Kapitel 22

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„Ich hasse diese Schuhe. Wieso habe ich sie gekauft?"

Giftig starrte Cassia die braunen Stiefeletten an, die nicht mehr in ihre große Tragetasche passen wollten, und ich zuckte ahnungslos mit den Schultern. „Gefallen sie vielleicht Avna? Ihr fehlt genug Modebewusstsein, um diese Schuhe so zu lieben, wie sie es verdient haben."

Beim Anblick von Cassia, die am Boden meines Zimmers saß und versuchte, ihr gesamtes Kleidungssortiment mit mir zu besprechen, schlich sich ein Grinsen auf mein Gesicht. Es war nicht schwer sich davon zu überzeugen lassen, dass sie voller Vorfreude auf ihr Zuhause war.

Es war inzwischen kurz vor siebzehn Uhr und der aufziehende Gewittersturm beeinflusste nicht nur Arden. Wie ein böses Omen hatten sich die schwarzen Wolken über der Akademie zugezogen, bis kaum noch Licht durch sie hindurchdrang. Selbst die Wipfel der kräftigsten Bäume beugten sich dem Druck des Sturms. Bis zu Cassia Rückkehr hatte ich melancholisch auf mein Handy gestarrt und darauf gewartet, dass Arden ein Lebenszeichen von sich gab.

Meine Erlösung war in Cassias Gestalt gekommen; mit viel Tamtam, einer ledernen Tragetasche und einem riesigen Trolley. Prompt hatte sie begonnen, mich mit Geschichten von der Gemeinschaft und ihren Freunden zu überschütten, und langsam war das letzte Unwohlsein verflogen, das mich bei dem Gedanken an ihr vermeintliches Opfer befiel.

„Wenn du sie wirklich nicht mitnehmen willst, kannst du sie hierlassen", schlug ich diplomatisch vor, „Und wenn du es dir anders überlegst, dann kannst du sie holen – oder ich bringe sie dir."

Sie warf ihre silberblonden Strähnen in einer fließenden Bewegung hinter die Schultern. „Mach mit ihnen was du willst, ich will sie nie wieder sehen."

„Was ist damit?", fragte ich, auf ein dunkelgrünes Samtkleid deutend, das unter ihrer Tragetasche eingequetscht war.

Ihre grasgrünen Augen weiteten sich. „Oh, gut, dass du es gesehen hast! Das will ich nicht vergessen."

Ich hatte gesprochen, bevor ich nachgedacht hatte. Wenn Cassia erst in der Gemeinschaft angekommen war und als Stellvertreterin fungierte, würde sie keine Gelegenheit bekommen, ohne Auftrag auszureisen. Vor ihrem Studium hatte Cassia wohl noch nie einen Fuß aus ihrem wohlbehüteten Umfeld gewagt; die meisten Sukkuben aus der Gemeinschaft starben, ohne jemals in der Außenwelt gewesen zu sein.

„Panriel wird lachen, wenn ich ihr erzähle, was ich hier lernen musste. Ich kann dir eines versprechen: Die Prüfungen werde ich auf keinen Fall vermissen."

Kopfschüttelnd warf ich ihr ein Paar spitzenbesetzter Strümpfe zu, das sie übersehen hatte. „Trotzdem würde mich das nicht dazu bringen, zurück in die Gemeinschaft zu gehen."

Cassia ging nicht auf meinen Kommentar ein, sondern stopfte das letzte Kleid mit purer Muskelkraft in die Tragetasche, bevor sie dazu überging den Trolley zu beladen.

„Ich freue mich schon auf die Feiern und auf faule Vormittage im Bett, ohne an Kurse denken zu müssen", zählte sie verträumt die Vorteile auf, die sie in der Gemeinschaft erwarteten.

„Mit den faulen Vormittagen wird es vorbei sein", erinnerte ich sie spöttisch. „Du bist erwachsen, also musst du dich nützlich machen. Wahrscheinlich wirst du den Gärtnern zugeteilt, wäre das nicht lustig?"

Entsetzt blickte Cassia von ihrem Koffer auf, bevor ihr Blick zu ihren langen Fingernägeln abglitt. „In die Gärten bekommen sie mich nicht! Da arbeite ich noch lieber in der Küche – aber am liebsten würde ich in der Schule arbeiten."

Überrascht blinzelte ich sie an. Ich hatte Cassia nicht für den Typ gehalten, der seine Tage gerne in Klassenzimmern voller Pubertierender fristen würde.

Die Akademie der Lichtalben - Band IWhere stories live. Discover now