22 ›› can't believe

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Jimin

Ich würde einfach an ihm vorbeigehen, ihm erneut zeigen, dass ich mit ihm um mich herum nicht einfach so weiter machen konnte wie vorher. Ihm zeigen, dass er für mich nicht mehr eine normale Bezugsperson, ein normaler Betreuer schon gleich gar nicht mehr, war.

Einerseits verhielt ich mich, als würde ich am liebsten tausende Kilometer von diesem Mann getrennt sein, andererseits brauchte ich die Bestätigung, dass es ihm gut ging, wollte seine Stimme hören, mich versichern, dass er trotz allem noch in meinem Leben auftauchte.

Erneut ging die Stunde zu Ende, mein Alltag wurde zunehmend wieder langweiliger, eintöniger, wie vor der Zeit, in der er, Min Yoongi aufgetaucht war. Mein Körper wurde müder, noch träger als zuvor, doch eingestehen, dass es mich am meisten fertig machte, ihm so aus dem Weg zu gehen, wollte ich mir nicht.

Langsam trottete ich Yuna hinterher, machte mir nicht die Mühe, mich zu beeilen, da Yoongi es nach dem Wochenende seit einigen Tagen anscheinend aufgegeben hatte, mich anzusprechen. Tief in mir brach bei dem Gedanken irgendetwas in mir zusammen, wahrscheinlich war es der Funken restliche Hoffnung gewesen und diese war schmerzhaft, verdammt schmerzhhaft.

"Du musst die Tür zumachen", kam es auf einmal von der Seite, weshalb ich stehen blieb und aus meinen Gedanken erwachte. "Oh, ja, stimmt", murmelte ich und begab mich seufzend zurück, um die Tür zu schließen, da ich sie als letzter verlassen hatte, doch hörte ich noch gedämpfte Stimmen von innen.

"...Ja, nächste Woche."

"Hast du es schon gesagt?"

"Nein, nein, das werde ich am letzten Tag so richtig schön respektvoll und persönlich machen", lachte Yoongi darauf ironisch und brachte somit den anderen Betreuer auch zum Lachen.

"Ich werde dich echt vermissen, sind dann wieder nur zu zweit mit der Alten", seufzte die andere männliche Stimme, welche lauter wurde, da die beiden offensichtlich auf die Tür zuschritten.

Meine Hand jedoch lag nach wie vor auf der Klinke, doch bewegen tat ich sie nicht. Wie angewurzelt stand ich da und versuchte die Worte zu verdauen, mir irgendeinen anderen sinnvollen Reim darauf zu machen, doch es brachte nichts. Ich schluckte leer und unbewusst begann, meine Hand zu zittern, weshalb ich die Tür schließlich schnell zuzog und die Personen innerhalb wahrscheinlich ziemlich erschreckte.

Schnell machte ich kehrt und wollte verschwinden, doch der Schwindel meiner übereiligen Reaktion veranlagte mich dazu, doch lieber einen Schritt langsamer zu machen. Trotzdem taumelte ich schnell auf den Ausgang zu und wurde draußen schon von lauem Wind begrüßt.

"Das kann nicht sein, nein", murmelte ich immer wieder vor mich hin, der Kloß in meinem Hals wurde größer und ich musste stark gegen die plötzlichen Tränen ankämpfen. Wann war ich nur so weich geworden?

"Bis Morgen, Yoongi!"

Schnell zog ich mir die Kapuze über den Kopf und drängte mich etwas mehr gegen das Gebäude neben mir, während ich den Gehweg eilig weiterlief. Trotzdem konnte ich sich annähernde schnelle Schritte hören und presste deshalb fest meine Lippen aufeinander. Mein Blindenstock kratzte ziemlich laut über den Boden, warum er noch nicht kaputt gegangen war, war mir tatsächlich ein Rätsel.

"Jimin! Warte!", außer Puste kam Yoongi neben mir an, doch ich dachte gar nicht daran, ihm jegliche Aufmerksamkeit zu schenken. "Ich erkenne dich, du musst dich nicht vor mir verstecken."
"Ach stimmt, muss ja nicht jeder so einen scheiß Stock mit sich rumschleppen-"
"Ich meine an dem blauen Fleck auf deiner Jacke, als du damals über einen halbvollen Farbeimer gestolpert bist. Du hast dich den ganzen Tag darüber beschwert und erst nach einer Stunde begonnen, etwas sinnvolles zu lernen."

