Kapitel 39

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Immer wieder nickt Diliyan ein. Ich kann das mir länger nicht mehr anschauen.

„Lass mich fahren.", sagte ich und schnallte mich ab. Es ist mir egal, was er jetzt sagt, ich werde fahren.

„Schnall dich wieder an.", meinte er mit einem festen Ton, doch davon lasse ich mich nicht abschrecken.

Angespannt beiß ich mir auf die Lippe. „Willst du ein Unfall bauen? Los halt an, du kannst dich dann solange ausruhen.", murrte ich. Er seufzt auf, da er weiß, dass ich nicht nachgeben werde. Es geht um meine Familie, ich muss so schnell wie möglich zu ihnen!

Er fährt rechts ran und hält anschließend an. Schnell wechseln wir die Plätze. Nun sitze ich auf dem Fahrersitz, sichtlich nervös. Meine Hände zittern und schwitzen, Panik steigt in mir.

Ich kann Auto fahren, aber wenn ich in einer Drucksituation bin, kann ich nicht mehr vernünftig denken.

Fassend schüttel ich mein Kopf und will los starten, da hält Diliyan mich an der Hand fest. Seine Berührung kam so plötzlich, dass ich erschrocken aufkeuchte und zu ihm sah.

Seine grauen Augen schimmerten in der Dämmerung, sie hypnotisieren mich. Immer und immer wieder.

Ich schluckte schwer und blinzelte mehrmals hintereinander.

„Ist alles Okey?", fragte er fürsorglich nach. Mit leicht offenem Mund schaue ich ihn an. Verdammt, sieht er umwerfend aus. Wieso habe ich das plötzliche Bedürfnis ihn zu küssen?

Erneut schüttel ich mein Kopf und schaue auf die Straße. Es ist keine Zeit zum Bewundern. Ohne ihm zu antworten, startete ich den Motor und gab Vollgas.

Auf jegliche Aufforderungen von Diliyan, wie dass ich mich anschnallen und langsamer fahren sollte, ging ich nicht ein. Gerade will ich nichts sehnlicher, als dass ich meine Eltern und Bilal umarmen kann. Mit der Gewissheit, es geht ihnen gut.

Wie eine Irre fahre ich durch meine vertraute Stadt. Mit noch erhöhterem Herzschlag fahre ich an meine damalige Schule vorbei. In weniger als fünf Minuten treffe ich auf mein Elternhaus ein!

Von weitem sehe ich mein Zuhause. In mir kribbelt alles, wie lange war ich denn nicht mehr hier?

Es waren nur zwei Monate, die sich angefühlt haben, als seien sie Jahre gewesen. Alte Erinnerung spielen sich in meinem inneren Auge ab, ich muss die Tränen runterschlucken.

Nun sehe ich Bilal. Er sitzt im Vorgarten unseres Hauses und grinst als er uns reinfahren sieht. Wieso grinst er? Jetzt verstehe ich gar nichts mehr.

Ich halte an und steige sofort aus dem Auto, Diliyan tut es mir nach. Eilig renne ich auf Bilal zu, direkt werde ich in eine innige Umarmung gezogen. Ich kann meine Tränen nicht mehr zurück halten und lasse sie fließen.

Er löst sich leicht von mir, damit er mir ins Gesicht schauen kann. Sein Blick wirkt überrascht, als er meine Tränen sieht. Mit seinem Daumen streicht er diese vorsichtig weg.

„Was ist passiert? Geht es Mama und Babo gut? Sag mir bitte, jetzt was-", er unterbricht mich, indem er seinen Finger auf meine Lippe legt.

Ich höre Schritte, es sind Diliyans. Seine Schritte kann ich nicht mehr wahrnehmen, da ich mein Herz bis zu meinem Kopf hören kann. Es pocht so schnell, ich könnte jeder Zeit umfallen vor Sorge.

„Alles ist gut, Nora.", fing er an. Mein Blick wird zunehmend verwirrter. „Es ist nichts passiert. Ich wollte nur, dass du vorbei kommst.", er schaut mich lächelnd an.

Ich bin wie erstarrt, verstummt. Ich gucke gerade aus in seine hellbraunen Augen und verstehe nicht was er sagt. Langsam erwache ich von meiner Starre und schüttel unglaubwürdig mein Kopf. Wie als er mir gerade das schrecklichste der Welt gerade erzählt hätte, fing ich an zu weinen. Aber es waren eine Art Freudetränen und Schocktränen.

CHANCEWhere stories live. Discover now