2017

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Eilig ladet Franziska die Bücher auf die Rückbank ihres Fahrzeuges. Schwungvoll warf sie die Tür zu und klemmte sich hinters Steuer.

Sie drehte den Zündschlüssel um und sah erwartungsvoll zu Sarah, die geduldig da saß.

„Erklär", forderte Franzi ihre Freundin auf als diese nichts sagte.

Umständlich Parkte Franziska das Auto aus und fuhr auf die Bundesstraße auf.

„Es ist doch ganz einfach. Wir wissen nicht ob sich die Adresse des Gebäudes tatsächlich geändert hat und da ich wirklich überhaupt keine Lust habe, dieses Monstrum von Buch nach einer Adresse zu durchsuchen die womöglich gar nicht darin steht, habe ich einfach die Adresse in Google Earth eingegeben und mir mal das Gebäude angesehen. Könnte leicht aus dieser Zeit stammen! Leicht verfallen und vielleicht etwas Einsturzgefährdet, aber es steht."

„Wow, gut mitgedacht! Ich hätte das Monstrum durchsucht. Das sich die Adresse in all der Zeit aber nicht geändert hat, wundert mich aber schon."

„Das Haus steht irgendwo im nirgendwo, da wird es bei Adressenänderungen einfach ignoriert worden sein."

„Gut das ich dich habe, ich hätte verzweifelt nach etwas gesucht das nicht zu finden ist."

Sarah grinste geehrt. „Gut das ich auch zu was nütz bin."

Kopfschüttelnd lachte Franziska.

„In 500 Meter rechts abbiegen", meldete sich Sarahs Handy. „Rechts abbiegen", wiederholte es kurze Zeit später.

„Zu Befehl!", antwortete Franziska wie ein Soldat und drehte das Lenkrad.

„Mensch Franzi! Das war LINKS."

„Oh Mist! Diese scheiß Rechts-Links Schwäche", fluchte die 22-Jährige.

„Bitte wenden", mischte sich die Computerstimme ein.

Verzweifelt suchte Franziska nach einer passenden Möglichkeit um umzudrehen. Sarah musste aufpassen nicht mit dem Kopf am Armaturenbrett aufzuschlagen, weil sie so viel lachen musste über Franzis dummen Fehler. Kindergartenkinder wissen wo rechts und links ist, aber Franziska hatte mit 22 Jahren noch Probleme damit.

Franziska musste auch zum Lachen anfangen: „So geschickt musst du auch einmal sein das dir das passiert!"

„Stimmt!" Sarah grinste breit. „Das grenzt schon an Talent. Nicht jeder wäre nach links gefahren, wenn er eindeutig nach rechts muss."

„Ja, lass mich in Ruhe dumm sein! Ich bin halt nicht die intelligenteste", maulte Franziska.

Endlich hat sie eine passende Stelle gefunden wo sie umdrehen konnte. Schwungvoll schlug Franzi ein, fuhr rückwährts in eine Nebenstraße und raste auf die Kreuzung zurück wo sie zuvor die Falsche Richtung wählte.

Weit und breit war niemand zu erkennen. Sie fuhren auf einer kaum befahrenen Straße und so weit von dem Stadtkern entfernt ging niemand mehr zu Fuß.

„Wehe du fährst jetzt nicht gerade aus!", lachte Sarah.

„Hey! Gerade aus versteh ich dann hoffentlich auch noch," verteidigte sich Franzi grinsend. „So bescheuert bin nicht mal ich, dass ich noch mal in die falsche Richtung fahre!" Die 22-Jährige verzog das Gesicht. Leise fügte sie hinzu: „Hoffe ich zumindest."

Die beiden Frauen fuhren eine Weile, dann verließen sie die letzten Häuserketten.

Das Auto rollte auf alten Straßen deren Asphalt schon hellgrau geworden ist dahin. Teile der Straße sind sehr uneben und von Rissen gezeugt.

