Musik ist eine Differenz

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Einige Wochen gingen ins Land und man hatte den Anschein, dass das neue Trailerpark Album die Kreativität von Emma und Lukas gemindert hatte. Sie kamen beide auf keinen Nenner über was sie schreiben sollten.
"Spenden sie jetzt!, dröhnte es aus dem TV und Lukas regte sich fürchterlich auf: "Diese blöden Promis, die kein Schwein mehr sehen will, die betteln doch auch nur um Spenden um Mal wieder auf der Mattscheibe zu flimmern!" Emma schaute erschrocken zu Lukas: "Was ist denn mit dir nicht in Ordnung? Seit wann regst du dich denn so auf?" "Ist doch wahr! Manche Leute die da Aufrufe starten kennt man nicht mal mehr!", fluchte Lukas vor sich hin. Wahrscheinlich war er gefrustet, dass das neue Album nicht so von der Hand lief als das erste. "Schreib doch nen Lied über die Idioten!", scherzte Emma um die Situation etwas zu entspannen. Lukas starrte an die Wand und Emma konnte es nicht glauben: "Ist das dein ernst, dass du jetzt wirklich darüber nach denkst?" Es kam keine Antwort, was so viel wie Ja hieß. Sie ließ ihn auf den Sofa sitzen und ging ins Bett, da sie erkältet war und es immer mehr bergab ging. Er registrierte wahrscheinlich nicht einmal, dass Emma nicht mehr neben ihm saß. Wenn er sich einmal im Kopf etwas zusammen reimte, war er absolut abwesend. Emma machte sich darüber keine Gedanken, denn so hatte sie ihn kennengelernt.
"Minze, wach auf!", nahm Emma mitten in der Nacht wahr und blickte leicht abwesend auf den Wecker, der ihr verriet, dass es drei Uhr morgens ist. Verknirscht und durchgeschwitzt vom Fieber drehte sie sich zu Lukas und fragte was los sei. Jetzt sah er, dass es Emma dreckig ging: "Mein Gott, Minze, du glühst ja!" und kochte ihr schnell ein Tee, während sie versuchte wach zu bleiben.
Er kam zurück ins Schlafzimmer mit heißem Pfefferminztee und vielen Taschentücher Packungen. "Tut mir leid, dass ich dich geweckt habe! Trink nen Schluck und Schlaf wieder!", sagte er mitfühlend. "Ist schon okay. Was ist denn los?", fragte Emma, während sie am Tee nippte. "Ich wollte dir eigentlich mal das Lied zeigen, was ich gerade zusammen gereimt habe." Sagte er und Emma antwortete auch direkt: "Mach doch! Bin jetzt eh wach!"
Lukas schnappte sich seine Gitarre und fing an "Denk an die Kinder" zu singen. Emma vergaß kurz ihre Gliederschmerzen und konzentrierte sich voll und ganz auf das Lied. Er spielte die letzten Akkorde auf der Gitarre und Emma war begeistert: "Das ist wirklich toll! Vielleicht solltest du nächstes Mal keine normale Tour machen, sondern eine Akkustik Tour, das klingt so schön!" Lukas starrte wieder an die Wand und überlegte. Emma wusste, dass das jetzt dauern könnte und verdrehte die Augen, während sie einen weitern Schluck Tee zu sich nahm. Doch Lukas entschied sich überraschender Weise schnell: "Auf jeden Fall, das ist geil! In kleinen Theatern ohne Bass, einfach nur Musik und Text. Du bist genial!", sagte er und wollte Emma einen Kuss auf die Stirn drücken, doch Emma stieß ihn weg: "Ich glaube wir unterlassen das Küssen Mal, du sollst nicht krank werden!" Einsichtig nickte er und deckte Emma richtig zu, bevor er in seinem kleinen Studio verschwand in das Lied direkt aufzunehmen.
Am nächsten Morgen ging es Emma schon ein wenig besser und sie wollte Lukas bei der Songfindung helfen und suchte ihr altes Buch raus, welches sich noch in irgendeinem Umzugskarton befand. Denn mittlerweile waren beide ganz offiziell zusammen gezogen und Emma hatte ihre Wohnung gekündigt, weil sie einfach ein gutes Gefühl bei der Sache hatte.
