Jameron

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Jules

Ich saß am Küchentisch und hatte eine schwarze Pilotenbrille auf der Nase. Ich fühlte mich schrecklich. Die ganze Nacht hatte ich wach da gelegen und die Wand angestarrt. Mich hatte der Gedanke an Cameron einfach nicht losgelassen. Ja, ich hatte ihn verletzt und vieleicht hatte ich genau das auch gewollt, aber es war kein kurzer Weg bis zu diesem Punkt gewesen. Cam hatte wirklich alles dafür getan, dass ich mich ungeliebt fühlte. Ich hatte keine Ahnung, wie das mit uns beiden jemals wieder werden würde. Ohne an dieser Stelle übertrieben dramatisch wirken zu wollen, ich befürchtete wirklich, dass unsere Beziehung aus war. Und zwar endgültig.

Die Tür wurde aufgerissen und prallte mit einer solchen Wucht gegen die Wand, dass mein armes übermüdetes Gehirn nur so hämmerte. Ich brummte irgendwas unverständliches und zwang mich, einen Schluck Kaffee zu trinken.

"Guten Morgen, Cameron", sagte meine Mutter und ich zog die Schultern hoch, weil ihre Stimme einfach unfassbar schrill klang.

Cam brummte zurück und ließ sich auf einen Stuhl mir gegenüber fallen. Ich sah nicht auf. Und er sprach mich nicht an. Dennoch konnte ich spüren, dass seine Beine unmittelbar neben meinen lagen. Mein Herz verkrampfte sich und ich zog meine Beine unter den Stuhl.

"Huch, was ist denn hier los? Seid ihr unter die Vampire gegangen?", fragte Gabby und ich sah überrascht zu Cam. Auch er trug eine Pilotenbrille und sah ziemlich fertig aus. Unsere Blicke trafen sich und hielten einander fest. Mein dummes Herz begann wie wild zu pochen und ich atmete auf einmal hektisch. Auch Cams Brust hob und senkte sich viel zu schnell.
Meine Mum unterbrach den Moment.

"Ich glaube, die beiden haben zu tief ins Glas geschaut", stellte sie fest und ich hob abwehrend die Hände.

"Ich nicht", beteuerte ich und Cam tat es mir gleich. Ich runzelte mit der Stirn und schaute ihn genervt an.

"Ach komm schon, belüg deine Mutter nicht! Du stinkt wie eine ganze Brauerei", zischte ich und er lachte trocken auf.

"Du meinst, im Gegensatz zu einer halben Brauerei?", provozierte er mich und ich trat unter dem Tisch zu.

"Halt dein dummes Itaker-Maul, Cameron", fauchte ich und meine Mum rief entsetzt meinen Namen. Ach, sollte die doch ruhig sein.

"Mach doch selber, du Nazi-Schlampe", konterte er und jetzt rief seine Mum seinen Namen. Mittlerweile standen Cam und ich uns Gift spuckend gegenüber und wir dachten gar nicht ans Aufhören.

"Scuola, meine Lieben! Los geht's. Dad gibt dir das Auto, Cam!", rief seine Schwester plötzlich und mein Blick schoss zu meiner Mum.
Ich flehte sie stumm an und sie griff tatsächlich nach ihrer Tasche und warf mir ihren Schlüsselbund zu.

"Fahr vorsichtig, Jules", ermahnte sie mich und ich drückte ihr einen Kuss auf die Wange.

"Ich danke dir, Mum", flüsterte ich und sie nickte.

"Kein Problem, Liebling."

Die Schule. Wenn ich daran zurück dachte, wie schlimm für mich die Schule am Anfang gewesen war, hätte ich beinahe gelacht. Laut und irre. Nicht so süß und leise wie die liebliche Eleonora.
Doch jetzt? Jetzt war es für mich absolut unerträglich. Klar, juckte es mich einen Scheiß, was die anderen dachten. Aber die blöden Nachfragen, warum Cam nicht neben mir stand oder die neugierigen Blicke in Richtung seiner Schwester, gingen mir an die Substanz.

Es hatte eine Zeit gebraucht, bis die anderen realisiert hatten, dass Cameron und ich ein Paar geworden sind. Als passiere es in Filmen und Büchern nicht andauernd, dass sich zwei zunächst immer verbal fertigmachten ehe sie die Liebe für einander entdeckten?
Jetzt, nach diesem Kampf um Akzeptanz, war es mir einfach unfassbar unangenehm zu erzählen, dass Jameron, unser äußerst kreativer Pärchenname, nicht mehr existierte.

Ich knallte meinen Spind zu und blickte überrascht in Maggies grüne Augen. Sie runzelte die Stirn und legte eine Hand flach an den Spind neben meinem.

"Mensch, Jules. Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?", fragte sie aufgekratzt und ich ging einfach an ihr vorbei. Natürlich folgte sie mir, wie ein verirrtes Hündchen und wiederholte dabei kichernd ihre Frage.

"Du. Du bist mir über die Leber gelaufen, Maggie", murrte ich und sie lachte nur.

"Ach, Jules. Wir wissen doch beide, dass du nicht ohne mich kannst", warf sie ein und grinste frech.

"Brody tut dir nicht gut", sagte ich mürrisch und ließ meine Bücher auf meinen Tisch fallen.

"Brody tut mir sogar super gut", meinte sie und wackelte mit den Augenbrauen. "Wenn du verstehst, was ich meine." Ihhh.

"Leider ja", antwortete ich und sie plumpste auf den Stuhl neben mir. Während ich meine Sachen auspackte, musterte sie mich aufmerksam und ich begann, mich wie ein Versuchsobjekt zu fühlen.

"Also, was soll die Sonnenbrille und dein ganzer Rühr-Mich-Nicht-An-Kram?", hakte sie nach und ich zuckte mit den Schultern. Es war ja nicht so, als wollte ich nicht mit Maggie über Cam reden. Aber es ihr zu erzählen, würde bedeuten, dass es wirklich aus war. Endgültig. Und egal wie schwach mich das erscheinen ließ, ich konnte damit noch nicht umgehen.

Ich schaute zur Tür und sah, wie Brody und Cameron hereinkamen. Sie schienen sich zu streiten. Und leider kamen sie direkt auf uns zu. Maggie sprang quietschend auf und fiel Brody um den Hals und ich konnte mir ein kleines Grinsen nicht verkneifen. Die beiden waren so unendlich verliebt in einander. Genau, wie Cameron und ich es gewesen waren.

"Hey, Jules! Besorgst du es unserem Kumpel hier nicht mehr?", fragte mich Brody unverblümt und ich richtete mich ruckartig auf. Das hatte Cam nicht getan...

"Ehrlich?", zischte ich Cameron an und baute mich vor ihm auf. "Ist das dein verdammter Ernst?" Er schob seine Sonnenbrille zurück und hob abwehrend die Hände.

"Ich hab nichts-", setzte er an, doch ich drehte mich zu seinem besten Freund um.

"Um es mit deinen wundervoll gebildeten Worten auszudrücken: Nein, ich besorge es ihm nicht mehr", sagte ich wütend und pfefferte Cams Jacke von meinem Tisch. Mein Tisch war nicht mehr seine persönliche Ablagefläche. Ich konnte es nicht fassen, dass er mit Brody jetzt schon über unsere Trennung geredet hatte. Und Brody? Wie konnte er so taktlos mit mir darüber sprechen? Ich glaubte, ich müsste platzen.

Maggie und ihr Freund starrten mich an. So richtig offensichtlich und ich begann mich zu wundern. Was wenn...?

"Ich habe es ihm nicht erzählt, Julianne", sagte Cam mit rauer Stimme und ich schaute ihn fassungslos an. Fuck.

Fighting Cameron Where stories live. Discover now