Schmerz

215 11 4
                                    

Die Tour begann und Emma hatte immer mehr mit ihrem Rücken zu kämpfen. Auch zum ersten mal bestand Lukas darauf, dass während der Tour nicht im Bus geschlafen wird, außer am nächsten Tag müssten sie in einer anderen Stadt sein, sondern gönnten sie sich immer ein Hotel in jeder Stadt. Er tat wirklich alles, damit es Emma an nichts fehlte.
Neben denn obligatorischen Glückskuss, den sie sich vor jedem Auftritt gaben, verteilte Lukas nun auch immer zwei Küsse an sein Krümelchen und Marienkäferchen, wie er sie liebevoll nannte, auf Emma's Bauch. Mittlerweile hatte sich Emma so daran gewöhnt, dass sie befürchtete, nach der Geburt, es schmerzlich zu vermissen.
Lukas war schon immer sehr liebevoll, doch seitdem er weiß, dass er Papa wird, steigerte er sich noch mehr rein. Emma ahnte nicht, dass dies überhaupt noch möglich sei.
Auch Nana schien zu verstehen, dass irgendwas anders ist, als noch vor ein paar Monaten. Sie war nicht mehr so trottelig und plump wie noch im Sommer. Vorsichtig und sanft war auch ihre neue Devise. Ihr unkrolliertes Anspringen an Frauchen, hatte sie fast ganz abgelehnt. Es schien fast so, als hätte sie sich Lukas' Verhalten angeeignet und stupste Emma immer nur noch sanft, mit ihrer großen Schnauze und feuchten Nase, am Po oder am Bauch an. Nana bekam in letzter Zeit sehr viele Streicheleinheiten, damit sie sich nicht ausgegrenzt fühlt. Immerhin war sie ja das erste Kind in der Beziehung von Lukas und Emma und nun schon ganze 3 Jahre alt. Auch für sie wird sich mit der Geburt so einiges ändern.
Steven war wieder mit auf Tour. Er hatte einfach Spaß daran und liebte es, jeden Tag bei seinen besten Freunden zu sein.
Lukas bestritt seinen ersten Auftritt und Steven kümmerte sich fürsorglich um Emma hinter der Bühne, sodass es zu einem klärenden Gespräch kam.
"Willste noch nen Tee, Schokolade, Obst oder nen Rollmops?", fragte Steven. Emma hatte keine großen Gelüste nach ekeligen Sachen, wie Rollmops mir Nutella, das blieb bei ihr die ganze Schwangerschaft aus. "Nein danke!", erwiederte Emma. "Wenn du was brauchst, sagst du aber bescheid!", antwortete Steven und Emma wurde immer genervter.
Einige Minuten später fragte er wieder, ob er ihr was bringen könnte und nun wurde es Emma zu viel. "Steven, setz dich Mal bitte zu mir!", forderte ihn Emma auf. Er setzte sich auf einen Stuhl neben Emma und hörte ihr zu. "Pass auf Steven, ich bin schwanger und nicht krank. Solange ich mir Sachen noch selber holen kann, auf die ich Lust habe, möchte ich nicht so bemuttert werden.", sagte sie in einem ruhigen aber bestimmenden Ton. "Aber wir wollen doch alle nur, dass es dir an nichts fehlt!", antwortete er und musste mit dem nächsten Konter von Emma rechnen, der auch sofort kam: "Mir fehlt es an garnichts. Bis auf meinen Rücken geht es mir wunderbar. Ich kann laufen um mir essbare Dinge zu holen, noch kann ich mich bücken um Sachen aufzuheben und ich habe einen Mund, um ihn aufzumachen, wenn ich wirklich einmal Hilfe brauche. Es nervt einfach nur. Als hätte ich mir beide Beine gebrochen und könnte mir nichts mehr selber holen." Steven schaute Emma mit großen Augen an. Er überlegte einen Moment, was er ihr sagen könnte, doch entschied sich nur für ein: "Du hast Recht, tut mir leid!" Nach einem kurzen Moment schweigen fing er trotzdem wieder an: "Aber wenn du etwas brauchst, sag bescheid!" Emma stand wortlos auf und tat so, als würde sie hinter Steven vorbei gehen. Dann überfiel sie ihn mit einem gespielten Erwürgen und er verstand, dass er sie nicht mehr fragen sollte. Beide lachten und schauten sich das Konzert über den Monitor zu Ende an.
Lukas kam von der Bühne und fragte als erstes ob alles in Ordnung sei. Steven antwortete lachend: "Naja bis auf die Tatsache, dass deine Verlobte mich umbringen wollte, ja. Scheinen die Hormone zu sein!" Auch Emma lachte und Lukas verstand die Situation nicht, fragte aber auch nicht weiter nach, sondern fing gleich an zu schwärmen: "Das ist die geilste Tour seit langen. So viele Leute sind da und das nur wegen mir. Eigentlich ganz schön krank, dass die auch jeden Text können." Er war sichtlich aufgedreht und genoss es in so großen Hallen aufzutreten. Emma machte diese Aussage auch glücklich. Nichts mochte sie mehr, als ein glücklicher und zufriedener Partner.
Nach einem ausgiebigen, sehr späten, Abendessen und Revue passieren des Abends mit der Band, gingen Lukas und Emma in ihr Hotel.
Als beide im Bett lagen, fragte Lukas dann doch nach: "Wie wolltest du denn Steven umbringen? Und die entscheidender Frage ist ja: Wieso hast du es nicht gemacht?" Beide lachten und Emma erklärte ihm, dass es ihr zu viel wurde mir dem ganzen bemuttern. "Aber Schatz, du musst jetzt auf drei Personen aufpassen!" Nun erntete er auch einen giftigen Blick von Emma. "Hase, wäre ich jetzt noch Verkäuferin, würde ich jetzt immer noch Paletten abpacken und abkassieren. Wenn es mir schlecht geht, ziehe ich mich schon zurück." Lukas gab ihr einen Kuss auf die Stirn, während er mit seiner Hand über ihren Bauch streichelte. "Ich weiß, ich weiß, aber das ist alles so neu, ich will doch nur, dass es die an nichts fehlt!" Beide verstanden die Probleme des anderen und so beschlossen sie, dass sich Lukas ab nun etwas zurückhält und Emma ein wenig vorsichtiger wird.
Tatsächlich konnten sie den Beschluss auch über die nächsten Tourtage konsequent durchziehen.
Mehr als die Hälfte der Tour war geschafft und sie machten Stop in Bremen, die Fast Heimat von Lukas.
Er begann seinen Auftritt und das Drama hinter der Bühne begann.
Emma saß, wie gewohnt, auf ihrem Stuhl vor dem Monitor und sang lauthals zum hundertsten mal jeden Song mit. Auf einmal erstummte sie und Steven wusste sofort, dass etwas nicht stimmen kann. Denn bei "Wo kann man das kaufen", ließ sie es sich nie entgehen laut mit zu singen. Sie fasste sich an den Bauch und wurde kreidebleich. "Was ist los?", fragte Steven aufgeregt. Emma bekam keinen Ton heraus. "Hast du Schmerzen?", fragte er und Emma nickte, während sie versuchte nicht vor Schmerzen zu schreien. "Ich rufe einen Krankenwagen!", sagte er und setzte es sofort in die Tat um. Da bei Auftritten in so großen Hallen immer Krankenwagen und Sanitäter vor Ort waren, wurde sich auch schnell um Emma gekümmert und sie wurde in das nächste Krankenhaus gebracht. "Sag Lukas nichts, erst nach dem Auftritt!", schrie sie Steven zu, während sie mit der Trage zum Krankenwagen gebracht wurde. Steven hätte das sowieso nicht gemacht, weil er wusste, dass Lukas dann alles stehen und liegen gelassen hätte.
Nach dem Auftritt zog Steven Lukas direkt von den Backstage Bereich in ein Taxi, welches er schon organisiert hatte. "Was ist passiert?", schrie Lukas Steven an, der ihm nun aufgeregt alles berichtete. "Und bevor du weiter schreist, ich habe Emma versprochen, dass ich dir das alles erst nach dem Auftritt sage!", berichtete ihm Steven. Der Rest der Fahrt zum Krankenhaus verbrachten beide schweigend und Lukas knabberte ängstlich an seinen Fingernägeln. Dort angekommen wurden sie auch gleich von einer Schwester zu Emma geführt. Emma lag mit dem Rücken zur Tür gewand in ihrem Krankenhausbett und Lukas eilte sofort zu ihr, Steven hingegen blieb in der Tür stehen.
Lukas kniete sich auf den Boden und sah, dass Emma tränenüberströmt ins Leere schaute. "Schatz was ist passiert?", fragte er vorsichtig. Sie stotterte: "Wir haben Krümelchen verloren!" Lukas wollte es nicht wahr haben. Steven kam ans Bett und streichelte Emma sanft über den Rücken und drückte sein Beileid aus. Dann verschwand er schweigend aus dem Krankenhaus, um die beiden ersteinmal alleine zu lassen. Nach einigen Minuten realisierte auch Lukas die Situation und begann auch Rotz und Wasser zu heulen. Irgendwann fand er die Kraft und meinte: "Wir dürfen jetzt nicht schwach sein, wir müssen jetzt für unser Marienkäferchen da sein!"
Emma nickte und beide lagen sich trauernd in den Armen.
Die nächsten Konzerte sagte Lukas ab, sodass sie Zeit hatten, zu Hause mit der neuen Situation klar zu kommen und in Ruhe zu trauern...

Bitte einfach nicht wecken (Alligatoah FF) #Wattys2019Where stories live. Discover now