Sie fand es zwischen Bettwäsche und Handtüchern. "Guck Mal, vielleicht findest du hier eine Anregung für einen Song!", Sagte sie, während sie Lukas entgegen kam. "Was ist das?", fragte er und blätterte im Buch herum. "Das Buch ist der Grund, wieso ich jetzt einen unglaublichen Freund habe.", sagte Emma verliebt grinsend und klärte ihn dann doch noch auf: "Nico hat damals heimlich in dem Buch rum gelesen und deswegen hat er mir dich quasi zugewiesen!" Lukas küsste das Buch: "Danke liebes Buch für deine tolle Beschrifterin!" Emma lachte und kuschelte sich auf dem Sofa in eine flauschige Decke ein.
Eine ganze Weile verging und Emma bemerkte, wie ihm anscheinend ein Reim besonders gefiel, denn auf dieser einen Seite hing Lukas schon lange mit seinem Blick. Irgendwann durchbrach Lukas' tiefe Stimme die Ruhe im Wohnzimmer: "Also der Absatz hier ist ja echt ne Wucht, aber irgendwas müssen wir daran noch ändern oder halt neu aufziehen." Emma schaute ihm über die Schulter und ihr wurde klar, dass er den Teil meint, über den sie nach einer Dokumentation im Fernsehen geschrieben hatte. Es ging um Umweltverschmutzung. Einige Tage saßen sie zusammen um den gewissen Text für das Lied "Lass liegen", zu finden. Und dann war es perfekt. Mit der Band nahm Lukas das Lied auf und es musste definitiv mit auf das neue Album. Der Titel für das Album stand schon fest. Musik ist keine Lösung sollte es heißen, dafür hatte Lukas auch ein Lied aus seiner Jugend neu aufgenommen und aktueller gemacht. Emma zog sich wieder aus dem Lieder schreiben zurück und widmete sich wieder ihren Manager Aufgaben.
"Sag Mal, möchtest du denn jetzt eigentlich eine Akkustik Tour machen? Die Leute wollen dich sehen!", fragte Emma, als Lukas wieder über Texten hing, die er sich mühevoll aus den Fingern zog. "Ich weiß nicht, ohne Album ist das doch irgendwie doof, oder?", sagte er nachdenklich. Emma beruhigte ihn, indem sie ihm sagte: "Ich glaube nicht, dass ein Album so entscheidend ist. Das wird ja ganz anders laufen, als eine normale Tour. Doch wenn ich kleine Theater buchen muss, dann muss ich langsam Mal anfangen, damit wir in einem dreiviertel Jahr Hallen bekommen. Vielleicht ist ja bis dahin das Album raus und selbst wenn du nur einige neue Songs hast, dann kann man die Leute damit schon anjucken, sich später das Album zu kaufen." Lukas stimmte zu und Emma begann mit der Suche nach kleinen Theatern mit familiärien Flair. Es war garnicht so leicht, wie sie sich das dachte. Nur mit viel betteln und organisatorischen Talent schaffte sie es in den nächsten Wochen einen perfekt ausgeklügelten Tourplan zur erstellen.
Lukas, der in der Zeit, wo Emma organisierte, viel mit der Band im Studio verbrachte und neue Songs aufnahm, schaute über den Tourplan und war begeistert von den Locations und der kleinen Größe. "Ja, so können wir das lassen!", sagte er der sichtlich erleichterten Emma. Jetzt war er wieder voller Elan und konzentrierte sich lieber darum, wie er Akkustisch alle Lieder so rüberbringen kann, wie er sich das vorstellte. Dies führte in der Folge zu ihrem ersten Streit. "Willst du nicht erstmal dein Album fertig machen?", fragte Emma, die ziemlich genervt davon war, dass Lukas selten eine Aufgabe zu Ende brachte, wenn er eine neue viel reizvollere entdeckte. "Du hast doch selber gesagt, das Album kann man auch im Nachhinein noch rausbringen.", Konterte er und klimperte wieder auf seiner Gitarre rum. Emma zog ihm die Gitarre aus der Hand und setzte sich neben ihn. "Auf dem Album fehlen höchstens noch 2-3 Lieder, die Band ist voll im Flow und Battle Boi auch, du hast doch noch Lieder, aus deiner Jugend, die kann man doch aufhübschen und mit drauf machen. Die Tour ist in einem dreiviertel Jahr, dafür hast du noch genug Zeit, um dich vorzubereiten!", versuchte ihm Emma ins Gewissen zu reden.
