Schnittblumen

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  Diese Geschichte widme ich Florin, der mir die Stichworte „Blumen, Kälte, Stille" gegeben hat.






Letztes Jahr um diese Zeit, da schien es so, als wäre mir von meiner großen Liebe nichts geblieben als ein Grab in der Stille des Friedhofs. Ein Grab, auf dem ein paar Blumen standen, die in der Kälte des Winters vor ich hin froren. Ein Grab, an dem auch mein Herz voller Kälte war. Voller Verzweiflung. Voller Dunkelheit.


Jetzt, ein Jahr später, stehe ich in unserer Wohnung in der Baker Street und bin im Begriff, ihn zu heiraten.
Ihn, Sherlock Holmes.
Ich kann es noch immer nicht glauben. Der Augenblick, als er plötzlich wieder vor mir gestanden hatte, war geeignet gewesen, mein armes Herz zu brechen. Ich hatte so lange durchgehalten, hatte gekämpft, um nicht unterzugehen. Hatte gegen die Trauer, Kälte, Dunkelheit gekämpft. Hatte versucht, wieder den Weg ins Leben zu finden. Hatte sogar begonnen, wieder jemanden zu daten, Mary, und das obwohl sich alles in mir sträubte, irgendeine Beziehung anzufangen.
Aber ich hatte mir immer wieder gesagt, er ist tot, er kommt nicht wieder. Das Leben muss weitergehen.


Ich habe gelitten wie ein Hund. Und dann, nach all dem Leid, all dem Schmerz stand er plötzlich vor mir und sagte in mein völlig fassungsloses Gesicht:
„Kurzfassung - nicht tot."
Und mein Herz, dass die ganze Zeit so tapfer gekämpft hatte, brach. Und das im wörtlichsten Sinne, denn nach dem ich ihm meine Faust in sein Gesicht gesetzt hatte, und ihm beinahe die Nase gebrochen, wollte es nicht mehr und bescherte mir einen klassischen Herzinfarkt.
Ich kam in die nächstgelegene Klinik, und es stand tatsächlich auf Messers Schneide. Welch Ironie.


Doch ich schaffte es, auch wenn ich keine Ahnung habe, wie. Ich schaffte es, wieder auf die Beine zu kommen.
Mary war überfordert. Sie war viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um sich wirklich um mich zu sorgen. Ich glaube, sie war eher genervt, dass ich im Krankenhaus lag und sie nicht ausführen oder mit kleinen Geschenken überhäufen konnte, wie ich es bis dahin getan hatte.


Er war es, Sherlock, der an meinem Bett wachte. Tag und Nacht. Mycroft, sein Bruder, aber auch Lestrade, der ihm beinahe ein väterlicher Freund ist, haben versucht, ihn nach Hause zu schicken zum Ausschlafen und frischmachen. Aber er ließ sich nicht fortschicken. Also gaben beide auf und sorgten statt dessen dafür, das Sherlock zu Essen und frische Kleidung bekam und sich eben hier in der Klinik duschte.
Es muss für ihn schlimm gewesen sein.
Er war zurückgekommen. Er war gekommen, um mich wieder in die Arme zu schließen. Mich, mit dem er sich vor seinem „Tode" verlobt hatte. Und nun drohte das Schicksal, mich ihm zu nehmen. Ich glaube, er hat in den paar Tagen nicht weniger gelitten als ich in den zwei Jahren, als ich glaubte er sei tot.
Die Stille in so einem Krankenzimmer.
Die Kälte, die ihn packte und schüttelte, wenn er mein bleiches Gesicht sah.
Die unsäglichen Blumen, die man mir mitgebracht hatte und die nun in dem Zimmer standen.
Sie müssen für ihn angsteinflößend gewesen sein. So wie für mich die Totenblumen auf seinem Grabe.


Aber das Schicksal hatte ein Einsehen. Ich schaffte es. Ich wurde gesund.
Mary hatte sich inzwischen jemand anderen gesucht – ich war nicht traurig darüber. Eigentlich war ich sogar froh, denn so musste ich es nicht beenden.
Denn beendet musste es werden.
Jetzt wo er wieder da war.


Er hat sich langsam wieder an mich herangetastet. Er verstand, wie wütend und verletzt ich war. Und doch gleichzeitig endlos glücklich, ihn wieder zu haben.
Er ließ mir alle Zeit, die ich brauchte.
Er umwarb mich, und das mit einer liebevollen Aufmerksamkeit, die andere ihm, dem selbsternannten Soziopathen, niemals zugetraut hätten. Ich schon, denn ich kannte ihn besser als jeder andere.

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