Regentage...

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Das Wetter änderte sich langsam, aber stetig. Die Temperaturen fielen rapide, die Bäume trugen keine Blätter mehr, Raureif bedeckte das Gras und die Pflanzen und auch die Sonne verbarg immer öfter ihr Gesicht. An ihre Stelle traten Wind, Regen und dunkle Wolken, die den Himmel in ein einheitliches Grau tauchten. Nebel stieg am rande des verbotenen Waldes auf und ließ ihn so nur noch unheimlicher wirken, wenn das denn überhaupt noch möglich war. Ich liebe diese Jahreszeit, denn sie spiegelt perfekt wieder, wie es in meiner Welt aussieht. Ein ewiger verregneter Winter. 

Auch an diesem Samstag sah es wieder trist draußen aus, was mich dazu brachte mir meinen Mantel anzuziehen und nach draußen an den See zu gehen, auf dem starke Wellen spielten. Das Geräusch, der sich an den Felsen brechenden Wellen und der kreisenden Raben am Himmel, grub sich tief in mein Innerstes, während ich am Wasser stand und die kleinen Regentropfen in meinem Gesicht genoss. Wie konnte man bei diesem Wetter nur drinnen sitzen und sich verkriechen? Es ist ja nicht so, als würde man sich auflösen, sobald man in den Regen tritt.

Hinter mir vernehme ich, wie jemand leise an mich heran tritt. Vorsichtshalber umklammere ich meinen Zauberstab, der sich in meiner rechten Manteltasche befindet, noch ein wenig fester. Der Klang der Stimme hinter mir, die sich mir nähert, lässt jedoch die Spannung von mir abfallen, sodass mein Zauberstab wieder zurück in die Tasche gleitet, ohne gezogen zu werden.

"Ist alles in Ordnung?"

Grangers Stimme wird von dem Wind gedämpft, der uns entgegen schlägt. Anscheinend hat es sie, aus mir unerfindlichen Gründen, ebenfalls nach draußen verschlagen. Was mich aber noch mehr verwundert, ist die Tatsache, dass sie mich anspricht. Sofort spüre ich wieder die Armee der Magenkribbler aufkommen, die durch meinen Eingeweide krabbeln und mir klar machen wollen, dass ich soeben in Begriff bin mit dem Mädchen zu sprechen, dass mich auf irgendeine Art und Weise fasziniert, die ich selbst nicht nachvollziehen kann.

"Jaaah, es ist alles in Ordnung. Was machst du hier?"

"Ich habe Hagrid versprochen gehabt mit ihm zusammen nach einem der Zentauren zu sehen, den er vor ein paar Tagen verletzt im Wald gefunden hat. Naja, da war ich gerade und... auf dem Rückweg habe ich dich hier stehen sehen. Es regnet, weißt du?"

"Ich finde Regen klasse. Er wäscht Alles davon, was einen belastet. Du kannst deine Sorgen einfach weg werfen, der Regen spült sie dann die Steine hinunter und das Meer trägt sie davon."

Ein skeptischer Blick trifft mich und ich bin der festen Überzeugung, dass sie mich gleich auslachen und irgendeinen dummen Spruch bringen wird, auch wenn das im Normalfall meine Aufgabe wäre. Nur ist mir gerade nicht danach, weshalb ich wahrscheinlich auch gerade so einen Scheiß von mir gegeben habe. Doch sie stellt sich einfach nur neben mich und sieht nickend auf das Wasser vor uns. Erst nach ein paar Minuten sehe ich aus dem Augenwinkel, wie sich ihre Mundwinkel schelmisch heben.

"Du weißt aber schon, dass das ein See und kein Meer ist?"

Da war er, der dumme Spruch. Ein Lächeln kann ich mir allerdings nicht verkneifen und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass wir wenig später zum allerersten mal zusammen lachen. Schon öfter habe ich ihr Lachen leise aus der Entfernung gehört, aber dass es so klanghell und melodisch klingt, ist mir bisher nicht aufgefallen. Oder wollte es mir nur einfach nicht auffallen? Unsicher sehe ich zur Seite. Ihre Haare wehen im Wind, die Kapuze fliegt ihr immer wieder aus der Stirn und sie ist gezwungen diese erneut tief in ihre Stirn zu ziehen. Als sie ihre nächste Frage stellt, trifft sie mich damit unerwartet und komplett unvorbereitet. Sofort verhärten sich meine Gesichtszüge wieder.

"Warum hast du mich geküsst, Malfoy?"

Tja, gute Frage. Warum hatte ich das getan? Instinkt? Aus einer Laune heraus? Oder tatsächlich, weil sie mir gefällt? Und vor allem: Was will sie hören? Unsicher trete ich von einem Fuß auf den anderen und bin mir absolut nicht sicher, wie ich jetzt reagieren soll. Das Teufelchen auf meiner Schulter sagt: Beleidige sie und dann mach dich vom Acker. Das Engelchen hingegen meint: Sei doch einfach mal ehrlich und sag ihr doch einfach die Wahrheit. Stur starre ich geradeaus und antworte so, wie ich es für richtig halte.

"Einfach, weil ich es wollte. Es erschien mir richtig. Nicht mehr und nicht weniger."

"Oh."

