Käse

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„Ich finde", sagte Marti mit hochgezogenen Augenbrauen, „das Wort Käse absolut unerotisch.
Jako prustete Kaffee über den Schreibtisch.
„Wie bitte?", sagte er. „Wie zum Teufel kommst du denn jetzt auf so etwas?"
„Ich weiß auch nicht", sagte Marti. „Das ist mir gerade soeben durch den Kopf gegangen." Jako grinste. „Du bist vielleicht ne Nudel."


Jako nahm einen weiteren Schluck aus seiner Kaffeetasse, und während er das heiße, bittere Getränk genoss, ließ er seinen Blick über den anderen gleiten. Marti war damit beschäftigt, an seiner Gitarre zu zupfen und Jako hatte sich mit seinem Kaffee zu ihm in den Musikraum verzogen, weil Felix gerade im anderen Büro genervt mit ihrer Plattenfirma telefonierte und Jako das Gefühl hatte, dabei zu stören.


Flo und Frodo waren schwer beschäftigt, Steve und Rick auch und keiner von den Freunden hatte Zeit gehabt, sich mit ihm zu unterhalten. Deswegen war er schließlich bei Marti gelandet und wenn er ehrlich war, fühlte er sich in dessen Gegenwart recht wohl.


Marti so versunken in seine Musik zu sehen, war ein schöner Anblick. Er schien ganz tief in seinen Gedanken zu sein, sich sehr zu konzentrieren und in einer Welt aus Klängen zu versinken. Seine Augen hatte er zeitweise geschlossen, was Jako bedauerlich fand, denn er mochte das wunderbare Blau und das hell scheinende Funkeln.


„Also", sag Jako, „um noch mal auf den Käse zurückzukommen..."


Marti blickte von seiner Gitarre auf. „Ja?"


„Warum also findest du dieses Wort so unsexy?"


„Keine Ahnung, ich finde einfach komisch."


„Und... was findest du sexy?"
Kaum, dass Jako das gesagt hatte, spürte er, wie ihm heiß wurde und seine Ohren zu glühen begannen. Verdammt noch mal, in was ritt er sich da gerade hinein?


„Ich weiß nicht", sagte Marti.
„Ich finde eine ganze Menge Dinge sexy."


„ Aber ich meine, welche Worte welche Worte klingen für dich... na ja...erotisch?"


„Lass mich überlegen."
Martis Finger hatten die Saiten der Gitarre gestoppt. Seine Augen blickten nun direkt zu Jako und schienen tief in diesen hinein zu blicken.
„Meinst du im Allgemeinen oder meinst du Dinge die man essen kann?"
„Essen", sagte Jako und hüstelte.
„Tja also, ich weiß nicht... aber es gibt ein paar Sachen, die sind absolut unsexy, mehr noch als Käse."


Jako musste lachen.
„Und das wäre?"
„Tja, vielleicht so seltsame Sachen wie Ofenschlupfer oder Teichelmauke?"
„Wie bitte?"
Jakos hatte seine Augen erstaunt aufgerissen.
„Sind das ernsthaft Dinge, die man essen kann?"
„Klar", sagte Marti. „Du ahnst ja nicht, wie kreativ Köche sein können."
„Was das im Einzelnen ist, das will ich gar nicht wissen", sagte Jako schaudernd, „aber du hast vollkommen recht. Sexy klingt das nicht."
Und er konnte nicht anders, er musste einfach kichern. Martis Gesicht verzog sich zu einem Grinsen und kurz danach kicherte auch er, und es dauerte nicht lange, bis beide einen regelrechten Lachanfall bekamen.


„Aber mal ehrlich", sagte Marti, als sie sich beruhigt hatten.
„Käse - das klingt einfach furchtbar. Mozzarella oder Parmigiano, das kling dagegen ganz anders."


„Ja", sagte Jako, „das sind tatsächlich leckere Häppchen, wenn man die nett anrichtet, dann ist das ganze bestimmt auch sexy."


„Das kommt darauf an, wo man die anrichtet und wie", sagte Marti.


Was auch immer Jako in diesem Augenblick durch den Kopf schoss und was auch immer der Grund dafür war, dass er in diesem Moment nicht nachdachte sondern einfach sagte was ihm so in den Sinn kam: die Worte die aus ihm heraus sprudelten, änderten manches und änderten es für immer.


„Man könnte es beispielsweise auf dir anrichten", sagte er, „das wäre mit Sicherheit lecker..."
Er räusperte sich,
„... und auf jeden Fall auch sexy.."
Einen winzigen Moment lang war Marti sprachlos. Allerdings wirklich nur einen Augenblick lang, dann stellte er die Gitarre an die Seite, kann mit einem scheuen Blick auf Jako zu,legte seine Arme um dessen Hals und küsste ihn sanft auf die Lippen.


„Meinst du?", fragte er schüchtern. „Vielleicht sollten wir es einfach ausprobieren?"
Jakos Herz klopfte wie wild.
„Ja", sagte er, „warum nicht!"
Dann drehte er sich um und lief in Richtung der Büroküche. Er öffnete die Kühlschranktür und rief hinüber zu Marti, der noch immer ein wenig wie versteinert in seinem Musikzimmer saß:
„Hier ist noch ein bisschen Gouda!"


Aus dem Musikzimmer ertönte ein lautes Plumpsen. Schnellen Schrittes flitzte Jako dahin zurück.
Was er dort sah, war ein Marti, der offensichtlich vor Lachen von seinem Stuhl gefallen war.
„Gouda?", jappste er. „das ist doch bitte nicht dein Ernst oder?"
„Aber warum?", fragte Jako, „ist Gouda etwa auch unsexy?"
„Aber sowas von", sagte Marti und dann rappelte er sich auf und zog Jako zu einem erneuten Kuss heran.


„Bei mir zu Hause gibt es Ricotta," sagte er.


„Na dann", sagte Jako, „lass uns zu dir gehen. Ich habe Hunger auf leckere Häppchen."


Und so kam es, dass sie Hand in Hand nach Hause schlenderten und in Martis Zimmer ein köstliches, wunderbar angerichtetes Abendessen vernaschten.

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