eine schlechte Fanfiction

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Marti Fischer sauste auf seinem Longboard durch die Straßen von Berlin.


Fährt Marti Longboard? Keine Ahnung. Aber in dieser Geschichte muss er das, denn sonst könnte ihm ja nicht die wunderschöne, überaus reizende Ocean Sky St. Clair vor die Füße bzw. vor selbiges Longboard fallen.

Ihr goldblondes Haar funkelte im Sonnenschein wie ein Strahlenkranz, und ihre herrlich blauen Augen... nein Moment, blaue Augen hat Marti selber. Also sagen wir, ihre sind grün. Sie schaute ihn also aus ihren herrlich grünen Augen an.

Sie war schön wie der Himmel an einem Frühlingsmorgen. Und selbstverständlich trug sie saucoole Klamotten. Das gehört sich schließlich so.

Darüber hinaus hatte sie den Intellekt von drei Pfund Mehl und den tiefgründigen Humor eines zweistündigen Atze-Schröder- Marathons. (Nichts gegen Atze Schröder, aber tiefgründig ist der nun mal nicht...)


Marti, Charmeur und Gentleman wie er nun mal ist, half ihr auf und erkundigte sich:

„Hast du dich verletzt?"

„Nein," sagte sie, „Wenn man davon absieht, dass meine Knie bluten und ich kurz vor einem apoplektischen Anfall bin..." Ein Wunder dass sie das Wort richtig herausbekam. Es war das einzige Fremdwort, was sie kannte und sie hatte wochenlang geübt, „...weil ich MARTI FISCHER!  * hysterisch kicher, hyperventilierend kreisch  * vor die Füße gefallen bin!"

Gut, also nicht verletzt dachte Marti, den ihre Knie nicht interessierten. Er sah keine Veranlassung, sich Hals über Kopf in sie zu verlieben.

„Wir sind hier schließlich nicht in einer schlechten Fanfiction," dachte er und schwang sich wieder auf sein Longboard.


Er sauste dahin bis zur U-Bahnstation.

Dort klemmte er das Board unter den Arm und sprang die Treppen hinunter.

Die U-Bahnstation war einsam und unheimlich (Am helllichten Tage. Mitten in Berlin. Japp, is schon klar.)

Na ja, bis auf ein Nerdmädchen.

(Streng zurückgekämmte Haare, fette Brille, etwas zu große Zähne. Blasse Haut und die Klamotten, oh Gott die Klamotten... sie schrie geradezu nach jedem Nerd- Klischee.)

Und zwei Typen, groß, breit, die sie offensichtlich belästigten.

Sie quiekte ängstlich.

(Sie war eigentlich nur sozial komplett verkrüppelt, Nerdklischee eben, und raffte nicht, dass die beiden Jungs sie eigentlich nur nach dem Weg fragen wollten.)

Marti, Charmeur und Gentleman wie er nun mal war, haute den beiden sein Longboard um die Ohren und rettete das Mädchen.

Ein kleines bisschen erwartete er jetzt das Amerikanische-Film-Klischee (sie nimmt die Brille ab und verwandelt sich allein dadurch aus einem hässlichen, seeeehr hässlichen Entlein in eine gefeierte Schönheit. Ungefähr wie Sky Hope St. Clement, nur mit etwas mehr Grips.)

Leider blieb das aus, na ja, wirklich erwartet hatte er das nicht.

„Alles in Ordnung?" fragte Marti.

Sie nickte nur völlig schüchtern, während sie versuchte, mit ihrem nerdigen T-Shirt ihr Nasenbluten zu stoppen.

Marti sah  keine Veranlassung, sich in sie zu verlieben, schon gar nicht Hals über Kopf.

„Schließlich sind wir hier nicht in einer schlechten Fanfiction," dachte er und schwang sich erneut auf sein ... ach nein, er war ja in der U-Bahnstation. Also gut, dann stieg er eben in die U-Bahn.


Er fuhr ein paar Stationen und schwang sich dann, na endlich, wieder auf sein Longboard.

Kurz darauf kam er vor der Tür der UWG an und klingelte, denn wie in jeder Marti Fischer Fanfiction wollte er einen „Loop zwischendurch" drehen und hatte dazu Jako um Hilfe gebeten. Warum er dafür zu Jako fuhr und  nicht umgekehrt wird an dieser Stelle nicht erklärt, denn ich beschließe, dass die Geschichte aus sich selbst heraus wirkt und keine Erklärungen braucht. Jawoll.

(Getreu des Mottos der überaus entzückenden Hope Diamond St. James: Was so schön ist, muss nicht auch noch Sinn machen. Nicht wahr?)


Er hetzte also die Treppen hinauf mit seinem Longboard unter dem Arm. Als er oben vor der Wohnungstür stand, ging ihm so durch den Kopf: Also wenn das jetzt eine  schlechte Fanfiction wäre, dann wäre ich jetzt in Jako verliebt und würde mich nicht trauen, es ihm zu sagen, um unsere Freundschaft nicht zu gefährden (und verdammt soll ich sein, aber DER Teil der Geschichte trifft zu,) und er wäre in mich verliebt, und würde mir aus den nämlichen Gründen ebenfalls nicht seine Liebe gestehen, und dann würde jetzt die Tür aufgehen, und er würde mich sehen und würde bemerken, dass ich Blut an der Hand habe... Verflixt wo kommt das Blut her? Von den Knien der überaus liebreizenden Diamond Beryl St. John? Oder von der Nase des hässlichen Entleins?

Jedenfalls würde er Angst um mich bekommen und mir dann doch seine Liebe gestehen, und mich küssen...

Die Tür der Wohnung öffnete sich.

Jakos Blick fiel auf das Blut an Martis Hand.

„Oh Marti, du bist ja verletzt?!?"

„Was? Ach das. Nein, ist nicht meins."

Jako war erleichtert.

„Oh Marti, du hast mit einen Schrecken eingejagt."

Plötzlich zog er Marti an sich.

„Weißt du, ich bin nämlich schon lange in dich verliebt, und habe mir nicht getraut es dir zu sagen, weil ... blablabla... „

„Ich bin auch in dich... blablabla... und jetzt küss mich endlich!"


Und während sie im Flur des Altbaus in Berlin knutschten, dachte Marti:

Verdammt, wie in einer schlechten Fanfiction. Aber wenn ich ehrlich bin, habe ich gegen schlechte Fanfictions gar nichts einzuwenden.

Und er verlor sich in den alles überflutenden Gefühlen des Glücks.

Und so lebten sie alle glücklich bis an ihr selig Ende.


(Na ja, fast alle. Das Nerdmädchen würde die nächsten drei Jahre nicht mehr ihr Haus verlassen. Wozu gab es schließlich Lieferdienste für alles mögliche! Und die holde Beryll Destiny St. Benedict würde morgen schon auf LeFloid und sein Longboard lauern und ihr Glück erneut versuchen. Irgendwann müssen sich die aufgeschlagenen Knie ja mal auszuzahlen.)

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