Tatsächlich brachte ich nun keine Worte zustande, der Fakt, dass er mich immer wieder mit seinem Verhalten überraschte und sich an so kleine Dinge mit einem Schmunzeln zurückerinnerte, zählte dazu.

Für einen kurzen Moment vergaß ich tatsächlich, wie ich auf Yoongi zur Zeit zu sprechen war.

"W-was willst du?" Meine Stimme zitterte hörbar, ich senkte meinen Kopf sicherheitshalber nich mehr, als ich es bemerkte. "Alles okay?", fragte er sofort besorgt, doch ich schnaubte nur verächtlich. "Du... du künd-" Weiter kam ich nicht, da ich mir eine Hand vor den Mund schlug, um einen Schluchzer zu unterdrücken.

Yoongi packte mich plötzlich an den Schultern und brachte mich somit zum Stehen. Mit allen Kräften versuchte ich, mich zu befreien, doch es gelang mir nicht. "Bitte sprich mit mir. Ich mache mir Sorgen, verdammt", flehte er, doch genau das brachte meine Gefühle nur noch weiter zum Überlaufen und da ich sie nicht mehr auseinanderhalten konnte und wollte, würde ich am liebsten alles in Wut verpacken, all die guten Gefühle, die ich für ihn doch eigentlich hegte.

"Du machst dir Sorgen, ja? Lüg mich doch nicht immer an! Man, ich... ich hasse dich, warum bringst du mich dazu, mich in dich- mich, äh-" Sofort spürte ich die Hitze in mir aufkommen und ich drehte meinen roten Kopf erschrocken von mir selbst von ihm weg. Das Wissen, dass er mich gerade anstarren musste, machte mich nur noch verrückter.

"Was?"

"Nichts, Min Yoongi! Du hast mir nichts zu sagen, also warum ich dir?"

"Oh, du weißt gar nicht, wie viel-"

Schnell hielt ich meine Hände auf sein Gesicht, sie zitterten unter anderem, da ich sie durchgehend anspannte.

"Du hast mir also viel zu sagen, hm?", fragte ich, nachdem ich einmal tief eingeatmet hatte, "aber dass du gehst, das... das ist unwichtig?"

Nun spürte ich, wie eine kühle Träne über mein noch immer brennendes Gesicht rollte. Doch auf mein Aussehen hatte ich gerade sowieso nicht mehr zu achten, denn ich würde ihn vielleicht nie mehr wieder sehen.

Ich spürte, wie er unter meinen Hände langsam den Mund öffnete und von meinen Schultern abließ. Schnell riss ich meine Arme also von ihm und stolperte nach hinten gegen die nächste Hauswand, während weitere Tränen folgten. "Warum tust du mir das an?", schniefte ich leise.

"Ich wollte es dir sagen."

"Achso? Und WANN wolltest du mir das bitte sagen? Du bist i-in ein paar Tagen weg, hättest es mir wahrscheinlich am letzten Tag so nebenbei zu-zugeworfen, oder?", lachte ich ironisch, während mich einige Schluchzer unterbrachen und meine Schultern dazu bebten.

"Du warst derjenige, der mich die letzten Tage nicht anhören wollte, aber das will ich dir auch gar nicht unterstellen-"

"Hättest du es mir denn früher sagen wollen?"

"Nein", antwortete er, seine Stimme so unverschämt ruhig, als würde ihn das alles nicht interessieren.

Erneut lachte ich auf, mein Gesicht nass und mein Brustkorb langsam schmerzend. "Dann können wir das ja hiermit beenden. Geh einfach, Yoongi, geh aus meinem scheiß Leben!"

"Ich hätte es dir nicht gesagt", wiederholte Yoongi noch immer ruhiger als ich, doch trotzdem langsam etwas angespannt seine Worte und machte einen Schritt auf mich zu. "Geh weg", krächzte ich kraftlos, doch er seufzte nur. "Ich hätte dir etwas anderes gesagt. Nicht heute, ich weiß nicht wann, denn ich weiß, dass du es nicht so hinnehmen und glauben wirst." Ich schüttelte nur zusammenhanglos meinen Kopf, welcher wahrscheinlich vom vielen ziellosen Nachdenken schon dampfte.

Ich nahm also all meine Kraft zusammen und lehnte mich mehr gegen die Wand hinter mir. "Wenn du noch etwas zu mir zu sagen hast, dann sag es jetzt oder nie."

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Don't Be Blind | Yoonmin | abgeschl. Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt