2017

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Es ist dunkel. Dünne Lichtstrahlen wagen sich durchs Fenster, gerade so viele, dass man sehen konnte.

Franziska stand neben einem großen Regal, vor der eingetretenen Tür. Ihr Blick wanderte durch den Raum. Sie brauchte etwas, bis sich ihre Augen an das schlechte Licht gewöhnten.

Sarah sah sich kurz um. Es schien, als hätte sie überhaupt keine Probleme mit dem dämmrigen Licht.

Zielstrebich ging sie zu dem Stein, der auf dem Boden lag. Eine dicke Staubschicht befand sich im ganzen Raum. Die alte Steinfliese, auf der der kleine Fels lag, war zerschlagen. Die Sprünge zogen sich wie ein Muster über die Fliese.

Franziska stand nach wie vor an Ort und Stelle. Kein Muskel schien sich zu bewegen.

Als Sarah laut aufstöhnte fiel Franzis Blick auf sie. In der Hocke hatte die 21-Jährige den Brocken aufgehoben um ihn besser inspizieren zu können. Sie betrachtete das Gestein genaustens. Da sie nichts fand, ließ sie den Stein wieder aus ihren Händen gleiten.

„Was suchts du da?"

Franziska hatte sich zu ihr gewandt. Sichtlich verwundert sah sie auf ihre Freundin herab.

„Ich dachte...", setzte die junge Frau an. „Nun, vielleicht hat jemand einen Zettel daran geheftet oder so."

„Einen Zettel?"

Ungläubig ging jetzt auch Franziska in die Hocke.

„Ja, einen Zettel. Du weißt schon, wenn jemand aus Hass einen Stein durchs Fenster wirft, heftet der dann einen Zettel dran oder so, oder etwa nicht?"

Franzi nickte nachdenklich. „Okay, ja kann schon sein. Ich werfe halt für gewöhnlich keine Steine durch Fenster, jetzt weiß ich das nicht."

„Ja, aber ich?! Es war halt so eine Idee", erklärte sich Sarah kleinlaut.

Räuspernd stand die 22-Jährige auf. „Schon in Ordnung. Du hast ja nichts angestellt."

Die jungen Frauen sahen sich noch eine Weile in dem Raum um. Sarah stand vor einem quadratischen Holztisch, die Ecken waren abgerundet. Das Holz war dunkel und machte einen massiven Eindruck. An den zwei Seiten, nahe der Wand war die Tischplatte wie unberührt. Trotz des Staubes wusste Sarah das sich an diesen Seiten kein einziger Kratzer finden ließ. Aber an der gegenüberliegenden Seite, die an der die junge Frau stand war am Rand ganz zerkratzt. Die massive Platte schien an dieser Stelle ganz zerbrechlich und Sarah hatte das Gefühl, den Tisch hier einfach durchschlagen zu können.

Auf dem Tisch lag ein Stuhlbein. Ja, ein Stuhlbein! Das Bein war aus demselben dunklen Holz wie der Tisch.

Sarah trat einen Schritt näher. Sie erschrak. Ihre Fußspitze hatte etwas verschoben. Verblüfft sah sie zu Boden. Dort unten lag die Lehne des Stuhls.

Franziska betrachtete in der Zwischenzeit ein weiteres Regal. Wenn man in das alte Haus eintrat, begrüßte einem dieses Regal gleich. Es stand nicht viel darin. Vereinzelte Bücher und ein silberner Kerzenhalter. Aber diesen Dingen schenkte die 22-Jährige nicht viel Beachtung. Es war eine kleine Glaskugel die ihren Blick fesselte. Dies musste eine der ersten Schneekugeln überhaupt sein. Die Schneeflocken waren noch aus Glassplittern und derartige wurden nur bis 1950 produziert. Ab da wurde der Schnee aus Kunststoff hergestellt. Die Figuren die die Schneekugel zeigte, waren erstaunlich genau ausgearbeitet. Es waren eine Frau in einem roten Mantel und ein Mann die sich umarmten und nach oben blickten. Was sie da wohl sahen?

„Oh Gott!"

Franziska war zusammengezuckt und hielt die Hände schützend vor ihren Körper.

„Hast du mich erschreckt."

Ihr Blick war so auf die Kugel fixiert gewesen, dass sei gar nicht merkte als Sarah neben sie trat. Sie stand ganz dicht vor dem Regal. Ihr Gesicht so nah an der Schneekugel, dass sie ihre Freundin erst sah, als sich diese auch auf die Ebene der Kugel begab.

„Was kann ich dafür, wenn du das Ding so anstarrst das du mich nicht mehr bemerkst?"

Franzi lächelte einfach. Sie bückte sich wieder zur Glaskugel hinab.

„Sieh dir das an. Wie präzise sie sind. Man kann ihre Gesichter schon fast strahlen sehen."

Sarah sah ihre Freundin prüfend an. Ihre Augen strahlten und sie lächelte, wenn sie von der Kugel sprach, aber nicht nur mit ihrem Mund, es war, als würde ihr Herz lächeln. Sie hatte schon recht, die Schneekugel war umwerfend. Die feinen Glassplitter die in dem dämmrigen Licht glitzern, die perfekt ausgearbeiteten Figuren und die Stimmung die diese Figuren verbreiteten, waren bezaubernd, aber Franziska war wie benommen von dem Ding.

„Du hast recht", gab Sarah zu. „Sie ist wunderschön, aber trotzdem sollten wir weitersuchen."

Sie biss sich auf die Lippen und ließ ihren Blick durch das Zimmer schweifen. Der versteifte sich als sie etwas unter der Bank liegen sah. Schnell durchquerte sie den Raum und war schon unter dem Tisch.

Franziska beachtete sie nicht. Ihre Aufmerksamkeit galt noch immer der Kugel. Sie war wie verzaubert von dem glücklichen Paar. Auch wenn sie wusste das Sarah recht hatte und sie keine Zeit verschwenden sollte, konnte sie nicht von dem kleinem Ding ablassen.

Die 21-Jährige krabbelte unter dem Tisch hervor. Jetzt war nicht nur der Raum voller Staub, sondern auch ihre Kleidung, aber das interessierte sie wenig. Vor dem Tisch setzte sie sich in den Staub.

Sarah Pfiff einmal. Das ließ Franzis Aufmerksamkeit auf sie schwenken.

Verwundert über die Tatsache das Sarah ein dünnes Buch in der Hand hielt und voller Staub war ging die 22-Jährige nun auch durch das Zimmer.

Trotz des sorgfältigen darüberstreichen, blieb etwas Staub zurück. Zu Sarahs Überraschung zierte kein Titel das Buch.

Franziska ließ sich neben Sarah auf den Boden plumpsen. Ihr war es genauso Gleichgültig, wenn ihre Hose staubig wurde, nur um ihre Lederjacke sorgte sie sich einen Augenblick.

„Was steht da?"

Sarah hatte das Buch aufgeschlagen und zu lesen begonnen.

„Irgendetwas von einem Kloster."

„Einem Kloster?! Also wieder nutzlos!"

Enttäuscht stand Franziska auf. Sie dachte tatsächlich, dass das Buch weiterhelfen würde. Genervt klopfte sie den Staub von ihrer Hose. Kein guter Tag um so dunkel angezogen zu sein.

„Warte! Unser Eisprinz war eine Zeit auf diesem Kloster."

„Was?!"

„Ja! Keine Ahnung was er da machte, das steht hier nicht, aber er lebte 3 Monate dort. Ich bezweifle aber das er sich als Mönch versuchte."

„Wo ist dieses Kloster?"

Sarah las ein Stück weiter. Ihrer Augenbrauen verengten sich, sie schien sehr kritisch.

„In unsere Nachbargemeinde. Kennst du da irgendwo ein Kloster?"

Franzis Augenbrauen schossen in die Höhe.

„Da?! Nö, keine Ahnung! Aber irgendwelche Unterlagen werden die da schon haben um darüber etwas in Erfahrung zu bringen."

Sarah stand auf.

„Dann sind wir hier fertig", entschied sie.

Eilig verließen die Frauen das Gebäude. Draußen klopften sie so gut es ging den vielen Staub ab und stiegen ins kühle Auto.

der EisprinzWhere stories live. Discover now