Falsch!

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„Es ist schön, dass Sie wieder da sind, Sherlock", sagte Mrs. Hudson.
Die Koffer von Sherlock und John standen noch unausgepackt im Raum, Sherlocks Mantel hing an der Garderobe, Johns Parka war über einen Stuhl geworfen.
John hatte die Stiefel von den Füßen gestreift und sich seufzend auf seinen Sessel sinken lassen. Sherlock hatte sich auf das Sofa gefläzt.
„Ja, ja, schon gut, Mrs. Hudson. Stellen Sie den Tee bitte auf den Tisch, wenn er fertig ist? Und ein paar Plätzchen würde John sicher auch zu schätzen wissen. Danke."
Mrs. Hudson schüttelte den Kopf.
„Also, wirklich, ich bin nicht ihre Haushälterin. Aber na gut. Ausnahmsweise."
Sie sah John an.
„Wirklich, Sie haben es erstaunlicher Weise noch immer nicht geschafft, ihm Manieren beizubringen, Dr. Watson."
„Falsch", sagte John und grinste zufrieden.
Mrs. Hudson riss fragend die Augen auf.
„Wie bitte? Was wollen Sie damit..."

In diesem Augenblick flog die Tür auf und ein aufgebrachter Mycroft Holmes stürmte herein.
„Sherlock!"
Mrs. Hudson drehte sich erschrocken zu ihm um. Sie mochte Sherlocks Bruder nicht besonders. Dennoch sagte sie fürsorglich:
„Ich besorge noch eine dritte Tasse ... oh, und eine vierte auch noch", denn in diesem Augenblick hatte es geklopft, und auf Johns „Herein!" war der Detektiv Inspector Lestrade in den Raum getreten.

„Sherlock!"
Mycrofts Ton war streng und verärgert.
„Wo seid ihr zwei gewesen! Einfach eine ganze Woche zu verschwinden und niemandem zu sagen, wo man euch findet!"
Sherlock grinste erfreut.
„Soll das heißen, Brüderchen, dass es selbst dir und deinen Schergen nicht gelungen ist, uns ausfindig zu machen? Wie schön!"
„Herrgott noch mal!"
Mycroft schnaubte.
Dann wandte er sich John zu.
„Ich hätte gedacht, dass wenigstens Sie vernünftig genug sind, Dr. Watson ..."
„Falsch!", fiel John ihm ins Wort.
„Wie bitte?", Mycroft runzelte die Stirn.

Nun ergriff Lestrade das Wort.
„Sherlock, Sie sind ja erwachsen und könne letztendlich tun und lassen, was Sie wollen ..."
Mycroft schnaubte erneut, diesmal regelrecht empört, was Sherlock ein weiteres Grinsen und John ein Kichern entlockte.
Lestrade warf Mycroft einen strafenden Blick zu und wiederholte:
„... tun und lassen, was Sie wollen. Aber in Anbetracht der Tatsache, dass Sie weiß Gott genug Feinde haben, sollten Sie ihre Freunde ..."
Diesmal war es Sherlock, der schnaubte.
„... jawohl, ihre Freunde, wissen lassen, wo Sie sich aufhalten. Oder jedenfalls, dass Sie nicht gekidnappt wurden, sondern dass Ihr Fortgang geplant war und es Ihnen gut geht!"

„Sie haben recht, Gregory. Es tut uns leid", sagte John.
„Ach", sagte Mycroft empört. „Er hat recht? Und mich schnauzen an, es sei falsch, Dr. Watson?!"
„Falsch!", sagte John erneut.
„Also das ist doch...!"
Mycroft fand vor Ärger keine Worte.

„Hören Sie", sagte nun Gregory, „es mag ja sein, dass Sie Mycroft nicht sehr schätzen ..."
Wieder grinste Sherlock, den das ganze zu amüsieren schien.
„...aber er hat recht! Er als Sherlocks Bruder hat ein berechtigtes Interesse daran, zu wissen, wie es seinem Bruder geht. Und wenn Sherlock schon nicht vernünftig ist, sollten Sie das wenigstens sein, Dr. Watson."
„Falsch", sagte John.

„Also zum Donnerwetter", wollte Greg auffahrend, als sich die Tür wieder öffnete und Mrs. Hudson mit einem fröhlichen „Huhu!" die Wohnung betrat.
„Ich habe noch zwei Tassen geholt. Na, ich sehe, sie haben ja noch nicht mit dem Tee angefangen ... lassen Sie mich mal einschenken."
Sie wusste genau, wie jeder seinen Tee mochte.
Ohne alles ...
„Bitte schön, Mr. Mycroft Holmes."
„Ergebensten Dank, Mrs. Hudson."
Mit Milch und Zucker...
„Bitte, Detektiv Inspector."
„Danke, Mrs. Hudson."
Nur mit Milch...
„Bitte, Sherlock."
„Grmmpf..."
Und noch einmal mit Milch und Zucker.
„Bitte, Dr. Watson..."
„Falsch! Dennoch, Danke, meine Liebe."

„Falsch? Aber ... Sie haben doch immer mit Milch und Zucker ... was ist hier los?!"
Mrs. Hudson war erschüttert. Sie wusste von jedem, der je bei ihr Tee getrunken hatte, wie er seinen Tee mochte!
John lachte leise.
„Der Tee ist perfekt, liebe Mrs. Hudson. Aber ..."
Demonstrativ genießerisch nahm er einen Schluck.
„ ... der Name ist falsch. Ich bin nicht Dr. Watson."

„Was?!"
Das Was kam aus drei Kehlen gleichzeitig: Mrs. Hudson, Mycroft und Lestrade.
„Nun", sagte Sherlock, „mein lieber John, der mich bei meinen Fällen unterstützt und mir auch in vielen anderen Situationen im Leben wichtig und bedeutend ist, heißt seit dem letzten Wochenende, das wir im übrigen in jener kleinen Pension in dem Dorfe Grimpen in der Nähe der Forschungsstätte Baskerville verbracht haben, nicht mehr John Hamish Watson."

„In der Tat", sagte John strahlend. „Darf ich mich vorstellen: Captain Dr. John Hamish Holmes. Ehemann von Sherlock William Scott Holmes."
Und im nächsten Augenblick fand er sich in Lestrades bärenhafter Umarmung wieder, während Mrs. Hudson freudeschluchzend Sherlock an sich drückte und zu Mycrofts Füssen eine von Mrs. Hudsons guten Maxwell & Williams Royal Bone China Teetassen in tausend teeumflossene Scherben zerschellte.

Sherlock BBC One-shotsWhere stories live. Discover now