"Du hast doch keine Ahnung von dem, was ich hier tue! Setz dich an deinen Laptop und organisiere irgendwelche Termine!", Entgegnete ihr Lukas mit grobem Ton. So kannte ihn Emma nicht. Geschockt und sauer zur selben Zeit schossen ihr Tränen in die Augen. Sie sprang auf und sagte nur: "Das ist nicht fair, Lukas!" Sie verließ den Raum und scheinbar interessierte es Lukas garnicht, denn Emma hörte, wie er wieder zur Gitarre griff und weiterhin seine Lieder in Akkustik Versionen spielte. Wutentbrannt schnappte sie sich einige Sachen und verließ die Wohnung. Zu ihrem Glück war Steven mittlerweile auch in Berlin heimisch, sodass sie bei ihm Zuflucht suchte. Sie stand vor seiner Tür und klingelte. Die Tür öffnete sich und Steven sah die Tränen überströmte Emma, die vor ihm stand und fragte ob sie rein kommen darf. Steven ließ sie in seine Wohnung in der noch alles voll Umzugskartons stand. "Was denn los, Süße?", fragte er, als er sie kurz umarmte. Emma schilderte ihm den Streit, den sie gerade mit Lukas hatte und verstand die Welt nicht mehr. "Warum ist er so? Was habe ich ihn getan?", fragte sie, als ihr Steven einen Kaffee auf den Tisch stellte.
Steven war wie immer neutral und wollte seinen besten Freund nicht schlecht reden, aber Emma war inzwischen auch seine beste weibliche Freundin, sodass er ihr irgendwie helfen musste.
Er traf die richtigen Worte: "Also, ich glaube ihr seht gegenseitig nicht wie viel ihr leistet. Lukas denkt wahrscheinlich es ist eine Kleinigkeit Termine zu planen oder eine Tour mit allen Sachen auszustatten. Du wiederum denkst wahrscheinlich auch, einen Song im Studio aufnehmen ist nur ein Knöpfchen drücken und singen. Aber beide Seiten stimmen einfach nicht!"
"Das ist trotzdem kein Grund mich so von der Seite anzufahren. Ich kenne ihn so garnicht.", sagte Emma enttäuscht. Doch auch hierfür hatte Steven wieder eine logische Erklärung: "Ich glaube der Junge hat einfach irgendwie Druck. Er will abliefern und weil es jetzt nicht so läuft, wie beim ersten Album, wird er angefressen sein."
Emma dachte nach und verstand die Welt trotzdem nicht. "Kann ich heute bei dir schlafen? So kriegen wir beide erstmal Abstand...", fragte Emma einen sichtlich überfragten Steven.
"Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist... Du bist 24 und Lukas 25, also seit ihr alt genug um euch zusammen zu setzen und darüber zu reden. Auch wenn du momentan denkst, er liebt dich nicht mehr so, wie vor drei Monaten, dann hast du nicht Recht! Erst vorgestern haben wir telefoniert und er meinte noch, dass du die Mutter seiner Kinder sein sollst.", konterte Steven, der nicht wollte, dass Emma bei ihn schlief, weil er Lukas nicht in den Rücken fallen wollte.
Emma grinste überwältigt, denn über Kinder hatte Lukas noch nie etwas gesagt, geschweige denn wusste Emma nicht, dass Lukas Kinder haben will. Sie bedankte sich bei Steven für die aufbauenden Worte und ging nach Hause. Zwar bot Steven ihr an, dass er sie fährt, doch das lehnte Emma ab. Es waren nur drei Straßenbahnstationen zu ihrer Wohnung, sodass sie lieber einen Spaziergang machte und noch einmal überlegen konnte, wie sie jetzt auf Lukas zugehen könnte.
Sie kam in ihrer Straße an und sah, wie in ihrem Wohnzimmer Licht brannte. Das hieß, dass Lukas nicht mehr auf der Gitarre rum klimpert und so jetzt die perfekte Möglichkeit für eine Aussprache wäre.
Emma legte sich schon ein paar Wörter im Kopf zurecht, als sie die Wohnungstür aufschloss. Doch diese Worte waren garnicht nötig. Lukas Blick richtete sich auf Emma und ohne auch nur ein Wort zu sagen, ging er zu ihr und nahm sie fest in den Arm. Emma drückte ihn auch fest und beiden war in diesem Moment klar, dass ich der jeweils andere entschuldigen will, doch ausgesprochen wurde das nicht. Sie schauten sich an und besiegelten die wortlose Entschuldigung mit einem Kuss. Nach langer Zeit gingen sie mal wieder zusammen ins Bett und schliefen kuschelnd ein. Dieser Moment war selten geworden, da beide wieder viel zu arbeiten hatten und Lukas nachts am produktivsten war.

Bitte einfach nicht wecken (Alligatoah FF) #Wattys2019Where stories live. Discover now