Andersherum

108 3 0
                                    

Cameron

"Julianne, ist ein angereiztes Mädchen", sagte Eleonora und ich umklammerte das Lenkrad fester.

"Es heißt gereizt, El", erwiderte ich und konzentrierte mich auf die Straße. Julianne fuhr ziemlich zügig vor mir. Vielleicht sollte ich sie anrufen...

"Ist doch egal. Sie ist auf jeden Fall eine Zicke", führte sie weiter aus und ich warf ihr einen scharfen Seitenblick zu.

"Ich rede nicht mit dir darüber", knurrte ich. Um ehrlich zu sein, wollte ich gar nicht mit ihr reden.

"Ach, Cam", lachte sie und machte dabei eine ausladende Geste mit ihrer manikürten Hand. "Du bist so lustig."

Ich presste die Lippen aufeinander und haute den nächsten Gang ein wenig zu kraftvoll rein. Sie war meine Schwester, ich durfte nicht ausfällig werden. Aber momentan brachte sie mich an den Rand meiner Geduld. Jules würde jetzt wissend zu mir aufblicken und ihre Hände in die Hüften stemmen.

Ich bretterte auf den Parkplatz der Schule und fuhr dabei fast zwei Mädchen und den Hausmeister um. Kann passieren. Eleonora kreischte überrascht auf und ein zufriedenes Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus. Dafür würde ich in die Hölle kommen.

Ich stieg aus und schulterte im Gehen meinen Rucksack. Auf halber Strecke kam Brody auf mich zu und ich verlangsamte meine Schritte. Er sah so, so glücklich aus. Widerlich.

"Cam!", rief meine Schwester und ich seufzte. Ich hatte die Wahl: Brody oder El. Da fiel mir die Wahl plötzlich gar nicht mehr so schwer.

"Bis nachher, Schwesterherz!", rief ich, hob die Hand und beschleunigte meine Schritte. Am liebsten hätte ich mit Julianne darüber gesprochen. Sie hatte schließlich von Anfang an Probleme mit Eleonora gehabt. Aber ich war zu stolz um jetzt zuzugeben, dass etwas an ihr komisch war.

"Hey, Mann. Was soll denn das lange Gesicht", fragte Brody mich und ich verdrehte die Augen.

"Halt einfach die Fresse, dann polier ich sie dir nicht", erwiderte ich kalt und der Hornochse begann zu lachen. Ich zeigte ihm den Finger. Brody schaute sich um und runzelte dann die Stirn.

"Wo ist denn deine Herzdame?" Ich hatte ihn so viel lieber gehabt, als er den halben Tag bekifft vor sich hin gegrinst und nichts gecheckt hatte. Doch seit er mit Maggie zusammen war, hatte er mit den Drogen aufgehört und nutzte den Rest seines Gehirns um mich in den Wahnsinn zu treiben.

"Ihre Mum hat ihr das Auto gegeben", antwortete ich ihm und überspielte meine Wut auf Rachel. Da kackte sie sich jeden Tag in die Hosen, wenn ich fuhr und verbot es Jules sogar ganz, aber wenn sie merkte, dass wir Streit hatten, spielte sie die Tolerante.

"Tatsächlich? Das ist jetzt irgendwie ein Schock für mich", meinte Brody und ich ignorierte ihn einfach. "Und für dich ist es auch ziemlich bescheiden. Ich meine, jetzt muss sie nicht mehr so tun, als ob sie dich mag, weil sie nicht den Schulbus nehmen möchte." Er lachte über seinen eigenen dummen Witz und ich stieß ihn weg. Sein Lachen wurde lauter. Meine Wut wurde größer. Sein Fehler.

Wir kamen an den Schließfächern vorbei und ich sah Jules, wie sie gerade ihres zu schlug. Da hatte wohl noch jemand aufgestaute Energie in sich. Brody war dies anscheinend auch aufgefallen, denn er schaute ihr skeptisch nach und grinste dann dämlich.

"Was läuft denn da?", fragte er und ich zuckte mit den Schultern. Auf dieses Gespräch hatte ich wirklich keine Lust. "Komm, lass das scheiß Schulterzucken und kotz dich aus. Sonst hältst du deine hässliche Klappe ja auch nie." Einatmen. Ausatmen. Eine Suspendierung wegen einer Prügelei mit diesem Scheißhaufen konnte ich nicht gebrauchen.

"Brody, ich warne dich. Halt die Fresse!", knurrte ich und Brody schlug mir auf die Schulter.

"Wenn du kein Mann wärst, würde ich dich fragen, ob du deine Tage hast", brummte er und schob mich durch die Masse an Schülern hin zu unserem Raum. "Also, was ist dein Problem?"

"Sag mal, bist du taub?"

"Keine Ahnung, sprich mir mal ins andere Ohr", witzelte er und ich verdrehte die Augen. Mein Blick fiel auf Jules und Maggie. Um ehrlich zu sein wirkten die beiden auch nicht wirklich glücklich.

Maggie sah Brody und auf seinem Gesicht erschien ein dämliches Grinsen, als sie aufsprang und ihm um den Hals fiel. Unwillkürlich schaute ich zu Jules, die mit einem wehmütigen Blick zu unseren Freunden blickte.

"Hey, Jules! Besorgst du es unserem Kumpel hier nicht mehr?", fragte Brody plötzlich unverblümt. Jules zuckte zusammen. Dieser Mistkerl.

"Ehrlich?", zischte sie mich an und baute sich vor mir auf. "Ist das dein verdammter Ernst?" Ich schob meine Sonnenbrille zurück und hob abwehrend die Hände. Wie sollte ich das jetzt noch richten?

"Ich hab nichts-", setzte ich an, doch sie drehte sich zu dem Stück Scheiße, das sich bester Freund schimpfte, um. Verdammt.

"Um es mit deinen wundervoll gebildeten Worten auszudrücken: Nein, ich besorge es ihm nicht mehr", sagte sie wütend und pfefferte meine Jacke von ihrem Tisch. Anscheinend war sie wirklich sauer. Hätte ich mir vorher niemals denken können...
Ich bückte mich und hob meine Lederjacke auf. Sie war in einer roten Pfütze gelandet. Roch nach Nagellack. Ach scheiße. Der Tag wurde ja immer besser.

Ich stand auf und bemerkte, wie entsetzt die beiden Julianne anstarrten. Fast hätte ich etwas gesagt. Es gefiel mir nicht, sie so zu sehen. Da hielt ich lieber den Kopf hin. Allerdings würde sie mir diesen dann sicher abreißen und ich hatte ehrlich gesagt noch Verwendung dafür.

Ich trat zu Jules und schaute ihr in ihre unfassbar schönen, aber auch unfassbar verletzten Augen. Aber nicht nur sie hatte das Recht dazu traurig zu sein, ich war es auch. Mir ging es auch nahe und ich verhielt mich trotzdem nicht wie ein verzogenes Kind.

"Ich habe es ihm nicht erzählt, Julianne", sagte ich mit rauer Stimme und sie schaute mich fassungslos an. Und das zerriss mich innerlich.

Fighting Cameron Where stories live. Discover now