Darling, please don't cry

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Ich hielt die Augen während der Fahrt geschlossen und sagte kein Wort mehr zu Shawn. Wozu auch? Es war alles gesagt was gesagt werden musste. Plötzlich stoppte das Auto ruckartig, sodass mich mein Gurt an die Sitzlehne drängte. Sofort riss ich die Augen auf und erwartete die Pension von meiner Tante zu sehen. Anstatt sah ich nur dass wir neben einer Kiesstraße gehalten hatten. Irgendwo im Nirgendwo. Ich wusste weder wo wir waren, noch warum wir anhielten. Rundherum waren nur Felder und Wiesen und keine Zivilisation, also konnte ich mir beim besten Willen nicht erklären, warum wir ausgerechnet hier stoppten. "Warum halten wir?", fragte ich Shawn, den Blick immer noch abgewendet.  Er trommelte auf dem Lenkrad herum, was mich ganz verrückt machte und dann meinte er: "Sieht so aus, als hätte der Motor den Geist aufgegeben." Ich sah ihn endlich an: "Und das heißt?" Er blickte mich an, als ob ich nicht von dieser Welt wäre und dann sagte er durch zusammengebissene Zähne: "Das heißt, dass wir hier festsitzen, bis der Abschleppwagen kommt." Ich schnaubte frustriert. Warum musste dass gerade jetzt passieren? Ich holte mein Handy aus meiner Tasche und sagte: "Okay, dann ruf ich einen Abschleppwagen an. Umso schneller der da ist, umso schneller können wir hier weg." Shawn biss sich auf seine Unterlippe und sah mich dann angestrengt an. Ich entsperrte meinen Bildschirm und wollte den Service anrufen. "Mist.", stieß ich genervt aus. Shawn sah mich fragend an und ich schüttelte den Kopf: "Ich hab keinen Empfang, hast du welchen?!" Er zückte auch sein Smartphone und schüttelte dann den Kopf. Ich ließ mich gegen die Lehne sinken und schloss die Augen. Wir saßen also wirklich hier fest. "Wo sind wir hier überhaupt?", erkundigte ich mich bissig bei meinem Beifahrer. "Ehrlich gesagt ich habe keine Ahnung." Das war ja die Höhe! Konnte er nicht wenigstens wissen welche Route er nahm? "Ach ja du weißt auch nicht wo wir sind? Ist bei dem werten Sänger der Orientierungssinn ausgefallen oder wie?", schnauzte ich ihn an.  Er sah mich wütend an: "Das von dem Mädchen dass sich zufällig im Backstagebereich verirrt hat." Ich zog scharf die Luft ein doch er fuhr unbeirrt fort: "Was wolltest du da überhaupt?!" Ich kniff meine Augen zusammen und presste meine Lippen zusammen, bevor ich ihm antwortete: "Ich war auf der Toilette, auch wenn es für dich vielleicht unglaublich klingen mag, dass dir nicht jeder hinterherhimmelt." Er sah mich an, wie ich ihn. Wütend, sauer und frustriert. "Ich glaube du vertrittst eher die Ansichten, sich an einem Lagerfeuer zu betrinken und sich dann retten zu lassen, stimmt's?", sagte er locker und mein Herz stockte. An meinem geschockten Blick sah er wohl, dass er zu weit gegangen war. Eine Träne stahl sich aus meinem Augenwinkel und lief meine Wange hinunter. Er hatte also immer nur diese Ansichten vertreten. Er war wie jeder andere und dass erschien mir nun klarer denn je. Wie hatte ich denken können, dass er wirklich anders war. Alle Wut wich aus seinem Gesichtsausdruck und er sah mich bedrückt an. Er wollte die Worte zurücknehmen, doch ich ließ ihn nicht. Was gesagt war, war gesagt. Ich schulterte meine Tasche und drückte die Autoklinke hinunter. Ich sagte nichts mehr. Auch wenn ich etwas hätte sagen wollen, hätte ich es nicht gekonnt. Der Schmerz brannte in meinem Herz und das drückende Etwas in meinem Hals breitete sich immer mehr aus. Mit einem Ruck stieß ich die Tür auf und stieg aus. Draußen war es beachtlich kühler geworden und dicke Wolken verdunkelten die Welt. Der Wetterumschwung passte eigentlich ganz gut zu meiner Laune. Ich fröstelte, aber schlang nicht um die Arme um mich, falls Shawn mit hinterher sah, wollte ich keinesfalls hilflos erscheinen. Ich setzte einen Schritt in die Richtung in die wir eigentlich fahren wollten und dann noch einen und noch einen. Ich lief schneller, zügiger mit nur einem Ziel: Weg von Shawn und seinem verdammten Wagen. Ich fluchte. Warum musste seine blöde Karre auch irgendwo weit entfernt von irgendeiner Zivilisation seine Störungen ausleben?! Bescheuertes Auto! Ich musste mir selbst eingestehen, dass ich wütend auf das Auto sein musste, weil wenn ich wütend auf Shawn gewesen wäre, wäre ich automatisch wütend auf mich gewesen. Obwohl dass nicht viel Unterschied machte, weil ich trotzdem verdammt sauer war! Wie hatte er nur sowas zu mir sagen können! Ich hatte ihn für einen sympathischen, schüchternen, liebevollen Jungen eingestuft. Anders noch: Ich hatte mich in diese Illusion verliebt und wollte mir nicht wirklich eingestehen dass die Realität doch anders aussah.

Ich lief und lief und plötzlich befand ich mich zwischen hohen Tannen und der vertraute Kiesweg war schon lange nicht mehr unter meinen Füßen. Apropos meine Füße taten weh, was ich in meiner Wut gar nicht bemerkt hatte. Was ich auch nicht bemerkt hatte, war dass mich mein Problem die ganze Zeit verfolgt hatte. Ich stoppte und spürte wie Shawn dasselbe machte. Er berührte mich sanft an der Schulter und ich drehte mich langsam um, den Blick von Tränen verschleiert. Er sah mich an und wischte mir dann mit seinem Finger Tränen von der Wange. Ich wich zurück und er ließ seine feuchte Hand sinken. Die Stelle an der er meine Wange berührt hatte prickelte und ich musste mir eingestehen dass ich am liebsten einen Schritt auf ihn zugegangen wäre, aber anstatt ging ich einen Schritt zurück. Shawn hielt mich am Handgelenk fest und meine Haut schien wie elektrisch aufgeladen zu sein. "Louisa. Bitte wir müssen reden." Ich nickte und schluchzte zur Antwort und er setzte sich auf einen breiten glatten Fels, dann zog er mich neben sich und als ich auf einen Sicherheitsabstand abrückte, glaubte ich so etwas wie Enttäuschung in seinem Gesicht lesen zu können. Aber was wusste ich schon?

"Es tut mir leid, ich hatte nie vor dich zu verletzen.", entschuldigte er sich und eine weitere Träne lief mir die Wange hinunter. Ich wollte wütend auf ihn sein, ich wollte ihn hassen, aber ich konnte es nicht.  Er raufte sich die Haare, sodass sie zu Berge standen und dann schnaubte er verächtlich: "Ich weiß dass es nicht der einzige Grund ist, warum du gegangen bist und ich weiß auch dass diese eine Entschuldigung nicht wieder gut machen wird. Aber bitte sag mir was im Cafe vorgefallen ist, denn ich bin wohl zu blind es zu erkennen." Ich schüttelte den Kopf und presste die Lippen aufeinander, denn ich konnte kaum sagen: Ich bin sauer weil du eine Freundin hast und mir trotzdem mein Herz gestohlen hast. "Darf ich dir einfache Fragen stellen und du beantwortest sie dann?", fragte er mich zaghaft und ich sah ihn leicht ängstlich an. Ich wollte nicht dass diese Fragen zu viel über mich Preis gaben. Wenn ich nur an den Unfall dachte... Trotzdem nickte ich und Shawn fragte leise: "Magst du Kira?" Genau solche Fragen meinte ich! Solche die ich nicht ehrlich beantworten konnte, also bejahte ich die Frage leise. "Louisa ich weiß dass du sie nicht magst, aber warum?", fragte er und aus seiner Stimme schwang keine Wut mit, sondern nur Neugier und Unsicherheit. "Ich kann dir das nicht beantworten.", sagte ich mit fester Stimme und er nahm plötzlich meine Hand in seine. Er malte sanfte Kreise mit seinem Daumen auf meinen Handrücken und ich zog scharf die Luft ein. Ich wollte meine Hand wegziehen doch er hielt sie so fest, als wäre ich sein Anker. Er atmete ein und aus und setzte dann zu einer neuen Frage an: "Magst du mich?" Ich weinte weiterhin und die Träne fiel auf unsere Hände als ich den Kopf senkte. Shawn verwischte sie in einer Kreisbewegung auf meinem Handrücken.

wait for me | s.mDonde viven las historias. Descúbrelo ahora