Küssen für Kaninchen

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Diesen Oneshot widme ich FFlerin. Sie hat mir mal vor Monaten für einen Oneshot die Stichworte: "Konzert, Blumenstrauß, Glatze" gegeben. Na, und hier ist er nun endlich.
Und ich widme ihn ScarslikeVelvet, die ihn dankenswerter Weise für mich "gebetat" hat.


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Jako stapfte über den Jahrmarkt.
Er war stinksauer. Schlecht gelaunt. Verdammt noch mal.


Eigentlich hatte er mit ein paar Leuten hier entlang bummeln wollen. Es war ein kleiner Charity-Jahrmarkt, wo Vereine oder einfach private Gruppen oder wer immer ein Anliegen unterstützen wollte, Dinge anbieten oder verkaufen konnten, um den Erlös einem guten Zweck zu spenden. Organisiert vom Dachverband der Selbsthilfegruppen.
Eigentlich ne gute Sache und er und seine Freunde hatten einen schönen Nachmittag hier verbringen wollen.
Aber dann war es zu diesem dummen Vorfall gekommen.


Angefangen hatte alles mit einem fröhlichen Abend in der HWG und etwas zu viel „Milch". Milch, na ja, also... sie hatten einfach zu viel getrunken und waren alle ziemlich angeheitert gewesen.
Und betrunkene Wetten sind fast immer eine Scheißidee.
Ach was heißt hier fast... so was geht jedes einzelne verdammte Mal in die Hose.


Sie hatten also gewettet.
Sooo dämlich.
Gewettet, dass, wenn er sich ne Glatze schneiden würde, die Haare bis zum nächsten Konzert zumindest wieder schulterlang gewachsen wären.
Wie kann man nur so unfassbar dumm sein? Sich im besoffenen Kopf darauf einlassen, diese wunderbare Prachtmähne, und ja, er war einfach stolz auf sein Haar, abschneiden zu lassen. Herr Gott noch mal!


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Zum Glück war Marti dazwischen geplatzt.
Der war im entscheidenden Moment nach Hause gekommen, war noch nüchtern und hatte das Drama verhindert, indem er Jako hinter sich her zog, als Rick noch nach dem Haartrimmer suchte.
Er hatte Jako in sein Zimmer bugsiert, aufs Bett verfrachtet und die Tür zugesperrt.
Jako war recht schnell eingeschlafen und die Jungs hatten andere Beschäftigungen gefunden.


Jako war mit einem entsetzlichen Kater aufgewacht, und hatte erschrocken auf Marti gestarrt, der auf dem Fußboden auf einer Decke gepennt hatte, in seinem eigenen Zimmer, weil er, Jako, das Bett belegt hatte.


Jako hatte sich für die ganze Aktion ein wenig geschämt, war aber unglaublich dankbar, dass er in Martis Kleiderschrankspiegel seine Haarpracht noch bewundern konnte.


Jako hatte beim Aufwachen keine Ahnung gehabt, wie spät es war, aber es war eindeutig fünf nach Kaffee gewesen, und so war er in die Küche geschlurft und hatte sich eine Tasse dieses Lebensweckers in den Magen und auf die geschundene Seele geschüttet.
Dabei hatte er jeden der andern, ebenfalls Verkaterten, der sich ihm zu nähern wagte, wütend angemotzt.
Irgendwann war auch Marti aufgetaucht. Der hatte ihn fragend angeschaut – ach ja, diese blauen Augen – und hatte dann schmunzelnd gesagt:
„Na, mit deiner Laune kannst du aber keinen Blumenstrauß gewinnen!"
Jako hatte gegrummelt, dann jedoch gelächelt.
Ja, Marti hatte er angelächelt.
Aber Marti war ja auch etwas Besonderes... also, ein besonders guter Freund einfach. Ja, das war er.


Und jetzt trottete er allein über den Platz. Er wollte keinen von den anderen sehen. Ob die auch hier wären? Er würde ihnen aus dem Weg gehen. Hah!
Weswegen er dennoch hier war, hatte einen ganz einfachen Grund.
Nein, falsch, einfach war die ganze Sache nicht.
Nun, er wollte Marti sehen.
Er wusste, dass Marti hier bei einem Stand mitmachte, um das nahegelegene Tierheim zu unterstützen, dem der Sturm Friederike das Dach abgedeckt hatte. Die brachten nun dringend ein neues Dach, und da kam der Charity-Jahrmarkt gerade zum richtigen Zeitpunkt.