„Wow", murmelte Sarah. Ihr Blick führte durch das Fenster auf die öde Landschaft. „Mir war klar das die Gebiete außerhalb der Städte, die niemand bewässerte, ausgetrocknet sind, die Pflanzen schon lange verdorben. Aber das hier ist schrecklich. So viel Land, das einst einmal grün und Fruchtbar war. Einfach schrecklich."

„Wir sind hier in der Einöde. Hier ist die Hitze noch um einiges unerträglicher. Die Pflanzen- und Tierwelt hatte keine Chance", antwortete Franziska ohne auch nur von der Straße aufzusehen. Sie wusste wie es außerhalb der Städte aussah, dennoch war sie nicht gerne hier.

Die gute Stimmung war tot. Die beiden Frauen waren einfach Betrübt, Sarah noch etwas mehr als Franziska.

„Ich habe wie du beim Bäcker drinnen warst, alle Kühlpags die ich im Auto und in meinen Taschen hatte zusammengesucht. Wenn wir aussteigen, aktivieren wir welche und schieben sie an Rücken und Brust, zwischen Kleidung und Haut."

Zögernd nickte Sarah.

„Aber unsere Klamotten kühlen doch. Die Pags sind doch nur da, wenn die Klamotten aus irgendeinem eigenartigen Grund ausfallen sollten, dass wir uns kühlen können."

„Die Klamotten sind aber nicht für Orte wie diese gemacht. Unsere Kleidung ist für die Stadt gemacht, wo alles so gut es geht gekühlt wird, von Häuserfassarden bis Straßenlaternen. Hier ist aber nichts gekühlt. Sobald wir das Auto verlassen, setzen wir uns einem verdammten Risiko aus!"

Schwerfällig schluckte Sarah. „Rosige Aussichten."

Nach einer Weile ruhiger Autofahrt konnte man in der Ferne ein Hüttenartiges Gebilde erkennen. Anfangs merkte es die 22-Jährige hinterm Steuer nicht, aber als ihre beste Freundin fragte ob das ihr Ziel sei, erkannte Franziska auch die Umrisse des Hauses. Sprungweiße nahm sie den Blick von der Straße um das Gebäude besser zu sehen. Plötzlich verbarg eine Staubwolke das Ziel der Beiden. Der Feine Sand, der in vergangenen Zeiten tatsächlich einmal Erde war, wurde von dem Wind verweht. Es war ganz deutlich zu sehen wie die Staubpartikelartigen Erdkörner von einer Brise herumgetragen wurden.

"Tja, wir sind anscheinend gleich da, aber sehen kann ich jetzt nichts," stellte Franziska genervt fest.

Ohne ein Wort zu sagen sah Sarah auf die Kühlpags, die auf der Rückbank lagen. Die silberglänzenden Päckchen funkelten im Sonnenlicht. Vorsichtig griff sie nach einem und zog es nach vorne. Gespannt inspizierte sie das quadratische Ding in ihrer Hand. Die dicke, silberglänzende Folie, aus der das Pag gemacht worden ist, ist makellos glatt. Sie hatte etwas von eiskaltem Stahl. Auf einer Seite des Päckchen war exakt in der Mitte ein Kreis. Hier ging das Kühlpag etwas nach innen.

"Aktiviere es bitte noch nicht, wir werden sie gleich brauchen," warnte Franziska. Doch es war schon zu spät. Sarah hat ausversehen mit ihrem Daumen in die kleine Einbuchtung gedrückt.

Das silberne Etwas begann leicht zu Rauchen und zu zischen. Erschrocken lies die 21-Jährige das Pag fallen. Sofort wurde es kühler im Auto.

„Okay, cool!" murrte Franziska leicht genervt aber mit einem Lächeln. „Leg es dir in den Nacken, da wirst du die Kälte gut gebrauchen können."

der EisprinzWhere stories live. Discover now