25. Kapitel

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Juhee

Das helle Haus mit den grauen Fensterläden wirkte leer. Ich hatte vergessen, einen Schlüssel mitzunehmen, als ich gestern weggelaufen war. Mein Magen krampfte sich wieder zusammen, als ich an die Tür klopfte.

Stille.

Das hätte mein erster Tag sein können, da hatte ich auch genauso mit Hals klopfenden Herzen auf dieser Schwelle gestanden. Und dann, wie an jenem ersten Tag, regte sich etwas am Fenster.

Eine Gardine flatterte zur Seite und Jaes blasses Gesicht erschien. Er sah zu mir, mit angehaltenem Atem fragte ich mich, was er wohl denken mochte. Die Gardine ging wieder zu und die Haustür öffnete sich knarrend. Und da stand Danbi mit den dunkelbraunen zusammengebundenen Haaren und den schwarz scheinenden Augen, in ihrem gepunkteten Hemd und den engen schwarzen Hosen. Ihre Augen wurden groß. 

»Juhee«, sagte sie leise. Sie machte einen Schritt auf mich zu, vielleicht wollte sie mich umarmen oder mich auf die Wange küssen oder sich einfach nur verbeugen, aber dann schien sie es sich anders überlegt zu haben. Ich blickte sie an. Hier ist sie, die Person, die meine Familie mittendurch gerissen hat. Ich sollte sie hassen. Ich sollte sie anschreien oder schubsen. Ihr sagen, dass ich kein Wort, keinen Blick von ihr will. Aber zwischen und ist es eine Förmlichkeit, die meine Wut wie auflöste. Danbi ist eine Fremde. Ob Mum sich Danbi gegenüber wohl auch so verhalten würde, wenn die beiden sich je treffen sollten?

»Du hast deinen Vater nicht gesehen?«, fragte Danbi mich jetzt.

Ich runzelte die Stirn. »Was? Wo?« Verwirrt schaute ich über meine Schulter.

»Er ist vor einer Minute gegangen«, sagte Danbi.

Sie kam vor die Tür und spähte die Straße hinunter. »Du hast ihn verpasst?«

Das schien sie tief zu verstören.

»Wo ist er hin?«, wollte ich wissen.

Danbi rang mit den Händen. »Er wollte dich abholen. Von der Villa. Einer der Jungs hat deinen Vater gestern angerufen und gesagt, dass du da übernachtest«

»Oh«, murmelte ich. Ich fühlte mich ein bisschen verraten und stellte mir vor, wie einer der Jungs in seinem Zimmer heimlich am Telefon Dad über meinen Aufenthaltsort informiert hat. Sicherlich dachte er, wer auch immer, er tue das Richtige. Mein Vater sollte schließlich informiert sein, wo ich mich befand.

Ich verdrehte die Augen.

»Dein Vater war ganz außer sich«, sagte Danbi, als wäre sie meinem Gedankengang gefolgt.

Als ob Dad ein schlechtes Gewissen haben müsste! »Ich habe ihm gesagt, er soll wenigstens bis zum Morgen warten, ehe er dich abholt. Er hat die ganze Nacht nicht geschlafen«

Sie rieb sich die Schläfen.

»Keiner hier im Haus hat geschlafen«

Ich schaute wieder hoch, dort wo ich Jaes Gesicht ausfündig machen konnte. Die Gardine bewegte sich nicht.

»Bitte, komm rein«, drang Danbi und ging wieder zurück ins Haus.

Hallo? Dies hier ist Eigentum meines Vaters und da kann ja wohl auch ich entscheiden, wann ich hier rein und raus gehe. »Ich rufe deinen Vater auf dem Handy an und sag ihm, dass du hier bist«

Zögernd betrat ich den Flur. Was Danbi wohl gedacht hatte, als sie mich zum ersten Mal sah, von diesem anderen Kind – dieser anderen Tochter, die keine Ahnung von dem Geheimnis hatte, die wie ein Gespenst durch dieses Haus zog. Hatte ich ihr leidgetan? War sie neugierig auf mich gewesen? Hatte sie befürchtet, aus Versehen das Falsche zu sagen? Kein Wunder, dass sie mir nie mit Zurückhaltung begegnet war.

BETWEEN US | 𝐏𝐉𝐌 ✓Where stories live. Discover now