Jako nahm sein Handy.


Marti, wo bist du?


Springbrunnen!


Jako stapfte also weiter, an den unterschiedlichsten Ständen mit den erstaunlichsten Anliegen vorbei, bis er tatsächlich neben dem Brunnen den Stand vom Tierheim entdeckte.
Einen Augenblick blieb er zögernd stehen. Er fürchtete sich ein bisschen, wieder in diese blauen Augen zu sehen, die ihm so viel bedeuteten... eine tolle Freundschaft nämlich, jawohl.
Ach komm, Jako, dachte er sich, was machst du dir vor. Da ist mehr als das.


Manchmal ist Wut ne gute Sache, denn diese Wut veranlasste Jako, sich mit den eigenen Gefühlen auseinander zusetzen. Er hatte keine Lust, zu irgendwem nett zu sein, obwohl er doch stinksauer war, nur weil sich das so gehörte. Er war bereit, jeden anzugrummeln.


Außer Marti.


Und das machte ihm bewusst, dass er für Marti tatsächlich mehr empfand.
Dass er verdammt noch mal verliebt war.
Dass er das schon länger wusste, diese Gedanken aber nie zugelassen hatte.
Aber heute... heute ließ er es zu, so zu fühlen.


Er ging langsam weiter. Doch als sein Blick auf den Stand vom Tierheim fiel, klappte seine Kinnlade nach unten.
Eine hübsche junge Frau saß dort, in einem Kleid wie vom Abschlussball, festlich geschminkt.
Über der Bude prangte ein Schild:
„Küssen für Katze und Kaninchen!
Pro Kuss 10 Euro. Das Geld spenden wir dem Tierheim!"
Marti, der neben der jungen Frau stand, lachte und unterhielt sich mit ihr.


„Hallo, Jako," rief Marti, als er seiner ansichtig wurde.
„Na, besser gelaunt jetzt?"
Jako brummte. Marti lachte fröhlich.
„Ach komm schon, dir ist doch klar, dass die Jungs das niemals getan hätten? Die waren alle lange nicht so betrunken wie du und haben dich nur tüchtig auf die Rolle genommen!"
Jako schluckte. Aber im Grunde war ihm das gerade alles egal. Nur die Augen. Diese wunderbaren blauen Augen...
Und... die Lippen...


Jako griff nach seinem Portemonnaie und holte einen zwanzig Euro Schein heraus.
„Mein Kater ist weg," sagte er, und nun konnte er nicht anders als ebenfalls schmunzeln. Wie es aussah, kam die Gute Laune wohl gerade aus dem Urlaub zurück und trat ihren Dienst wieder an.
„Und nun möchte ich statt dessen etwas für Katzen tun!"
Und er reichte Marti, der anscheinend die Kasse machte, den Schein rüber.
Die junge Frau lächelte ihn erfreut an und beugte sich etwas vor, um in seine Reichweite zu kommen.
Jako aber schüttelte den Kopf.


„Wenn ich ehrlich sein soll, würde ich lieber den da küssen, nichts für ungut," sagte er mit einem entschuldigenden Schulterzucken und zeigte dabei auf Marti.
Marti verschluckte sich an dem Schluck Tee, den er gerade nehmen wollte.
„Was?"
Jako wurde knallrot.
Scheiße, da war er wohl ins Fettnäpfchen...


Doch dann begann Marti zu strahlen.
„Na das wird ja mal Zeit, Herr Joiko," sagte er, griff nach Jakos Kragen, zog ihn zu sich und küsste ihn.


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„Genau so ist es gewesen," sagte Opa Marti zu seinem fünfzehnjährigen Enkelsohn.
„Und seitdem haben wir uns noch unzählige Male geküsst. Aber der erste, der war der Schönste."
„Ach was," sagte Opa Jako, „sie schmecken besser, je älter man wird!"
Und er küsste seinen Mann.
Zärtlich und hingebungsvoll.


Mo, ihr Enkel, schaute die zwei schmunzelnd an.
„Ihr beiden seid unglaublich," sagte er.
Opa Jako streckte den Daumen hoch.
Antworten konnte er nicht, denn dann hätte er den Kuss lösen müssen.


Und das, nein, also dazu war er nicht bereit.


Denn Marti zu küssen, dazu war selbst ein langes Leben eigentlich viel zu kurz.

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