33 ›› I wouldn't

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"Wo ist Eomma? Ich muss sie sehen!", fragte ich neugierig, doch da änderte sich plötzlich Yoongi's Miene.

"Wo ist sie?", hauchte ich, das erste Mal konnte ich wieder Gesichtszüge der Trauer in einem Menschen sehen. Und das in meinem Menschen. Wie oft ich diese wohl nicht bemerkt hatte, da Schweigen nunmal ein Schloss und die Augen der Schlüssel waren?

"Jimin", murmelte Yoongi und griff nach meiner Hand. Angst kam in mir auf, meine Hände begannen leicht zu zittern. "W-wo ist meine Mom?", wiederholte ich schon fast weinerlich die Frage und biss mir auf die bebende Unterlippe. Der tiefe Blick in Yoongi's Augen machte mich nur noch unwohler. Entschuldigend schüttelte er den Kopf. "S-sie...", seine Stimme glich kaum noch einem Windhauch. Doch anstatt auszureden schüttelte er nur seinen gesenkten Kopf.

Für einen Moment schien die Welt still zu stehen. Für einen Moment blendete ich all die Farben, die neuen Eindrücke, meinen Freund komplett aus.

Ich sah ihr Lächeln. Verblasst. Meine Erinnerungen reichten nicht zu sehr viel aus, doch dann ertonte ihr Lachen. Deutlich hörbar erschien ihre Stimme in meinem Kopf, wie sie mir Mut zusprach, mich ermutigte, mich unterstützte.

Und dann eine andere Stimme. Meine Stimme.

Wie ich sie anbrüllte, ihr vorwarf, mich mit den ständigen Unternehmungen zu quälen, mich in Ruhe zu lassen.

"Ich will nir nur helfen, selbstständig zu werden, verstehe doch bitte-"
"Nein! Du hilfst mir bei garnichts! Ich werde mein Leben alleine sowieso nie auf die Reihe kriegen!"
Sie versuchte, mich mit ihrer Hand auf meinem Oberarm zu beruhigen, doch ich schüttelte diese ab.
"Du willst mich loswerden, habe ich Recht!?"

"Nein", flüsterte ich, wachte dann langsam aus meiner Starre auf. Yoongi sah mich mit großen, ängstlichen doch zugleich traurigen Augen an. "Nein!", wiederholte ich und mein Körper spannte sich an, ich zog meine Hand aus den seinen. "Das ist nicht wahr! Das kann nicht wahr sein!", schrie ich und spürte die ersten Tränen über mein kühles Gesicht fließen.

"Du hast gesagt, alles wird gut! Du hast gesagt, sie wird es schaffen! Du hast gesagt, sie wird hier sein, ich werde sie sehen können! Sie muss hier sein, ich-"
"Jimin, es tut mir Leid, aber sie hat  es nicht geschafft."

Vehement schüttelte ich den Kopf, in der Hoffnung, mein Wille würde irgendwie hindurchdringen, wollte mich selbst vom Gegenteil überzeugen. Yoongi hingegen nickte jedoch nur langsam.

"Das kann nicht sein, nein! Ich konnte mich noch nicht einmal verabschieden!", schluchzte ich hemmungslos und hämmerte mit meinen Fäusten auf seine Brust ein. "Sie hat das alles nicht verdient! Ich wollte mich entschuldigen! Wollte ein besserer Sohn werden- und jetzt ist alles zu spät!" Die Härte meiner Schläge ließ nach und Yoongi blickte nur schweigend zwischen uns auf die Matratze. "Du hast mich angelogen!", schrie ich mit letzter Kraft, ehe ich in Tränen ausbrach und auf das Bett sackte. "Das ist alles nicht wahr...", schluchzte ich und schlug meine Hände vors Gesicht.

Ich spürte seine Hand auf meiner Eeite, doch windete mich unter dieser. "Lass mich", schluchzte ich. "Bitte, ich will dir nur helfen, dir alles erklären-"

"Geh!" Ich drehte mich auf die Seite, von ihm weg, und heulte weiter in meine Hände. Die Matratze war kalt, genauso wie die Decke und mein Zustand. Nur die Hand, welche sich sanft auf meine Hüfte legte, bewahrte mich förmlich vor dem Erfrieren. Er war die Person, welche sich in den letzten Wochen und Monaten zu der sicheren Energiequelle meines Lebens gewandelt hatte. "Es tut mir so Leid. S-soll ich wirklich...?" Noch bevor er seine Frage gestellt hatte, drehte ich mich um und schlang meine Arme um seinen Körper. Mein Gesicht drückte ich in sein Shirt, es roch so verdammt vertraut. Auch wenn mir das meiner Mutter momentan lieber gewesen wäre.

Ohne auch nur zu zögern, ohne mich zu verurteilen, legte auch er seine Arme um meinen bebenden Körper und zog mich näher zu sich, während auch er sich hinlegte. Immer wieder verließen beruhigende Laute seinen Mund und er strich mir sanft über den Rücken, während ich kläglich in sein T-Shirt weinte.

"Ich konnte es dir nicht sagen. Es wäre zu viel für dich gewesen", meinte Yoongi nach einiger Zeit und gab mir einen sanften Kuss auf den Haarschopf. Dann drehte ich meinen Kopf nach oben in seine Richtung und ließ für einen kurzen Moment das Licht, die Farben und Schatten auf mich wirken. Das Bild, welches sich vor mir ergab. Das wunderschöne Bild.

"Heißt das... sie war schon tot? Als ich ihre Hand gehalten habe?" Er sah mich mit treuen Augen an, von welchen ich mich wohl nie satt sehen könnte. "Sie hat es noch gemerkt. Ihr Herzschlag hat es verraten." Mich überkam bei seinen leisen Worten eine Gänsehaut. Noch immer hatte die ganze Situation noch nicht ganz verarbeitet.

Mein Freund hatte noch immer nicht aufgehört, mir über den Rücken zu streichen. "Wir besuchen sie bald, ja? Ich habe gerade einen Anruf bekommen. Die Beerdigung wird in ein paar Tagen sein." Noch immer überfordert mit dem Fakt, dass meine Mutter, meine Mutter tot war, kuschelte ich mich wieder gegen die warme Brust meines Freundes. "Sie hat es schon längst gewusst. Sie wollte mir nur helfen, und ich-"

Yoongi unterbrach mich, indem er meinen Kopf mit Druck gegen sich drückte. "Hör auf, die Vorwürfe zu machen. Wir können nichts mehr ändern und du solltest mit Vorfreude, mit Zielen deinen neuen Weg einschlagen. Als einer der Sehenden."

"Könnte ich mich entscheiden, würde ich sofort für immer auf meine Augen verzichten." Kurz herrschte Stille, die Stimmung wandelte sich langsam von aufgebrauster Wut und Trauer in bedrückte Müdigkeit und Trauer um. "Ich weiß", flüsterte Yoongi und fuhr mir dabei immer wieder durch die Haare.

Seufzend, mit dem andauernden begleiteten Wimmern gab ich mich dem zufrieden und gab dann endlich, eng umschlungen mit meinem festen Freund in dem Krankenhausbett, der mich überkommenden Müdigkeit nach.

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Don't Be Blind | Yoonmin | abgeschl. Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt