Berlin im Regen

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Diese Geschichte widme ich @Käsefuchs, der mir die Stichworte "Regenschirm, Lego, Plattenspieler" gegeben hat, mit der Bitte um eine Froid-Geschichte.


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Da lauf ich nun im Regen über den Flohmarkt. Du liebe Güte. Zu so etwas kann mich auch tatsächlich nur mein Max bewegen, denke ich und schmunzle. Doch im nächsten Augenblick verrutscht mein Schmunzeln.
Mein Max.
Er ist nicht mein Max.


Er ist mein bester Freund, mit dem ich seit Jahren durch dick und dünn gehen.
Mein Kumpel.
Mein Kollege, mit dem ich den Dr. Froid Kanal betreibe.
Der mich bei meiner Arbeit unterstützt, und ohne den ich nicht so erfolgreich LeFloid wäre. Ohne den die Fewjars nicht da wären, wo sie sind, ohne den viele nicht schaffen würden, was sie schaffen müssen.
Frodo, überall, nur nicht auf Frodoapparat.
Das alles ist er, nur nicht MEIN Max.


Ich seufze, während ich unter dem großen Regenschirm, den ich aufgespannt habe und der eigentlich groß genug ist, um uns beide vor dem strömenden Regen zu schützen, über den pitschnassen Platz schlendere.
Ich habe ihn für mich allein, den Schirm, denn Max springt wie ein aufgeregter Hundewelpe von einem der Stände zum anderen. Die Stände sind mit Folien verhangen, und es sind auch nicht so viele hier wie sonst. Aber es sind doch immer noch etliche Händler, die dem Regen trotzen. Und auch erstaunlich viel an Kundschaft schlendert hier herum, vermutlich aufgrund des unangenehmen Wetters in der Hoffnung auf ein besonderes Schnäppchen.


Max wollte unbedingt auf diesen Flohmarkt. Er braucht ein bestimmtes Bauteil für den alten Plattenspieler, den er in seiner Wohnung rumstehen hat. Der ist bis gestern noch gut gelaufen und Max hört sich darauf immer die alten Schallplatten an, die er von seinem Papa geerbt hat. Er versinkt dann in Nostalgie und ist dann immer ganz... anschmiegsam.
Manchmal machen wir das zusammen. Und das fällt mir dann nicht ganz leicht. Seine Weichheit in diesen Augenblicken für mir immer schmerzlich vor Augen, dass ich ihn dann NICHT einfach in den Arm nehmen kann, ihn nicht streicheln kann, kraulen, sanfte Küsse auf sie Stirn setzen...
Er ist mein bester Freund, aber eben nicht MEIN Max.


Dabei ist er Single. Seit er sich von seiner langjährigen Freundin Vanessa getrennt hat, hat er niemanden gehabt.
Und manchmal, wenn wir allein sind, wenn wir besonders vertraut über etwas reden, dann denke ich... dann fühlt es sich so an...
Aber was nützt das alles. Max ist Single, ja. Aber ich nicht.


Manchmal trifft man eben falsche Entscheidungen im Leben.
Hab ich auch getan. Und das hat dazu geführt, dass ich nun verheiratet bin und zwei Kinder habe.
Verstehe man mich nicht falsch. Ina, meine Frau ist eine großartige Frau. Und in gewisser Weise liebe ich sie auch. Wären wir Freunde, wäre sie vermutlich meine beste Freundin. So etwas, wie eine Herzensschwester.
Und ich vergöttere unsre beiden süßen Kinder. Die Zwillinge sind der Mittelpunkt meines Lebens,


Aber dennoch...
Ich wünschte, Ina wäre meine beste Freundin, und Max mein Ehepartner. Und nicht umgekehrt.
Eine Nacht, ein einziges Mal Liebe machen ohne Schutz. Und Ina war schwanger.
Es war die Nacht, als ich ihr sagen wollte, dass ich die Beziehung mit ihr nicht weiterführen wollte, weil ich Max liebte. Doch sie war so... anhänglich in jener Nacht, dass ich es nicht fertig brachte.
Und dann war sie schwanger.


Also haben wir geheiratet
Ich mag ein Idiot sein. Aber ich bin kein Arschloch. Ich lasse sie nicht im Stich. Und meine Kinder auch nicht. Ich habe mich da rein geritten und muss nun mit den Konsequenzen leben.
Und ich werde meine Frau auch nicht betrügen. So etwas tue ich nicht und Max auch nicht.
Ich weiß nicht, was er fühlt, wenn es um uns beide geht. Wir reden nicht darüber. Warum auch. Was würde es nützen.
Ich habe Ina, und dabei bleibt es.


Und dennoch, ich wünschte...
Ich darf jetzt nicht heulen. Dank des großen Regenschirms könnte ich nicht einmal behaupten, es wären nur Regentropfen, die über mein Gesicht fließen.
Ich seufze und schaue mich nach Max um. Hab ihn gerade ein bisschen aus den Augen verloren.
„Hier, Flo!" höre ich ihn rufen. Er steht an einem Stand, der offenbar jede Menge Elektronik- Kleinscheiß anbietet.


Ich gehe in seine Richtung. Mein Blick ist so sehr auf ihn und den begeisterten Ausdruck auf seinem Gesicht fokussiert, dass ich meine Umgebung kaum noch wahrnehme.
So kommt es, dass ich, kurz bevor ich ihn erreiche, über eine Kiste mit Legobausteinen stolpere und das Gleichgewicht verliere.
Ich lasse den Schirm fallen, rudere mit den Armen und wäre sicher auf das regennasse Pflaster gestürzt, wenn Max mich nicht aufgefangen hätte.
Einen winzigen Moment lang hänge ich so in seinen Armen, nehme seine Geruch so intensiv wahr, seine Wärme... das ganze geht mit verdammt unter die Haut.


Dann rappele ich mich auf, und während ich versuche, wieder sicher auf die Füße zu kommen, ist sein Gesicht plötzlich ganz nah an meinem. Seine Lippen zu nah an meinen.
Gott, ich möchte sie küssen.
Es zieht mich, es drängt mich, meine Lippen auf seine zu legen und auf alles zu pfeifen; die Weichheit seiner Lippen zu spüren, die Wärme seines Mundes...
Ich räuspere mich.
Schüttele den Kopf.
Er hat bemerkt, was los ist.
Er nickt unmerklich.
Und dann flüstert er leise:
„Es geht nicht. Ina, die Kinder..."


Scheiße.
Nun weiß ich, dass auch er, wäre die Situation anders, gerne mehr tun würde als befreundet sein...
Das wird es für mich in Zukunft nicht einfacher machen.
Ich denke an meine beiden Süßen Zwillinge.


Ich grinse Max an und sage:
„Kommste gleich mit zu uns? Ina wollte ne heiße Suppe kochen. Kannst mit essen."
Er nickt.
Er spürt, dass ich damit nicht nur ihn zu Essen einladen, sondern auch mich wieder auf die Familie fokussieren wollte, die ich habe und die ich, allen Sehnsüchten zum Trotz, nie hintergehen würde.


Er wischt sich ein paar Regentropfen vom Gesicht.
Es sind Regentropfen.
Keine Tränen.
Ganz bestimmt.

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