8 ›› annoyed

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Den restlichen Weg über hatte ich versucht, etwas mehr Abstand zwischen Yoongi und mir einzuhalten, da mir im Nachhinein bewusst wurde, wie nah wir uns eigentlich gewesen waren. Und dass ich mich nicht im geringsten dagegen gesträubt hatte.

Schon wieder huschte der Gedanke an seinen Kuss in mein Gedächtnis, auch wenn es nur einer auf meinen Kopf gewesen war. Ein flüchtiger, für ihn schon längst vergessener, und trotzdem schlug ich erneut meine Hände vor das Gesicht, während ich mich nach hinten gegen die Wand neben meinem Bett lehnte.

"Wir gehen raus, kommst du mit, Jimin?", fragte eine weibliche Stimme und ich ließ die Hände sicherheitshalber vor meinem wahrscheinlich leicht geröteten Gesicht liegen. "Nein, ich muss noch... lernen", redete ich mich aus der Entstehung neuer Sozialkontakte heraus. "Okay...?", fragte Yuna nun etwas verwirrt, "aber es ist sicher alles gut?"
"Kinder, wenn etwas sein sollte, sind die Betreuer hier. Und jetzt geht, ich habe das schon im Griff."

Stumm lauschte ich, wie die drei Mädchen nun durch die Tür verschwanden und diese hinter sich wieder in das Schloss zogen. Nervös schluckte ich, da genau diese Spannung wieder entstand, welche ich eigentlich vermeiden wollte. Es war so ruhig und da Yoongi mich sicherlich gerade prüfend musterte oder mir komische Blicke zuwarf, senkte ich meinen Kopf etwas und wollte nach einem meiner Bücher greifen, welche neben dem Bett lagen, als mein Handy in der Hosentasche begann, zu vibrieren.

So ungern ich auch telefonierte, ich war meinem Handy gerade mehr als dankbar. Ich fischte es heraus und zog den rechten Bereich des Displays nach oben, da sich dort der grüne Hörer befand und hielt es an mein Ohr.

"Hallo?", fragte ich kleinlaut und zog die Beine an mich heran zu einem Schneidersitz. "Jimin! Ich habe schon versucht, dich zu erreichen, aber es nicht geschafft. Ist alles gut? Gefällt es dir?" Seufzend ließ ich mich ins Bett fallen und drehte mich gegen die Wand, in der Hoffnung, dass Yoongi so vielleicht nicht allzu viel mitbekommen würde. "Ganz gut", beantwortete ich ungenau ihre Fragen. "Ich sagte doch, es wird besser als du gedacht hast! Du lernst endlich, selbstständiger zu sein, das ist doch toll!", versuchte sie, mich aufzumuntern, was mich nur spöttisch grinsen ließ.

"Natürlich. Für dich war es doch eher der Fakt, dass du mich los hast, nicht wahr? Weil ich dir so eine Last bin!", ich konnte meine Stimme nun nicht mehr wirklich regulieren und versuchte, irgendwie wieder herunter zu kommen. Doch wie jedes Mal, wenn es um solche Themen ging, wurde ich irgendwie zu reizbar. "Jimin! Du weißt, dass das nicht stimmt, ich würde alles für dich tun, du bist mein Sohn und ich-"
"Ach ja? Und die Operation? Du hast kein einziges Mal auch nur versucht, das Geld irgendwie zusammen zu kriegen!" Ich erhob mich, sodass ich aufrecht auf der Matratze saß und spürte, wie meine Atmung immer schneller und zittriger wurde.

Ein tiefes Seufzen ihrer seits, bevor sie versuchte, ruhig weiter zu sprechen. "Jimin. Du weißt, dass wir das Geld einfach nicht haben. Und ob das alles überhaupt klappen würde und-"
"Da gibt es Wege und Mittel! Aber du wolltest sie ja noch nicht einmal ausprobieren, geschweige denn dich darüber informieren! Du willst, dass ich selbstständig werde, damit du mich endlich rausschmeißen kannst, aber...", ein Schluchzer entfur mir, weshalb ich erschrocken die Luft anhielt, "...aber ich kann das alles nicht..."

"Jiminie...", sie klang nun auch ganz aufgelöst, "bitte versteh mich. Es hat andere Gründe, okay? Ich würde dich mein ganzes Leben lag bei mir behalten und mich um dich kümmern, aber..."
"Aber was?!", rief ich und wischte mir mit dem Handrücken über die Augen, ehe ich die Knie an meinen Körper zog und mein Kinn auf diesen ablegte. "Ich... es gibt da seine Gründe, okay?" Und dadurch brachte sie mich nun wieder zum Zweifeln an ihren eigenen Aussagen. "Bitte pass auf dich auf, mein Schatz. Ich rufe noch einmal-"
"Jaja, ich muss jetzt zum Essen", schniefte ich genervt und schmiss somit das Handy auf mein Bett.

Ich vergrub meinen Kopf in den Armen, welche auf meinen Knien verschränkt waren und versuchte, die lauten Schluchzer zu unterdrücken, als mir plötzlich etwas, beziehungsweise Jemand einfiel. Erschrocken hob ich meinen Kopf leicht an, um mir die Tränen so fut wie möglich aus dem Gesicht zu wischen. "Hey, Jiminie...", kam es von der anderen Bettseite. Wie es mir gebangt hatte, hatte er offensichtlich alles belauscht und dadurch wahrscheinlich gerade meine halbe Lebenssituation vorgespielt bekommen.

"Du hast auch nichts besseres zu tun, als Leute zu nerven und zu belauschen, oder? Meine Gespräche gehen dich verdammt nochmal nichts an!", rief ich wutentbrannt, gleichzeitig so erschöpft und einfach fertig mit der Welt. Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte, was ich noch für gut empfinden konnte. Meine einzige Lösung war gerade, meine Schwäche durch Wut zu überspielen.

Ich sprang auf und stolperte zur Tür, ehe ich diese aufriss und wieder hinter mir zuschlug. Ich drückte meine Hand gegen die Wand und rannte einfach den Gang entlang, alle paar Meter spürte ich die Türrahmen, wleche in die Wand eingelassen waren. Ich rannte weiter, zwei Mal um eine Ecke nach rechts, bis ich schließlich langsamer wurde, mein Schluchzen dafür umso erbärmlicher und lauter. Dafür war ich mir ziemlich sicher, dass sich im hinteren Teil des Gebäudes nicht so viele belegte Zimmer mehr befanden, weshalb ich mich in einem Türrahmen niederließ, erneut meine Beine an mich zog und mich zusammenkauerte.

Ich war so wütend und traurig. Genervt von meiner Mutter, genervt von Yoongi, genervt von den Mädchen und ihrem Gekichere. Genervt von dem Wissen, dass man mein Sehvermögen tatsächlich verbessern könnte, doch uns das Geld fehlte. "Ich will nicht mehr", wimmerte ich und riss verzweifelt die Augen auf; genervt von diesem verdammten ewigen Schwarz.

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Don't Be Blind | Yoonmin | abgeschl. Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt