Kapitel 3

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Richard

Ich stand bei einer Kreuzung und wartete auf Michael und Laura. Meine beiden besten Freunde. Jedenfalls bezeichneten sie mich so. Ich war mir nicht sicher, ob ich sie als meine besten Freunde bezeichnen würde, aber da sie die beiden Personen waren, mit denen ich am meisten Zeit verbrachte, schien es mehr oder weniger akkurat zu sein.

Ich bin Richard. Richard Contez. Ich bin 14 Jahre alt und lebe mit meinen Adoptiveltern in Washington DC. Ich bin 1.68m gross und habe dunkle, lockige Haare, die leicht silbrig schimmern, was ich etwas seltsam finde, da es natürlich zu sein scheint, ich aber noch nie von einer silberhaarigen Person gehört habe. Wie dem auch sei, weiter zur Geschichte.

Michael und Laura bogen um die Strassenecke und kamen auf mich zu. "Hey, wie geht's?", fragte ich. "Gut, nur noch diesen Tag und dann Ferien. Zeit, mich ein bisschen von all diesen Leuten zu erholen.", antwortete Michael. "Kann ich gut verstehen.", sagte ich. Ich war genau wie er, kein grosser Fan von Menschenmassen, aber aus anderen Gründen. "Mir geht es auch gut. Ausserdem, Mum lässt ihre Grüsse ausrichten.", schloss Laura sich der Unterhaltung an. "Danke, richte ihr meine Grüsse aus.", sagte ich und wir liefen weiter zur Schule. "Hast du während den Ferien etwas bestimmtes mit Jim und Jenny vor?", fragte Laura mich. "Nein, sie haben nicht wirklich etwas geplant. Ausserdem haben sie nicht gleichzeitig Ferien und Jim ist während seiner Arbeitszeit meistens nicht in der Nähe.", sagte ich. Jim und Jenny waren meine Adoptiveltern. Jenny arbeitete in einem Krankenhaus in Washington, während Jim Gefängniswärter am anderen Ende des Landes war. Im San Quentin State Prison, um genau zu sein. "Und ich selbst, keine Ahnung. Vielleicht werde ich etwas unterwegs sein, etwas unternehmen oder so. Über die Sommerferien fände ein Termin zum Fallschirmspringen statt, aber dieser ist ausgefallen. Ich habe mir überlegt, ein bisschen in den Süden zu gehen, vielleicht werdet ihr irgendwo hingehen und mich dort treffen. Wer weiss.", sagte ich.

Laura nickte. Meine seltsame Wortwahl verwunderte sie mittlerweile nicht mehr wirklich. Ich machte, was ich wollte und häufig war es eher spontan. Ich war erst seit drei Jahren adoptiert und liess mir von Jim und Jenny nicht wirklich etwas sagen. Ich lebte bei ihnen, aber das war es eigentlich schon. Ich war sehr selbstständig. Manchmal verschwand ich einfach für einige Tage, ohne es im voraus zu sagen und kam dann zurück, ohne eine grosse Sache daraus zu machen. Jim und Jenny waren sich bewusst, dass es mit meiner Zeit, bevor ich zu ihnen kam, zu tun hatte und sie akzeptierten es. Ich hatte... einige abenteuerliche und eventuell selbstmörderische Jahre hinter mir und sie hatten mich ziemlich geprägt. Ich liess mir deshalb kaum etwas von Jemandem sagen und machte mein eigenes Ding. Ich war bereits mehrmals plötzlich dort aufgetaucht, wo sich Michael und Laura befunden hatten, aber das störte sie nicht unbedingt. "Du wirst vermutlich üben, stimmts?", fragte ich und sie nickte. "Ich hoffe nur, dass er diesmal nicht wieder ausfällt." "War ich letztes Jahr denn ein so schlechter Ersatz?", fragte ich sie mit einem Seitenblick. Sie schnaubte und schlug mir leicht gegen die Schulter. "Natürlich nicht, aber ich will nur ungern noch einmal die ganze Sache wiederholen."

Wir kamen bei der Schule an und sahen einige Schüler aus unserer Klasse. Einer davon stach mir ins Auge. Und zwar war es Nico Di Angelo, gleich alt wie wir und vermutlich italienischer Abstammung. Er hatte ein schwarzes Schwert umhängen. Zwar wirkte er häufig etwas paranoid, aber selbst dies schien etwas übertrieben für ihn. Die anderen Schüler ignorierten es, aber ich steckte meine Hand in meine Hosentasche, wo sich mein Klappmesser befand. Ich war nicht wirklich nervös, lediglich vorsichtig, aber ein Schüler mit einem Schwert in der Schule gefiel mir überhaupt nicht. Ich hatte bisher nie viel mit ihm zu tun gehabt, aber er erinnerte mich ein wenig an mich. Er war eher von der stillen Sorte und bevorzugte es, sich im Hintergrund zu halten.

Laura und Michael hatten ihn ebenfalls bemerkt. "Interessantes Schwert.", bemerkte Laura und betrachtete es prüfend. "Etwas seltsam, findet ihr nicht auch?", fragte Michael und ich nickte. Wir gingen an ihm vorbei, um ins Schulgebäude zu gehen. "Hi, Nico. Schönes Schwert hast du da.", sagte Laura und Nico drehte sich zu uns um. "Danke.", sagte er und drehte sich wieder von uns weg. Michael sah etwas verwirrt zurück zu Nico, zuckte dann mit den Schultern und ging mit Laura und mir hinein.

Während dem Morgenunterricht passierte nichts grossartiges. Wir bekamen die letzten Noten des Schuljahres und unsere Zeugnisse. In den Fächern hatte ich kaum Probleme, ich hatte das wichtigste bereits sehr gut gelernt und kannte mich damit aus. Während der Mittagspause ging ich, nachdem ich meine Mahlzeit beendet hatte, auf die Toilette. Ich ging in die eine Kabinentür und verschloss sie hinter mir. Als ich wieder fertig war und gehen wollte, begannen meine Narben an meinem rechten Bein etwas zu Schmerzen. Ich kratzte sie, bis die Schmerzen nachliessen. Die Schmerzen kamen nicht häufig und laut Jenny waren es lediglich Phantomschmerzen, also Schmerzen, die gar nicht existierten, aber das Kratzen half trotzdem. Beide Beine waren mit zahlreichen Narben dekoriert, doch ich hatte so gut wie Niemandem erzählt, wieso ich sie hatte. Weder Jim und Jenny, noch Michael und Laura. Naja, Jim und Jenny wussten ein wenig, aber ich hatte ihnen nie die gesamte Geschichte erzählt.

Die Tür ging auf und jemand Anderes kam herein. Der Wasserhahn wurde angelassen und dann hörte ich eine Münze klirren und eine Stimme sagte: "Oh Iris, Göttin des Regenbogens, nimm mein Opfer an." Das war Nicos Stimme. Ich war auf der Stelle hellhörig. Was sagte er da? Dann fuhr er fort. "Zeig mir Chiron in Camp-Halfblood." Ich zog mein Klappmesser aus der Hosentasche und legte es auf mein Knie. Für viele Leute vermutlich eine Überreaktion, für mich was es eine beinahe routinemässige Vorsichtsmassnahme. Dann hörte ich eine unbekannte Stimme. "Hallo Nico. Was gibt's?" Woher kam jetzt diese Stimme? "Ich habe ein kleines Problem. Ich habe drei Halbblute in meiner Klasse. Zwei Geschwister und ein Freund von ihnen. Ich war mir ziemlich lange unsicher, denn sie sind keine Problemkinder. Sie sind ziemlich normal. Und ihre Aura fühlt sich anders an. Aber jetzt bin ich mir hundertprozentig sicher. Ich bin mir ausserdem fast hundertprozentig sicher, dass ein Monster in der Nähe ist. Was soll ich tun?" Ich hatte keinen blassen Schimmer, was dieses Geschwafel bedeutete, aber den Inhalt, den ich verstehen konnte, gefiel mir überhaupt nicht. Nico redete definitiv von Michael, Laura und mir. Die unbekannte Stimme antwortete: "Halte die Augen offen. Ich schicke ein Abholteam um euch ins Camp zu bringen." "Aber ich könnte sie jetzt sofort ins Camp bringen.", protestierte Nico. "Diese Methode wäre aber ziemlich undiplomatisch. Denke nur an ihre Reaktion." "Na gut Chiron.", murmelte Nico, stellte den Wasserhahn ab und verliess die Toilette.

Ich war für einen Moment wie erstarrt. Dann stand ich auf und ging aus der Kabine heraus. Ich ging zurück zur Kantine, um zu Michael und Laura zu gelangen. Sie sassen noch am Tisch und Nico war nirgendwo zu sehen, aber ich würde die Augen nach ihm offen halten. Stattdessen stand Paul am Tisch neben Michael und blickte hämisch auf ihn herab. "Verpiss dich.", sagte ich, packte ihn an der Schulter und warf ihn zur Seite. Paul landete mit einem lauten Knall auf dem Boden und stöhnte vor Schmerzen auf. "Eines Tages bist du dran, Richard.", zischte er, als er aufstand und seine schmerzende Schulter hielt. "Man plant einen Mord nie laut, du Idiot.", erwiderte ich. "Besonders nicht vor seinem 'Opfer'." Paul grunzte und verschwand. Er war mir egal, genauso wie alle anderen Schüler, die ab und zu Probleme machten. Nico war es momentan, der mir mehr Sorgen bereitete. Wenn ich ihn irgendwo allein sehen würde, würde ich ihn zur Rede stellen.


Geschrieben am 27.06.18

Überarbeitet am 18.03.20

Die Heroen des Feindes: Eine Percy Jackson Fan-Fiction (alte Version)Where stories live. Discover now