9 ›› strong boys don't cry

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Noch immer kauerte ich in dem Türrahmen von einer Tür, von welcher ich keine Ahnung hatte, wohin sie führte.

War genau dies nicht wie eine Metapher für mein Leben? Ich lebe es, ich laufe und laufe, doch im Endeffekt werde ich sowieso im Grab liegen; wie viel ich tatsächlich erreicht hatte, würde dann nicht mehr zählen. Erfolg, Glück und Freude zählte nur für den Moment. Es reichte der Bruchteil einer Sekunde, alle Emotionen, die Situation- die Welt zu ändern.

Warum man es lebte? Weil es irgendeinen Grund gab, der diese Zeit wertvoll machte, doch ivh konnte diesen bei mir einfach nicht finden.

Wie hatte meine Mutter immer gesagt?
"Starke Jungs weinen nicht", wimmerte ich und wischte mir wiederholt mit dem Ärmel über das Gesicht, "starke Jungs weinen doch eigentlich... nicht..." Ich gab auf und streckte meine Beine soweit es ging nach vorne, bis sie an der anderen Seite des Rahmes angelangten. Ich hatte doch eigentlich schon längst aufgehört, ihre Räte zu befolgen, ihre Anforderungen zu erfüllen.

Ich warf meinen Kopf einen Hauch zu schwungvoll nach hinten, sodass er lautstark gegen das Holz knallte, doch unterdrückte weitere Laute und spannte mich an, darauf konzentriert, meinen schwachen Körper zu stoppen die Fassung zu verlieren und jegliche Emotionen aus mir herauszuspülen und schreien zu lassen.
Nurnoch halbstarkes Wimmern kam durch meine zusammengebissenen Zähne, während ein paar übrige Tränen von meinen Wangen bis über meinen Hals liefen.

Ob die Person sich - wenige Sekunden später - darüber im Klaren war, dass ich ihre Schritte bereits hörte, als sie in den Gang einbog, konnte ich wohl gut verneinen. Zuerst presste ich mich mehr gegen die Tür, sodass man mich vielleicht nicht sehen konnte, doch wenn es jemand schon bis hier hin geschafft hatte, war es wohl kaum schwer, mich Häuflein Elend hier auch noch zu entdecken. Das Wissen, dass man meine Schluchzer wohl doch gehört hatte, dass man meine Schwäche genaustens spüren konnte, machte mir zu schaffen. Vielleicht war es aber auch nur der Knall gewesen, welchen mein Kopf bei dem Aufprall verursacht hatte, der die Aufmerksamkeit der Person erregt hatte.

Wie erwartet verstummten die Schritte schräg hinter mir und nurnoch das leise Atmen des Unbekannten und mein schnelles, fast schon keuchendes Hecheln. Trotzdem schwieg ich weiterhin. Wartete darauf, dass die Person irgendetwas sagen würde. Und auch wenn Yoongi der letzte war, den ich gerade hören wollte, war es auch derjenige, welchen ich mir erhoffte. Nicht mein normaler Verstand, nein, der hatte schon länger eine Macke.

Das Schweigen wäre unangenehm für beide Seiten, würde die Person wissen, dass ich ihre Präsenz genaustens bemerkte. So übte die Stille nur ihren unwohlen Beigeschmack auf mich aus.

"Jimin", löste endlich die mir zum Glück so bekannte tiefe Stimm diese und ich ließ erleichtert, doch noch immer ziemlich zittrig die Luft aus, welche sich in meiner Lunge angestaut hatte. Wie schaffte er es, mit nur einem Wort- meinem Namen- meinen nervösen Körper, meine aufgebrachten Gefühle und die verzweifelten Gedanken zu besänftigen? Als würde er sie beiseite schieben, sich hindurchdrängen und sich abblockend davor stellen.

"Geh", hauchte ich, doch nicht einmal alle drei Buchstaben wollten aus meiner heiseren Kehle entkommen, weshalb ich den Versuch, ihn fort zu schicken gleich wieder sein ließ. An sich verspürte ich auch gar nicht mehr den Drang, ihn los zu werden. Es war, als hätte er nicht nur die Dinge, über die ich mir so einen Kopf machte, beiseite gedrängt, sondern sich einfach durch meinen Verstand gebohrt und sich in meinem Kopf festgesetzt.

Mitsamt all seinen Gesten, seinen Worten und dem Klang seines Lachens.

Es würde niemals enden, ich verhielt mich komisch, war anders. Doch er würde kommen, immer wieder, obwohl er doch besseres verdient hätte, besseres mit seiner Besorgnis erreichen könnte.
Ich stand eindeutig zu viel mit diesem jungen Mann in Kontakt.

Don't Be Blind | Yoonmin | abgeschl. Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt