Kapitel 1 _ Kings Princess

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The Voice of Germany. Der Name war Programm. In Castings, gegenüber Vocal Coaches und später sogar gegenüber bekannten Künstlern zeigten die Stimmen Deutschlands ihr Können. Das Ziel war die beste und vielversprechendste Stimme Deutschlands zu finden. The Voice of Germany.

Die ersten Castings waren die Hölle. Nicht wegen den Coaches oder dem Raum in dem es durchgeführt wurde. Nein. Es waren einfach viel zu viele Menschen! Die Wartezimmer waren voll, vor den Toiletten gab es Schlangen, alles war laut... Viel zu viel Gedränge! Nach der ersten Auswahlrunde wurde es entspannter. Es waren zwar immernoch verdammt Viele, aber ein sehr großer Teil der Bewerber hatte es eben nicht geschafft. Runde um Runde wurden es weniger. Bis dann die Blind Auditions anstanden.

Ich hatte es bis zu den Blinds geschafft. Ohne arschig klingen zu wollen: Ich hatte es LOCKER geschafft. Irgendetwas an meiner Stimme empfanden die Vocalcoaches als 'einzigartig' und ließen mich ohne großes Gemecker von Runde zu Runde ziehen. Kämpfen musste ich natürlich trotzdem. Eine 'besondere' Stimme war noch lange keine Freikarte. Wenn der Text nicht saß, oder man falsch atmete war man schließlich auch nicht besser als der Durchschnitt.

Die Blind Auditions bildeten jedenfalls die Stufe in der man seinen Song sang und die prominente Jury sich, nur anhand der Stimme, für oder gegen den Kandidaten entschied. Es saßen vier beziehungsweise fünf Personen in der Jury: Mark Forster, Yvonne Catterfeld, Michi Beck mit Smudo und Michael Patrick Kelly. Das Team in das ich wollte stand schon seit meiner Bewerbung fest und ein Plan B existierte nur vage: Michi und Smudo. Da wollte ich wirklich hin! Doch zuerst hatte ich diesen Auftritt zu meistern. Sie mussten sich einfach für mich umdrehen!

Am Tag der Blinds lief alles schief. Mein Wecker klingelte lautlos und das geplante ruhige Frühstück... Zugegeben 15 Uhr war keine Frühstückszeit mehr... fiel damit komplett ins Wasser. Beim Duschen vergaß ich tatsächlich mir ein Handtuch mit zu nehmen! Und dann, als ich schon fast die Hotelzimmertür hinter mir zugezogen hatte, bemerkte ich, dass ich keine Schuhe trug.

Irgendwie schaffte ich es pünktlich zum Studio. Etwas abgehetzt hörte ich mir meinen Song nochmal an und überprüfte meine Textsicherheit. Im Verlaufe der einzelnen Darbietungen wurde mir erklärt wie ich mich zu verhalten hatte. Keine Fotos, keine Autogramme, keine ungefragten Berührungen... Bla bla bla. Für mich klangen diese Regeln komplett logisch. Traurig, dass man sowas nochmal deutlich sagen musste. Nach fast zwei Stunden Wartezeit brachte man mich zu einer beinahe schalldichten Tür. Ich war die Letzte des Abends. Das hieß für mich die Coaches würden weniger konzentriert oder kritischer mit mir sein. Nach so langer Zeit wäre ich an ihrer Stelle auch alles andere als gewillt um noch jemanden für mein Team zu überzeugen. Aber das war die Show. "Sind Sie in Begleitung?" fragte ein junger Mann mitten in meine Gedanken. Ich schüttelte den Kopf. Zu mehr war ich nicht fähig.

Ich bekam ein Mikrofon in die Hand und wartete vor besagter Tür. Ein Mitarbeiter gab mir schließlich das Signal, dass ich auf die Bühne gehen sollte. Nervös checkte ich mein Outfit und ging durch die Tür hinaus auf die Bühne. Auf der Bühne angekommen atmete ich einmal tief durch. Ich sah all diese Menschen und wäre am liebsten weg gerannt, aber dafür war ich nicht her gekommen. Sobald die Musik startete war die Nervosität wesentlich erträglicher und es bildete sich sogar ein Lächeln auf meinen Lippen. Nach knapp 8 Sekunden setzte ich mit dem Gesang ein. "I'm feeling sexy and free. Like glitters raining on me..." Als würde niemand zusehen sang ich Domino von Jessie J und tanzte auch ein wenig dazu. Zuerst drehte sich der Doppelstuhl, danach folgten Mark, Paddy und Yvonne bildete das Schlusslicht. Doch ich ließ mich kein bisschen davon beeinflussen. Mit Freude und voller Überzeugung performte ich meinen Song. Niemals hätte ich vorher erwartet, dass sich gleich alle vier Stühle umdrehen würden!

Zum Ende meiner Performance stand Mark auf seinem Stuhl, während die anderen Coaches im Stehen oder im Sitzen mit Wippten. Sobald die letzten Töne verklungen waren applaudierte das Publikum lautstark. Und selbst die Coaches applaudierten! Wie geil ist das denn? Ich war überwältigt. "Was für eine wahnsinns Stimme!" sagte Mark. Ich wollte mich bedanken, aber verständlicherweise glaubte ich noch nicht so richtig was da gerade geschehen war. "Kneif mich mal einer." sagte ich ins Mikro und erntete prompt Gelächter und Jubelschreie. Erst als sich der Saal wieder beruhigt hatte, wurden mir Fragen gestellt. "Wie heißt du und woher kommst du?" legte Yvonne direkt los. "Ich bin Anny Micah Sander und komme aus Halle." "Bist du schon oft auf Bühnen aufgetreten?" Ich lächelte Michael Patrick Kelly an. "Nein, aber es hat mega Spaß gemacht." Erneutes Applaudieren folgte. "Das hat man gemerkt." sagte Smudo zufrieden. "Warst du nervös?" Ich lachte auf. "Nervös ist gar kein Ausdruck, ich hab heute beinahe meine Schuhe im Hotel vergessen." Der erheiterten Reaktion nach zu urteilen war das die richtige Antwort. "Der Text saß, du hattest Spaß auf der Bühne, jetzt musst du nur noch in mein Team und der Auftritt ist perfekt." sagte Mark. Für diesen Kommentar erntete er abgesehen von Gelächter und Jubelschreien auch ein paar böse Blicke seiner Kollegen.

Yvonne ließ ihn damit nicht so leicht davon kommen. "Spaß beiseite." begann sie ihre Auswertung. Dieser kleine Satz brachte Mark dazu Yvonne an zu sehen. Er versuchte zwar den Ärger mit seinem typischen Grinsen zu überdecken, aber er sah schon ziemlich genervt aus. Yvonne störte sich nicht daran. "Man hat am Anfang gehört wie du tief durchgeatmet hast." Ich nickte und hörte aufmerksam zu. "Und ich hatte ein wenig Sorge, dass du zu nervös bist und hier einen Patzer nach dem anderen machst. Aber" sie betonte das Wort extra, "Sobald die Musik lief warst du nicht mehr zu bremsen." Das Publikum applaudierte und ich grinste wie eine Blöde. "Wir haben uns ja zuerst umgedreht." erinnerte Michi. "Weil wir gemerkt haben wie viel Spaß du bei diesem Song hattest." "Und je länger wir dir zugehört haben, desto mehr hat uns diese Fröhlichkeit angesteckt. Geiler Auftritt." beendete Smudo die Auswertung seines Teamkollegen. "Du hast eine wunderschöne und besondere Stimme, dein Auftritt war absolut amazing." Kellys Auswertung war ziemlich kurz, aber da steckten so viele Komplimente drin, dass ich vermutlich für den Rest des Monats Grinsen musste. "Zeit für eine Entscheidung." seufzte ich. "Natürlich kommst du zu mir." kommentierte Mark.

Plötzlich begann Smudo zu grinsen. "Sieht aus als hätte sie sich längst für uns entschieden." Verwirrt sahen die anderen Coaches zu mir. Auch ich war verwirrt. Michi kapierte es zuerst und musste lachen. Er erhob sich und kam zu mir herüber. Mit einem Grinsen deutete er auf unsere Pullover. Meine Augen wurden groß. Dann lachte auch ich. Denn Michis schlichter schwarzer Pullover hatte als einzigen Aufdruck das Wort "Kings" und passend dazu stand auf meinem weißen Pulli in schwarzer Schrift: "Kings Princess". Damit auch die anderen Coaches Anteil an Smudos Witz hatten, stellte sich Michi Beck neben mich und präsentierte stolz unsere Pullis. "Das ist kein Beweis!" versuchte Mark die Situation nach ein paar Sekunden zu retten. "Das ist die Fanta- Mentalität. Einen besseren Beweis für unsere Zusammengehörigkeit gibt es nicht." "Anny" begann Michael Patrick Kelly, "Die crazy boys wirken vielleicht ganz lustig, aber das sind Rapper. Ich kann dir bei dieser Stimme besser zeigen wie du sie am Besten in Szene setzt." Michi legte besitzergreifend einen Arm um mich und sah mich an. Es störte mich auch gar nicht, dass ich ihn eigentlich nicht kannte. Und Michi schien meine Nähe auch nicht unangenehm zu sein. "Was können wir machen, damit du zu uns kommst?" Ich sah ihm die Nervosität und den Ehrgeiz an. Da half auch das professionelle Grinsen nicht. Er wollte das hier wirklich gewinnen. Dass es bei dieser Sache tatsächlich um mich ging bezweifelte ich zwar, aber es war mir ehrlich gesagt auch scheiß egal. Irgendwie wollte ich ihn ehrlich happy sehen. Sehen wie er lacht und mit Smudo Witze reißt. Eben genau so wie ich ihn mir immer vorgestellt hatte, so wie er in Interviews und bei Auftritten wirkte. Da ich ursprünglich sowieso zu den Fantas wollte, war es auch möglich diese Fröhlichkeit bei ihm zu erreichen.

Aber war das das richtige Team für mich? Zwei Rapper? Paddy hatte recht damit, dass er vermutlich besser als Coach geeignet wäre. Dazu hatte er eine atemberaubende Stimme und das ohne, dass sie jemand mit Technik manipulieren musste. Von ihm könnte ich tatsächlich noch einiges Lernen. "Für wen entscheidest du dich? Wählst du Chaos", Mark deutete auf die Fantas, "oder-" "Das ist schwer." unterbrach ich ihn. "Ich war mir so sicher... Und jetzt..." Ich atmete einmal tief durch. Kelly war ein wahnsinns Sänger, mit Liedern die ins Herz gingen. Die Fantas hingegen waren richtig gute Rapper mit Songs die tiefgreifend und entweder absolut ehrlich oder komplett ironisch waren. So konnte ich nicht entscheiden! "Was sagt dein Bauchgefühl?" fragte Yvonne sanft. Mein Bauch? Abgesehen von Hunger war ihm tatsächlich eine Richtung lieber. Michi und Smudo. Die kurze Zeit in der sie mich in einen kleinen Witz mit einbezogen hatten, verglichen mit Paddys Professionalität war irgendwie verlockender. Nur ein bisschen. Aber es fühlte sich trotz allem besser an. Richtiger. "Okay." sagte ich. "Ich gehe mit..." Die Antwort zog ich mit Absicht in die Länge. "Michi und Smudo." Die Rapper freuten sich ein Ast ab und gaben sich einen ordentlichen High Five. Micheal Patrick Kelly hingegen ließ den Kopf auf den Buzzer fallen. Mark und Yvonne sahen aus als hätten sie schon geahnt, dass ich ihre Teams nicht wählen würde. Unter großem Jubel hob ich meine Hand zum Gruß und verließ die Bühne.

(K)ein StarWhere stories live. Discover now