Wenn

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Cameron
Dieser Moment, wenn du dir etwas in den Kopf gesetzt hast, aber immer irgendetwas dazwischen kommt. Da gab es wirklich so ein paar Dinge in meinem kleinen, miesen Leben, die erledigt werden mussten. Allerdings wollte ich alles nicht noch beschi...bescheidener machen. Zum Bespiel musste ich mich dringend mit meiner Mum über Renald aussprechen, Jules die Wahrheit erzählen und das Butterbrot unter meinem Schrank entfernen. Ja, letzteres verursachte bei mir wirklich eine Gänsehaut.
Allerdings wusste ich, dass man solche Dinge, jene die unangenehm waren, erledigen musste. Für mich galt nur die Devise lieber Morgen als Heute.
Seufzend lehnte ich mich mit dem Kopf gegen die Wand und fuhr mit den Fingern über die Gitarre auf meinen Knien. Ich saß auf dem Boden und starrte gedankenverloren auf das Instrument. Und obwohl sich in meinem Kopf alles um den Streit mit Jules drehte, konnte sich doch kein klarer Gedanke durch den dichten Nebel in meinem Kopf bahnen. Es war jetzt eine Woche her, dass sie Brody beim Kiffen erwischt hatte und bis jetzt redete sie nicht mit mir. Sie hatte mir ein Ultimatum gestellt: Entweder ich händigte ihr alle Drogen aus, die ich besaß oder sie würde mich fallen lassen wie, Zitat "eine heiße Kartoffel". Das Problem an der Sache? Mein Stolz. Mir war es egal, wenn sie den letzten Joint in die Finger bekam und Gott weiß was damit anstellte. Ich bunkerte ihn eh nur bei mir, weil Brodys Mum eine verdammt erfolgreiche Schnüfflerin und sein Dad bei der Drogenfahndung war. Es würde also einen Atomkrieg bei den Blacks geben, wenn sie Brodys kleine "Süßigkeiten" fanden. Ich konnte schon das Titelblatt der hiesigen Zeitung sehen: "Brody Black- Ein ganz normaler Junge mit einem dunklen Geheimnis. Vater deckt Drogengeschichte seines Sohnes auf". Ja, ganz sicher ein klasse Image für seine Familie... Aber um noch mal auf Julianne zurückzukommen, sie hatte einfach diese gewisse Macht über mich. Das gefiel mir ganz und gar nicht. Und sie war sich um ihre Wirkung auf mich bewusst. Das gefiel mir noch viel weniger.
"Ach, verdammt", murmelte ich und legte die Gitarre beiseite. Wieso konnte nicht alles wie früher sein? Warum war es mir nicht vergönnt wieder von Mädchen zu Mädchen springen zu können, ohne von Schuldgefühlen geplagt zu werden? Tief in mir drinnen wusste ich die Antwort, aber ich wäre nicht Cameron Boudreaux, wenn ich diesen Grund zu erkennen nicht einfach auf morgen verschieben könnte. Oder auf übermorgen. Oder auf nächsten Monat...

Jules
Dieser Moment, wenn du in der Menge stehst und deinem Team zujubelst, obwohl du genau weißt, dass es eh verlieren wird. Unsere "Sternschnuppen", wie sie die Footballteams der anderen Schulen gerne nannten, waren leider nicht die hellsten Lichter am Sport-Firmament. Wir waren nicht schlecht, aber weit davon entfernt gut zu sein. Ich glaube, dass die Mädels nur zu den Spielen kamen, um die Cheerleader zu unterstützen. Die Kerle allerdings fanden bestimmt nur Gefallen an den Spielen, da sie nachher auf der Party immer Freibier bekamen. Ja, wir feierten immer eine Party, obwohl wir von vornherein wussten, dass wir verlieren würden. Wahrscheinlich feierten wir, dass unser Quarterback die ganze Scheiße heil überlebt hatte. Jubelnd sprang ich von meinem Sitz auf und klatschte in die Hände, als Will mit dem Ball unterm Arm auf dem besten Weg war einen Touchdown zu erzielen. Die Menge wurde lauter, die Atmosphäre angespannt. Das liebte ich an den Veranstaltungen. Dieses Gefühl, das durch die Masse zieht und jeden einzelnen mitreißt. Da wurde er plötzlich umgerannt. Der Mensch, der ihn decken sollte (was weiß ich, wie die Position hieß) hatte gepatzt. Ich schlug die Hände über dem Kopf zusammen und trauerte dem verloren Touchdown hinter her. Will war schon nicht verletzt, aber unser Team schon. Wir würden wieder eine Loser-Fete feiern. Nice...

Tatsächlich haben wir das Spiel nicht gewonnen. Was für eine enorme Überraschung. Was wirklich schockierend war, war allerdings die Tatsache, dass Will überglücklich zu sein schien. Ich packte seinen Arm und zog ihn weg von der tanzenden Meute.
"Hey, sollest du nicht eigentlich heulen?", fragte ich und er grinste.
"Du kommst immer gleich zum Punkt."
"Ich halte nichts davon um den heißen Brei herumzureden", antwortete ich und zuckte mit den Schultern.
"Tja, das ist eine Lüge", sagte Cam und ich schlug mir die Hände vor das Gesicht. Er tauchte immer auf, wenn ich mich mit Will unterhielt. Wie war denn das nur möglich? Da versuchte ich ihm aus dem Weg zu gehen und er stellte sich einfach dazu.
"Was willst du?", zischte ich und stemmte die Hände in die Hüften. Ich war immer noch sauer auf ihn. Er legte mir eine Hand auf die Schulter und ich wischte sie weg wie eine lästige Fliege. Er legte sie wieder an die gleiche Stelle.
"Cam, du bist wie eine schlechte Angewohnheit oder Fußpilz. Niemand will dich, aber du kommst trotzdem immer wieder", bemerkte ich und verschränkte die Arme unter der Brust, damit er nicht merkte, wie sehr ich zitterte. Seine Anwesenheit machte mich fertig.
"Ich glaube, du sollest gehen", sagte Will überheblich. Ich glaube, dass ich wirklich eine aggressive Ader habe, denn ich wollte beiden in dem Moment eine kleben. So richtig.
"Geh du doch", knurrte Cam und baute sich vor Will auf. Die beiden starrten sich an, wie ich das letzte Stück Torte und dann die Waage, wenn ich wegen besagtem Stück drei Kilo zugelegt hatte.
"Wir unterhalten uns gerade, Cameron", meinte ich und schob ihn ein wenig zur Seite. Er rührte sich nicht von der Stelle.
"Na, dann unterhälst du dich jetzt eben mit mir. Wir müssen wirklich reden", sagte er und ich war so, so kurz davor ihm nachzugeben, da kam Brody auf Cam zu und fragte ihn nach einem Joint. Ich atmete schwer ein und aus und bekam die Unterhaltung zwischen Brody und Cam nicht mit. Mein Herz pochte zu laut und ich konnte das Blut in meinem Adern rauschen hören. Ich glaube, ich drehte durch. Der Vollpfosten zog davon und Cameron legte mir eine Hand auf den Rücken. Damit riss er mich aus meiner Trance und ich machte einen wackeligen Schritt zurück. Ich musste etwas gegen Cameron tun. Irgendwie musste ich ihn aus meinem Leben entfernen. Das würde sonst nicht gut mit mir enden.
"Gehst du mit mir aus, Will?", fragte ich und ignorierte den schmerzenden Teil meiner Selbst und Cams entsetztes Gesicht.

Fighting Cameron Where stories live. Discover now