16. Kapitel

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Juhee

»Tret auf das Gaspedal, Taehyung!«, rief ich ihm von dem Beifahrersitz aus zu und zwirbelte nervös die Armbänder an meinem Handgelenk. Ich konnte es immer noch nicht glauben. Madison war hier! Sie war wirklich hier!

»Ich fahr doch schon so schnell ich kann!«, antwortete er und umklammerte das Lenkrad fester. 

»Aber hier sind nun einmal nur fünfzig und außerdem liegen wir in der Zeit.« Er warf mir einen schnellen Blick zu, ehe er sich wieder auf den Verkehr konzentrierte.

»Ich dachte, der Flieger kommt erst um vierzehn Uhr.«

»Ja, aber du kennst doch den Verkehr in Seoul. Man muss immer mit Stau rechnen.«

»Wir kommen rechtzeitig«, versprach er und lächelte mich von der Seite an. Ich grinste zurück und freute mich riesig über den Überraschungsbesuch. Maddie ahnte natürlich nichts davon, dass ich Taehyung mitbrachte. Um ehrlich zu sein, kam mir die Idee auch sehr spontan.

Als ich meinem Dad von der freudigen Neuigkeit erzählen wollte, sagte er mir nur, dass er jetzt zur Arbeit müsste.
»Aber vielleicht kann dich einer der Jungs fahren?«, schlug er vor und griff nach seinem Autoschlüssel. »Komm, ich setzte dich bei ihnen ab.«
Also klopfte ich zwanzig Minuten später an die Haustür der Jungs. Mein Herz raste. Bitte lass Jungkook oder Jimin nicht da sein. Ich würde es heute nicht ertragen können.
Doch als Jin mir die Tür öffnete und erklärte, dass nur er und Tae da waren, da die anderen etwas zu erledigen hatten, war ich schon etwas entspannter. Ob sie etwas ahnten? Wussten sie von meinen Gefühlen für Jimin? Wussten sie, wie es mit Taehyung lief?
Ich betrat den Flur der Jungs und folgte Seokjin in die Küche. Eigentlich wollte ich ihn fragen, aber als ich Taehyung in der Küche sitzen sah, kam mir eine geniale Idee.
»Ich brauche einen Fahrer und zwar schnell!«, sagte ich und wirbelte mit meinen Händen grinsend in der Luft herum. »Meine beste Freundin ist auf dem Weg nach Seoul und ich will sie vom Flughafen abholen.« Mein Blick richtete sich auf Taehyung, der kauend seine Nudeln aß. Ohne es zu wissen, hatte er das große Los meiner Lotterie gewonnen. Madison würde ausflippen.
»Tae?«, fragte ich zuckersüß und klimperte mit den Augen. Sofort hielt er in seiner Kaubewegung inne und sah mich misstrauisch an.
»Würdest du mich bitte zum Flughafen fahren?«
Taehyung sah langsam von mir, zu seinem Essen und wieder zurück. »Jetzt?«, fragte er überrascht und hob die Augenbrauen, als wüsste er nicht so ganz, was er tun sollte.
»Du darfst erst noch aufessen.«

»Ich freue mich so, sie wieder zu sehen!«, jubelte ich aufgeregt und rutschte in meinem Sitz hin und her. »Du wirst sie mögen, sie ist so großartig!«

Taehyung nickte nur grinsend und wechselte die Spur. »Reichen ihr die Bilder im Internet nicht?« 

Ich sah ihn perplex an.

»Wie lange kennt ihr euch schon?«, fragte er dann und stellte das Radio etwas leiser, damit er mich besser verstehen konnte.

»Seit ungefähr sieben Jahren. Maddie ist damals mit ihren Eltern von Ottawa nach Kansas gezogen. Wir haben uns von Anfang an verstanden. Es hatte einfach gepasst. Und seitdem wurde sie mich auch nicht mehr los.«

»Ich bin mir sicher, dass sie es auch nicht will.«

»Nein, dafür hat sie mich zu lieb. Ob sie will oder nicht, sie muss mich für den Rest ihres Lebens ertragen.«

Tae lachte und bog auf die Straße zum Flughafen ein.

Kaum erreichten wir den Parkplatz, sprang ich bereits aus dem Auto, noch bevor Tae den Motor abstellen konnte. Ich lief auf die große Empfangshalle zu und gesellte mich zu den hundert anderen wartenden Menschen, so wie mein Dad damals. Ungeduldig schaute ich auf die Uhr. Noch fünf Minuten.

»Oh mein Gott, da ist Kim Taehyung von BTS!«, kreischte ein Mädchen hinter mir und ich wirbelte herum. Obwohl er sich die Cap tief ins Gesicht gezogen hatte und eine Sonnenbrille trug, wurde er trotzdem erkannt, sobald er die Halle betrat. Eine Mädchenmeute hatte sich um ihn gebildete und plapperten aufgeregt durcheinander.

Oh, der Arme. Es war irgendwie beängstigend mit abzusehen, wie die Mädchen völlig ausflippten und ihre Handykameras in die Höhe hielten, um das beste Foto zu ergattern. War ich auch so schlimm gewesen? Oh, nein war ich nicht. Ich war diejenige, die vor Jimin auf dem Fußboden lag, als ich die anderen Jungs kennen lernte. Das war deutlich peinlicher.
Aber Taehyung wirkte weder hilflos, noch so, als fühlte er sich unwohl. Er zog die Cap höher, nahm seine Sonnenbrille und redete mit seinen Fans, als würde er mit Freunden plaudern. Als ich seinen Blick auffing, fragte ich ihn per Zeichensprache, ob er meine Hilfe bräuchte. Aber er antwortet nur damit, dass er schon klarkäme.

Und dann war es soweit. Die Passagiere stürmten aus dem Flugzeug und rollten mit ihren Koffern in die Empfangshalle.
Ich erkannte Maddie sofort. Sie viel mit ihrer Sonnenbräune einfach so stark auf, dass ich sie gar nicht übersehen konnte.

»Juhee!«, rief sie begeistert und ließ ihren Koffer stehen, als sie auf mich zu rannte.

»Maddie!«, brüllte ich genauso laut zurück und drückte sie fest an mich, als sie mir in die Arme sprang.

»Ich hab dich so vermisst!«, riefen wir gleichzeitig und lachten. Wir lösten unsere Umarmung. Ich konnte immer noch nicht fassen, dass sie wirklich hier war. Hier, bei mir! In Seoul!

»Gott, der Flug war so lange!«, seufzte sie erschöpft und sammelte ihren Koffer wieder ein, den sie in der Menschenmenge fallen gelassen hatte.

»Ich habe das Gefühl, dass ich seit Tagen nicht gelaufen bin. Und mir ist heiß.« Sie fächelte sich mit einer Hand Luft zu und roch kurz an ihrem weißen T-Shirt. »Und ich glaube, ich brauche eine Dusche«, fügte sie naserümpfend hinzu.

»Wie lange bleibst du?«

»Eine Weile.« Sie stellte ihren Koffer vor mich ab. »Meine Eltern sind einverstanden, da ich ja bestimmt bei dir wohnen kann.«

»Sicher!«

»Oh, und noch etwas.« Ihr Gesichtsausdruck wurde plötzlich ernster. »Ich soll dir etwas von deiner Mutter ausrichten«, gestand sie. Mein Herz rutschte mir in die Hose. Was kam denn jetzt? Alle möglichen Gedanken schossen mir durch den Kopf. Angefangen von 

»Du brauchst nie wieder zurückkommen«, bis hin zu »Es tut mir leid, Juhee.«
Doch als Madison lächelte, entspannte ich mir augenblicklich.

»Sie vermisst dich«, sagte sie. »Das soll ich dir ausrichten.«
Tränen traten mir in die Augen. Seitdem ich hier war, hatte ich nichts mehr von ihr gehört und jetzt das. Ich war so glücklich und erleichtert. Ich konnte nur Nicken, während ich versuchte die Tränen zu unterdrücken.

»Danke. Ich werde sie wohl heute Abend einmal anrufen.«

»Das solltest du wirklich.«
Ich hatte Recht. Wenn Madison da wäre, dann wird immer alles gut. Keine Ahnung wie sie es machte, aber irgendwie hatte sie mir schon immer Glück gebracht.

»Puh, endlich sind sie verschwunden.« Tae gesellte sich zu uns, nachdem er die Mädchenhorde losgeworden war. Er lächelte meiner besten Freundin dieses typische Lächeln zu und ich konnte sehen, wie jegliche Farbe aus ihrem Gesicht wich. Sie riss die Augen auf und sah mich erschrocken und gleichzeitig, völlig begeistert an, bis sich ein strahlendes Lächeln in ihr Gesicht zauberte.

»Maddie, darf ich vorstellen?«, grinste ich. »Das ist Kim Taehyung.«

BETWEEN US | 𝐏𝐉𝐌 ✓Where stories live. Discover now