonas, ein Freund von Erik. Er kann leider nicht kommen, er hatte noch Extratraining. Aber ich soll dir dein T Shirt geben.“  Am liebsten hätte ich ihm einfach die Tür ins Gesicht geknallt, aber ich reiße mich zusammen und nehme das hässliche Oberteil entgegen. Er wird nicht kommen! Was soll ich jetzt nur machen? Wie soll ich die 30 000€ bezahlen? Verdammt. Erst heute hatte ich wieder eine Mahnung von dem Juweliergeschäft und der ehemaligen Fahrschule bekommen, dass ich doch bitte die Schulden bezahlen soll. Ich spüre wie sich ein Kloß in meinem Hals bildet.. „Danke“, presse ich heraus. „Echt nett von dir.“ Leon, der gerade in der Küche sitzt, und mithilfe von Aspirin seinen Kater versucht auszukurieren, streckt seinen Kopf heraus. „Keine Sorge, sie ist immer so.“  Jonas nickt nur und lacht ein bisschen. Ich schließe die Tür mit einem wütenden Ruck und marschiere an Leon vorbei in Richtung Zimmer. „Tztz“, tadelt Leon. „Das war aber nicht sehr höflich.“ „Es war auch nicht sehr höflich von deiner Mutter dich zu gebären“, murre ich und lasse meine Zimmertür hinter mir ins Schloss fallen.

Wütend pelle ich mich aus dem blöden Skianzug und schlüpfe in eine kurze Hose und ein Top. Den Wie-ich-Erik-rumkriege-und-an-sein-Geld-komme-Plan kann ich sowas von vergessen. Durch die Wand höre ich, wie Leon, die Haustür öffnet und sich bei diesem Jonas für mein Verhalten entschuldigt und ihn einlädt reinzukommen. Dieser Blödmann! Anscheinend sagt er zu, den wenig später höre ich sie beide in der Küche über irgendetwas lachen, während ich mit verschränkten Armen auf meinem Bett liege und vor mich hin schmore. Bestimmt erzählt Leon jede peinliche Geschichte über mich die es gibt und dieser Jonas erzählt sie dann Erik und dann kann ich den Plan vollkommen vergessen. (Nicht das es ohnehin schon sinnlos ist.) Ich springe von meinem Bett auf.  Ich sollte Leon dringend aufhalten um wenigstens das Schlimmste aufzuhalten und meinen Ruf nicht komplett zu demolieren.  

Ich lächele so breit wie ich kann die beiden Jungen an, die am Küchentisch sitzen, während Leon gerade meine Juwelierunfallgeschichte zum Besten gibt und Jonas sich köstlich amüsiert.Er trägt noch das gelbe Trikot und auf seinem Rücken steht Hofmann. Doofmann wäre passender. Ich überlege was ich tun könnte, damit er aufhört zu reden.

„Hey Leon“, sage ich. „Deine Mami hat gestern übrigens angerufen, während du mit Maddie oder Maggie oder wie sie hieß, „gelernt“ hast.“  Ich schnappe mir einen Apfel und beiße rein. Leon unterbricht seine Erzählung und guckt mich panisch an. „Und was hast du ihr gesagt?“ „Das ihr gelernt habt.“ Leons Gesichtsausdruck entspannt sich etwas. „Und dann hat sie mich gefragt wofür ihr lernt. Und ich habe geantwortet, dass ich mir nicht ganz sicher bin. Wenn ihr so laut stöhnt könnte es sich auch um wirklich schwere Matheaufgaben handeln, aber ich würde auf Sexualkunde tippen.“ Ich lächele ihn unschuldig an. Leon springt auf. „Du bist so ein Miststück!“,ruft er, während er zum Telefon rennt um sofort seine superkatholische ehrgeizige Mutter anzurufen.  Ich gucke Jonas an und zucke entschuldigend mit den Schultern, während Karin „Regel 25a, KEINE KRAFTAUSDRÜCKE“, aus ihrem Zimmer brüllt. Der arme Junge sieht leicht verstört aus und ich fürchte, dass er sich schon verabschieden will. Aber vielleicht könnte er mir noch nützlich sein. „Du bist also ein Freund von Erik?“ Ich beiße ein Stück von meinem Apfel ab. Er nickt. „Seid ihr gemeinsam im…“ ich werfe ein Blick auf sein Trikot. „Im Schachclub oder so?“ Ich weiß natürlich genau, dass sie im Fußballverein sind, aber ich möchte nicht zu stalkermäßig rüberkommen.  Jonas verschluckt sich an seinem Wasser. „Eh“, keucht er und hustet etwas. „Nein, wir spielen Fußball.“  Ich nicke, als würde ich es zum ersten Mal hören und als ob ich nicht sogar Eriks Sternzeichen wüsste. „Kennst du nicht den BVB?“, fragt er ungläubig und deutet auf das Logo auf seinem Trikot. „Wie lange wohnst du den schon in Dortmund?“ „Mein lebenlang“, sage ich. „Und du hast nie davon gehört?“, er klingt ungläubig. Kein Wunder. Man kann hier keine fünf Schritte gehen über irgendetwas in schwarz gelb zu stolpern. „Eh, doch, aber ich hab immer gedacht es steht für „Bockwürstchen verdienen Bewunderung““, sage ich und lächele ihn an. Das ist mit Abstand die schlechteste Lüge die ich je erzählt habe. „So eine Art Freiheitsbewegung… für.. Bockwürstchen. Ich fand das immer ganz toll, dass soviele Leute sich dafür.. einsetzten. Aber anscheinend steht es ja doch für etwas anderes.“  Jonas sieht mich an, als wäre ich total gestört, was ich ihm nicht verdenken kann.

„Haaah“, rufe ich so plötzlich das er zusammenzuckt. „War nur ein Scherz. Ich weiß natürlich was der BVB ist. Aber du bist wirklich drauf reingefallen!“  Jonas greift nach seiner Trainingstasche. „Haha“, murmelt er verstört. „Ich glaube, ich muss jetzt gehen. Sag Leon Tschüss von mir.“ Er eilt hastig Richtung Tür. „Bye, Vienna. Schön dich kennenzulernen.“Das bezweifele ich. Ich kann kaum „Auf Wiedersehen“, sagen, da ist die Tür auch schon zugefallen. 

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Hi :)

Falls das irgendwer liest, fände ich es echt lieb, wenn ihr einen Kommentar oder so hinterlassen würdet, ich würde mich wahnsinnig darüber freuen! :)

Attraction | Erik DurmWhere stories live. Discover now