16 ›› his hand

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"Na los, erzähl schon!" Erschrocken ließ ich einen Laut von mir. "Was zum Teufel ist jetzt schon wieder los?", atmete ich erleichtert aus, als Hyunas Griff, mit welchem sie mich zurück gezogen hatte, sich lockerte. "Das weißt du genau", meinte sie und ich konnte förmlich ihr Grinsen heraushören, "Wegen gestern Abend, was ist passiert?"

Ich kaute leicht auf meiner Unterlippe herum, während meine Gedanken zu gestern schweiften. Zu Yoongi's Worte und Taten, welche mir seitdem noch mehr Kopfschmerzen bereiteten, als sie es davor schon getan hatten.

Bitte verzeih mir auch ein nächstes Mal.

Noch immer konnte ich nicht verstehen, was er nun wollte. Dass es für ihn genauso nicht leicht gewesen war, hatte er gemeint. Doch warum hatten wir uns dann nicht vertragen können? Warum hatte er mir keine Gründe, keine Erklärung liefern können? Warum hatte ich das Gefühl, dass er mir dennoch aus dem Weg ging?

"Eigentlich nichts", murmelte ich bedrückt und lehnte mich gegen die Wand hinter mir, als Hyuna ein enttäuschter Seufzer entfuhr. "Schade, das wäre doch perfekt gewesen! Es war abends, kalt und die Stimmung gereizt. Und dann nur ihr beide! Das hätte so romantisch werden können. Ein Streit, doch schlussendlich überwiegen die Gefühle-" Ich schüttelte meinungsstark den Kopf. "Es war und wird nie in irgendeiner Weise romantisch sein. Wir saßen einfach nur da, er war genervt, und..."

"Und?"

Ich zögerte, doch senkte meine Stimme dann wieder. "Und dann sind wir wieder gegangen..." Ob meine Aussage sie nun überzeugen mochte, wusste ich nicht, doch ich drückte mich von der Wand ab und folgte dem Gang weiter bis zum Speisesaal, welchen ich mit Hyuna im Schlepptau betrat.

Ich hätte jedoch wirklich meinen Stock mehr einsetzten sollen, anstatt mit gesenktem Kopf unaufmerksam in den Saal zu platzen, da ich direkt in etwas, besser gesagt jemanden lief. Das verriet mir die Textur des Hindernisses, das Gefühl von Stoff und Körperwärme. Ich taumelte einen Schritt zurück und murmelte etwas verwirrt ein "Sorry".

"Pass auf." Erstaunt öffnete ich meinen Mund und richtete schnell meine Haare. "Wo wolltest du hin?", fragte ich schnell, brachte nicht mehr zu stande. Tatsächlich wurde meine Hoffnung, dass alles wie Früher sein würde, direkt zerstört. "Ich wollte lediglich nach Personen schauen, welche nicht rechtzeitig erschienen sind", gab Yoongi nämlich in seiner fast schon gereizten Stimmlage zurück, wieder zog sich mein Herz ein wenig dabei zusammen. "Achso", murmelte ich nur und senkte den Kopf wieder.

"Wir sind nicht einmal fünf Minuten nach euch gekommen", schaltete sich nun Hyuna ein, weshalb Yoongi mit der Zunge schnalzte, doch nichts erwiderte. Und schon konnte ich hören, wie er sich abwendete und wieder zu unserem Tisch ging.

Wieder spürte ich Hyuna's Hand auf meiner Schulter, doch trotzdem konnte ich nicht mehr als ein verletztes Lächeln hervorbringen. Ihre Hand war klein, nicht so warm. Es war eben nicht seine. "Ich weiß echt nicht, wie lange er das noch durchziehen will", seufzte sie mitleidig, doch ich schüttelte nur meinen Kopf. "Alles ist gut, keine Angst", gab ich zu verstehen und machte mich dann auch langsam auf zu unserem Platz, wobei mein Hunger und meine Lust komplett verflogen war.

Der Hype um meinen und Yoongi's 'Streit' war glücklicherweise nicht mehr sehr relevant, da es sich nun um einen anderen Skandal drehte. Auch wenn ich es genießen könnte, nicht mehr im Mittelpunkt zu stehen, fühlte es sich nun noch unangenehmer an, direkt neben Yoongi zu sitzen und so zu tun, als wäre nichts. Ob für ihn die Sache nun geklärt war? Ich atmete tief aus, merkte erst anschließend, dass dieser dies genau gehört haben musste. Beschämt wendete ich also meinen Kopf mehr in die andere Richtung, dabei mischten sich wieder verschiedenste Gefühle in der Vordergrund.

Mein Magen begann, sich unangenehm zu winden und meine Unterlippe leicht zu beben. Plötzlich, als ich gerade zwischen der Entscheidung, einfach aufzustehen, oder nicht, wankte, spürte ich eine Hand auf meinem Oberschenkel. Nur leicht legte sich die große Hand auf diesen, schon fast erstaunlich war es, dass ich diese unter tausenden herausfinden würde.

Yoongi verstärkte den Druck etwas und ließ dann wieder nach, ließ sie jedoch auf meinem Bein liegen. Direkt beruhigen tat sie mich nicht wirklich, doch meine plötzliche Gefühlswelle unterbrach sie abrupt und ließ mich verdattert die Augenbrauen zusammenziehen.

Gerade hatte er mich noch abgewiesen, so kalt zu mir gesprochen, als würde ich ihm trotz gestern nichts bedeuten, doch nun achtete er wieder auf mich und eine andere Absicht, als dass er sich Sorgen machte, konnte ich mir auf diese Geste nicht erklären. "Warum?", hauchte ich leise, ein wenig beruhigt, da die Aufmerksamkeit der anderen wie gesagt nicht auf uns lag.

Yoongi jedoch erwiderte nichts, sondern ließ langsam wieder von mir ab, dabei seine Fingerkuppen so lange wie möglich noch mit mir in Berührung lassend. Da ich stärker als andere auf Berührungen, dazu noch auf seine, reagierte, hinterließ er nicht nur an der Stelle, sondern auch an meinen Armen eine kribbelnde Gänsehaut. Mein Kopf dafür war für ein paar Momente wie leer gefegt, ehe Mrs. Choi mich aus den Gedanken und die anderen aus ihren Gesprächen riss.

"In einer halben Stunde seid ihr alle abfahrbereit an der Tür, wir werden heute die Gegend um Siheung besichtigen."

Doch was Mrs. Choi zu sagen hatte, interessierte mich weniger, da mich Yoongi's Verhalten langsam nicht nur verunsicherte sondern auch ziemlich anpisste. Das Gemurmel und anschließendes Stühlerücken brach also aus, doch ehe Yoongi sich erheben konnte, platzierte ich selbst meine Hand auf seinem Bein.

Jedoch nicht so zaghaft, wie er es getan hatte, sondern eher, um ihn dazu zu bringen, nicht wieder weglaufen zu können.

"Was zur Hölle ist denn los?", fragte ich etwas lauter als zuvor, da mir jetzt wahrscheinlich sowieso niemand zuhören würde. Und auch wenn, wäre es mir in dem Moment ehrlich gesagt egal gewesen. Dass er mir auch nun wieder keine Antwort gab, ließ mich tief einatmen und meinen Körper gänzlich zu ihn drehen.

"Yoongi. Sag mir einfach nur, was mit dir- mit uns los ist!", rief ich schon fast, worauf Yoongi erschrocken meine Hand von seinem Schoß schlug. "Spinnst du?", zischte er, offensichtlich geschockt von meiner Lautstärke. Ich schnaubte nur empört auf und erhob mich, genauso wie er es tat. "Ob ich spinne?"

"Jimin", unterbrach mich Yoongi jedoch, streng und trotzdem flehend, seine Stimme so leise gehalten, dass ich ihn hinter den Hintergrundgeräuschen kaum hören konnte, "bitte, bitte schrei hier nicht so rum. Ich sagte doch, verzeih mir noch einmal- äh, ich weiß echt nicht, was in dich gefahren ist, aber dein Verhalten lässt zu wünschen übrig." Seine Stimme wandelte sich plötzlich wieder in die kalte, strenge um, welche mir so verhasst war. Verständnislos schüttelte ich den Kopf.

"Kommen die Herren dann auch endlich?", vernahm ich die Stimme der Leiterin nur wenige Meter neben mir und nutzte somit die Gelegenheit, um aufgebraust den Raum zu verlassen.

Wie konnte er nach alledem so tun, als wäre nichts gewesen? Warum bat er mich im einen Moment, ihm zu verzeihen, doch ließ alle Begründungen aus und behandelte mich dann wieder, als wäre ich unwichtig?

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Don't Be Blind | Yoonmin | abgeschl. Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt