Im Schwimmbad

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Diese Geschichte ist für ScarsLikeVelvet, die mir die Stichworte "Depression, Schokolade, Schwimmen" gegeben hat.


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Warum gehen Leute in so eine öffentliche Einrichtung, um zu schwimmen?
Schwimmen, Herrgott!
Ich meine, man muss sich hier doch nur mal umschauen. Das ist doch grauenhaft! Die Fliesen an den Wänden sind alt und teilweise abgestoßen. Die Rohrleitungen zum Teil verrostet. Die Duschen alt und die Drehknöpfe quietschen, wenn man sie anstellt.
Die Umkleidekabinen wirken, als kämen sie aus dem vorletzten Jahrhundert.
Und das Becken selber.
Diesen Leitern zum Einstieg möchte ich mein Körpergewicht nicht wirklich anvertrauen, und ich bin doch nun wirklich ein Leichtgewicht! John schimpft immer, ich würde zu wenig essen, vor allem nicht regelmäßig genug. In dem Punkt ist er sich mit meinem Bruder Mycroft einig, wenn auch sonst nicht in vielen Dingen. Ha!

Was letztendlich auch gut so ist, denn wenn John in vielem anderen Mycrofts Meinung wäre, dann wäre er nicht mein John. Der Mann, den ich liebe.
Wie auch immer, dieses Schwimmbad hier ist grauenhaft, schauderig, von der Hygiene gar nicht zu reden.
Wenn ich zu Hause irgendwelche seltsamen Kulturen in Petrischalen auf unserem Küchentisch züchte, oder auch in unserem Kühlschrank, dann weiß ich was ich tue. Aber das hier? Ich möchte mir gar nicht vorstellen, was man sich alles einfangen kann, wenn man mit bloßen Füssen über diese Kacheln läuft ... allein der Gedanke, schauderhaft.

Nun ja, John ist von den Pilzkulturen und anderen Experimenten in unserer Wohnung nicht sonderlich begeistert. Erst gestern hat er sich wieder schrecklich aufgeregt, weil ich einen sich langsam zersetzenden Hundekopf im Kühlschrank lagere. Direkt neben der Butter und der Schokolade.
Du liebe Güte, als ob ich nicht genau weiß, was gefährlich ist und was nicht! Das ganze läuft immerhin unter genau kontrollierten Bedingungen ab!
John hat den Hundekopf in die Mülltonne geworfen und mir angedroht, mir bei der nächsten ähnlich gelagerten Aktion den Hintern zu versohlen.
Vielleicht sollte ich es einmal darauf ankommen lassen. Das wäre ebenfalls ein ziemlich interessantes Experiment.

Nun, ich sollte wohl nicht abschweifen.
Ich sollte mich auf das konzentrieren, was ich hier vorhabe. Dieses unsägliche Schwimmbad, in dem ich vermutlich gleich auf meinen mir bis dahin noch unbekannten Gegenspieler treffen werde.
Moriarty.

Ich bin aufs äußerste gespannt, als was für ein Mensch sich der Meisterverbrecher erweisen wird.
Eine Zeit lang habe ich tatsächlich befürchtet, dass John, mein John, Moriarty ist.
Es gab einfach viele Hinweise, die in diese Richtung lenkten.
Moriarty weiß Dinge, die am ehesten jemand wissen kann, der mir in meinem Alltag (nun, wenn man mein Leben Alltag nennen kann) nahe steht.
Und niemand steht mir näher als John.
Er weiß Dinge aus meiner Kindheit und Jugend, die ich nur wenigen Menschen erzählt habe.
John kennt alle diese Dinge.
Moriarty muss ein unauffälliger Typ sein, ansonsten wäre er in irgendeiner Weise schon mal aufgefallen. Die wenigen Beschreibungen, die es von ihm gibt, sind nichtssagend.
John ist unauffällig. Verstehe man mich nicht falsch, John ist alles andere als langweilig, und für mich ist er etwas ganz besonderes. Aber objektiv betrachtet ist er nun mal von unauffälligem Äußeren und auch in seinem Verhalten, seinem Umgang mit anderen Menschen, so normal ...
Moriarty hat, natürlich, einen Hang zum Abenteuer, zu gefährlichen Situationen, zu Gefahr und Jagd.
John war Militärarzt in Afghanistan, und er vermisst diese Zeit.

Es passt einfach, verdammt, es passt zu gut.
Und es war schlimm für mich, denn mal abgesehen davon, dass John der erste wirkliche Freund in meinem Leben ist, war ich zu diesem Zeitpunkt schon so weit, dass ich mir eingestand, in ihn verliebt zu sein. Und auch wenn Liebe nicht logisch ist, konnte ich es nicht länger vor mir selbst bestreiten.
Ich wurde zu diesem Zeitpunkt immer übel gelaunter. Hatte immer weniger Kraft und Energie. Starrte manchmal stundenlang aus dem Fenster. Konnte kaum noch Fälle annehmen, weil mir die Kraft fehlte, mich aufzuraffen ...
Heute weiß ich, dass ich dabei war, eine klinische Depression zu entwickeln. Mein ganzes Leben stand am Abgrund, allerdings nicht auf die Weise, wie es Spaß macht, vollgepumpt mit Adrenalin sich ins Abenteuer stürzend. Nein, es war eher eine Leere, die mich ergriffen hatte. Ich war sogar kurz davor, wieder Drogen zu nehmen.
Das passte überhaupt nicht zu mir, denn auch Depressionen sind nicht logisch. Aber ich musste mich wohl oder übel der Tatsache stellen, dass ich letzten Endes auch nur ein Mensch bin wie alle anderen und meine Seele ebene den gleichen Gesetzten unterworfen ist und ich nicht mit Logik dagegen ankämpfen kann.

Nun, aber das war, bevor John und ich zusammen ... also ... ich meine ... bevor wir beide ein Paar geworden sind.
Es war John „Ich bin nicht schwul!" Watson, der den ersten Schritt gemacht hat; der mir gegenüber zugeben konnte, dass er mich liebt.
Seitdem ist unsere Beziehung zu etwas starkem gewachsen. Und ich weiß nun, dass John nicht Moriarty ist. Es gar nicht sein kann. Nicht nur, weil es handfeste Beweise gibt, sondern auch, weil ich John inzwischen so gut kenne. Ich kann seine Seele lesen, weiß, wie sein Kopf tickt und sein Herz.
Ich liebe ihn.

Nun, wie auch immer, hier wird jetzt gleich Moriarty den Raum betreten.
Und dann werde ich es wissen, mit wem ich zu tun habe.
Und wenn das erst einmal klar ist, steigen meine Chancen, ihn zu besiegen. Ich werde kämpfen und ihn besiegen und ich werde nicht zulassen, dass er je wieder Menschen Leid zufügt.
Ich mag ein Soziopath sein, und als solcher nur eingeschränkt in der Lage sein, Mitgefühl wirklich zu empfinden. Aber ich bin hochintelligent, und von daher in der Lage, zu WISSEN, wie Menschen behandelt werden möchten und was sie nicht erleben möchten.
Von Moriarty gequält und getötet zu werden ist sicher keine der bevorzugten Freizeitaktivitäten des modernen Briten.

Von daher ...
Wo bleibt der Kerl?
Ich will jetzt endlich wissen, mit wem ich es zu tun habe.

Ich höre eine dieser altertümlichen Türen in ihren Angeln quietschen.
Na endlich.
Sie geht auf.
Langsam.
Herrgott, was soll das Theater. Wir stehen wohl auf den großen Auftritt, was?


Die Tür ist nun vollständig geöffnet.
Und er tritt durch die Tür ...

Oh Gott.

Es ist John!

Sherlock BBC One-shotsTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon