Kapitel 19

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Ich schluckte, als ich das große Tor vor mir sah. Ein schuldbewusstes Gefühl machte sich in mir breit. Das letzte mal war ich hier, als sie endgültig hinter diesem Tor verschwand. Mein Herz schmerzte und ich hatte das Gefühl vollkommen hilflos zu sein. Schuldbewusst biss ich mir auf meine Lippe. Ich hoffte sie kann mir verzeihen. Ob ich bereit war nun durch diese Tor zugehen und ihren Namen in einem Stein eingraviert vorzufinden? Nein, aber ich musste. Das war ich ihr schuldig. Sie hätte niemals so lange gezögert wie ich. Sie währe jeden Tag an mein Grab gekommen. Jeden verdammten Tag und ich? Ich fasste erst nach Monaten mein ganzen Mut zusammen um hier hinzukommen. Ich atmete tief ein. Sie war sicherlich enttäuscht von mir. Mit zögernden Schritten lief ich durch das verrostete Tor, geradewegs auf ihr Grab zu. Ich ließ mich auf meine Knie fallen. Zitternd legte ich die schwarz gefärbten Rosen neben ihr Grab. Tränen flossen mir stumm über die Wangen. "Mama", fing ich zitternd an. "Mama es tut mir so leid." Ich konnte mich nicht mehr halten und schluchzte auf. Eine bedrückende Enge machte sich in meinem Brustbereich bemerkbar. "Es tut so weh, Mama." Langsam strich ich mit meinen Fingern über ihren eingravierten Namen. "Wieso hast du mich verlassen? Meintest du nicht du verlässt mich niemals? Du lässt mich niemals allein?", presste ich die Wörter schwer heraus. "Wieso verdammt!", schrie ich verzweifelt auf. "Ich habe doch niemanden!", hauchte ich und vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Die ganzen Schmerzen, die ich über Monate lang erfolgreich unterdrücken konnte, tauchten plötzlich auf. Nur diesmal viel stärker, intensiver. "Ich vermisse dich so sehr. Ich will nicht ohne dich leben, aber ich muss. Jeden verdammten Tag. Es tut so weh, mama! Es brennt... Es brennt genau hier!", zitternd zeigte ich auf meine Linke Brusthälfte. Ich schluckte erneut. "Wann wird der Schmerz aufhören? Wann spüre ich nicht mehr dieses brennen und diese bedrückende Leere? Wann?", ich ließ meine Hände über die kalte Erde gleiten, unter der sie begraben wurde. Ich wünschte nicht mal meinem Feind, den Tod einer geliebten Person ertragen zu müssen. Dieses Gefühl, dieser Schmerz den man Tag für Tag mit sich rumschleppen muss war nahezu unerträglich. Jeden Abend ins Bett zugehen und morgens wieder aufzustehen mit dem Wissen, dass sie nie wieder da sein würde. Mein Griff um die Erde wurde fester. Sie starb und ich starb mit ihr. Sie ließ mich hier, aber nahm meine Seele mit sich. Womit hatte ich das verdient? Ich ließ die Erde fallen, blickte kurz noch auf ihr Grab und floh mit schweren Schritten, schnell aus diesem grässlichen Friedhof. Das laute klingeln meines Handys ertönte und riss mich somit aus meinen Gedanken. Ich sah auf das Display. Amir. Zögernd nahm ich ab. "Wo bist du?", ertönte seine Stimme angespannt aus dem Telefon. "Komme jetzt.", gab ich unbeabsichtigt kühl von mir. Ich biss mir wieder auf meine Lippe. "Wo warst du?", fragte er leicht säuerlich. Ich wollte ihm sagen, dass es egal währe doch ich konnte nicht. Ich wusste nicht was mich dazu trieb, aber ich antwortet ihm ehrlich. "Ich war bei Mama.", brachte ich schwer heraus. Ich konnte nicht aussprechen das ich an ihrem Grab war, ich war noch nicht bereit zu sagen, dass sie tot war. "Soll ich dich abholen?", die Besorgnis aus seiner Stimme, war kaum zu überhören. "Passt schon, bis gleich! Bin eh fast da.", schnell legte ich auf. Ich lief den ganzen Weg nachhause. Irgendwie tat es gut bei ihr gewesen zu sein. Ich war erleichtert. Verletzt, aber erleichtert. Ich musste nicht mehr mit der Last leben sie vernachlässigt zu haben, denn ich würde sie von nun an regelmäßig besuchen. Vor unserer Haustür angekommen, zückte ich meinen Schlüssel. Ich riegelte die Tür auf und betrat die Wohnung. Direkt lief mir Amir entgegen. Er sah mich leicht wütend an. "Warum legst du einfach auf?", schoss es aus ihm. Erleichtert, dass er mich nicht auf meine Mutter ansprach, atmete ich auf. "Ich weiß nicht.", ich wusste es wirklich nicht. Es war ein nicht bedachtest Handeln. Ich blickte in seine Augen. Er hatte schöne Augen. Mir fiel erst jetzt dieses schöne Blau auf. Meeresblau. "Du hast echt schöne Augen.", lenkte ich vom Thema ab. "Ich weiß, sagen mir viele!", arrogant grinsend sah er zu mir. Augenverdrehend wollte ich an ihm vorbei. Er packte mich am Arm und zog mich zurück. Genervt stöhnte ich auf. "Das kommt nicht mehr vor, hörst du!", streng sah er mich an. "Ja.", bestätigte ich schnell, weil ich keine Kraft hatte zu diskutieren. "Gut." Zufrieden sah er mich an. "Darf ich jetzt?", ungeduldig tippte ich mit meinem Bein gegen das Laminat. Er ließ mein Arm los. Mit schnellen Schritten lief ich in unser Zimmer und ließ mich auf das Bett fallen. Ich seufzte und schloss meine Augen, öffnete sie jedoch direkt wieder, als ich meine Mutter vor mir sah. Schnell stand ich wieder auf und flüchtete aus dem Zimmer. Plötzlich knallte ich gegen etwas hartes. Ich sah auf und blickte in Amirs Gesicht. "Sorry.", murmelte ich abwesend und wollte an ihm vorbei. Er zog mich sanft an meinem Handgelenk zurück. "Ist alles in Ordnung, hayete?", fragte er mich liebevoll. Mein Herz fing an schneller gegen meine Brust zu schlagen, als der Kosename seine Lippen verließ. Seit wann reagierte ich so auf seine Worte? Überrascht von mir selbst sah ich beschämend weg. "Alles in Ordnung.", piepste ich und spürte die Hitze in meine Wangen steigen. Lächelnd sah er mich an. "Du bist echt süß, wenn du rot wirst.", sagte er grinsend und zog mich ein Stück näher an sich ran. "Lass mich!", sagte ich noch beschämter als eben und drehte meinen Kopf komplett zur Seite. Was war bloß los mit mir? Sein Grinsen wurde breiter. Ich befreite mich schnell aus seinem Griff. "Baby, niemals lass ich dich.", verschmitzt setzte er ein Kuss auf meine Wange. Meine Augen weiteten sich. "Nenn mich nicht so!", mit geröteten Wangen versuchte ich ihn streng anzugucken. "Wieso, baby?", provozierend kam er mir mit seinem Gesicht näher. "Amir!", hauchte ich und windete mich. Lachend ließ er von mir ab. "Ich hab Hunger.", gähnend rieb er sich den Bauch. Lachend sah ich ihn diesmal an. "Dann mach dir was zu essen!", grinsend ging ich ein Schritt zurück. "Ich will aber das du mir was machst, hexe.", sagte er entschlossen. Ich fuhr mir über, meine bestimmt noch geröteten Wangen. "Ausnahmsweise!", gab ich nach. Wer konnte schon bei so einem Blick verneinen? Zufrieden sah er mich an. "Gewöhn dich nicht dran.", setzte ich spöttisch hinterher. Sein Grinsen wuchs. "Natürlich nicht, hayete." Leicht drückte er mich in Richtung Küche. "Ich geh ja schon.", augenverdrehend lief ich vor und zauberte ihm was zu Essen.

Ach ist das schön, Freunde. -F

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