Ihr kleines 'Oh' klingt resigniert, fast schon enttäuscht, aber gleichzeitig nickt sie leicht, als würde sie genauestens verstehen, was in mir vorgeht. Wenn sie das könnte, würde es mir Vieles um einiges erleichtern, aber solange ich ihr nicht Alles sage, wird sie es wohl nie verstehen können. Ein Jugendlicher und zudem zum ersten Mal wirklich verliebt zu sein ist viel komplizierter, als ich es mir gedacht hatte, vor allem, da ich eh nie dachte mich zu verlieben. Langsam fing es mich an zu frösteln und mit einem weiteren kleinen Blick zur Seite stelle ich fest, dass es Granger auch nicht anders gehen dürfte.

"Wollen wir rein gehen? Dir ist bestimmt kalt."

"So fürsorglich kennt man dich ja gar nicht."

Genau das habe ich auch soeben gedacht, aber mit einem Schulterzucken deute ich zum Schloss, das plötzlich mehr als nur einladend auf mich wirkt, auch wenn ich hier draußen gerade einfach eine coole Zeit verbringe. Sofort folgt Granger meinem Anliegen mit aufeinander klappernden Zähnen. Der Weg zurück dauert noch ca 10 Minuten, weshalb ich beschließe einfach meinen Arm um meine reizende Begleitung zu legen. Diesmal steht keine Skepsis in ihren Augen, doch ihre Verwunderung trifft mich mit voller Wucht mitten in die Magengrube. Ja, ich weiß, dass ich ein Arschloch bin, aber darf ich mich deswegen nicht doch ab und zu mal wie ein ganz normaler Mensch verhalten und nett sein? Ohne etwas zu sagen lässt sie sich meine Begleitung gefallen und ich meine sogar, dass sie sich nach ein paar Minuten entspannt an mich gelehnt hat.

Kurz bevor wir die Schule wieder betreten lösen wir uns voneinander, denn schließlich weiß man nie, wem man so begegnet und zudem soll auch niemand falsche Schlüsse ziehen. Ich habe Granger lediglich hinein begleitet, sonst nichts. Gerade, als sie sich von mir verabschieden will hebe ich die Hand, um sie zu unterbrechen.

"Kannst du kurz hier warten? Ich will nur schnell etwas holen."

"Eigentlich wollte ich lieber wieder zurück. Harry und Ron machen sich bestimmt schon Sorgen..."

"Bitte."

Bei dem Namen von Potter wäre es mir fast sauer aufgestoßen, aber ich lasse nicht zu, dass ein blöder Name mir jetzt die Tour vermiest. Kurz wandert ihr Blick in Richtung der Treppen, doch dann ergibt sie sich schulterzuckend und wartet. Auf der Stelle sprinte ich los, zu der Statue mit der Schokolade. Bang hoffe ich, dass Granger dort wirklich noch steht, wenn ich wieder komme, damit ich aus mir nicht einen kompletten Volltrottel mache. Ich öffne die Statue, nachdem ich nach Luft ringend dort angekommen bin und hole mit 'Accio' die Schokolade heraus. Die Pralinen sind noch in einem Top Zustand und mir weht ihr Duft entgegen. Leise grummelt mein Magen. Das ausgelassene Mittagessen scheint langsam seinen Tribut zu fordern. Schnell eile ich zurück zur Eingangshalle. Mit langen und weit ausholenden Schritten laufe ich die Flure entlang und komme schlussendlich wieder bei Granger an, die tatsächlich noch immer dort steht, wo ich sie habe stehen lassen. Ohne ein Wort reiche ich ihr die Tüte und kratze mich hinterm Ohr. Leise murmel ich noch ein "schönen Abend noch" und sehe dann zu, dass ich Land gewinne, bevor sie merkt, wie peinlich mir das war. 

Praktisch an diesem Zeitvertreib ist, dass es bereits Zeit für das Abendessen ist, ich sofort in die große Halle gehen kann und zudem auch noch einer der ersten beim Essen bin. Keine zehn Minuten später wimmelt es bereits vor Schülern, als auch Granger, mitsamt der Tüte aus dem Honigtopf, zum Abendessen erscheint. Immer wieder wirft sie kurze Blicke zu mir und ich hoffe nur, dass keiner meiner Klassenkameraden das sieht, denn das könnte unschön für Granger und mich werden. Allerdings sind alle so sehr in ihrem Essen versunken, dass niemand einen Blick dafür übrig hat, dass ich immer wieder zum verfeindeten Tisch rüber sehe. Leider verlässt sie genau so schnell den Tisch, wie sie sich gesetzt hat. Eine leise Traurigkeit breitet sich in mir aus, da ich sie nun für Heute nicht mehr sehen werde, doch ich schelte mich selbst dafür und komme wieder zu Bewusstsein, als mich Pansy an der Schulter fasst.

"Hey, Draco. Wie lange willst du hier denn noch sitzen? Du sitzt hier schon seit fast einer dreiviertel Stunde."

"Als ob du die Uhr lesen könntest."

Meinen höhnischen Ton bereue ich erst, als ich merke, dass die Halle fast schon wieder leer ist. Nur die Leute, die zu spät gekommen sind, sitzen noch an ihren Tischen und essen. Tatsächlich scheine ich mehr, als nur lange, vor meinem Teller gesessen zu haben. Verdammt, mir kam es so vor, als hätte ich mich erst vor fünf Minuten gesetzt. Dass inzwischen alle außer mir wirklich etwas gegessen haben ist mir komplett entgangen. Grinsend, obwohl ich nicht einmal weiß, warum ich grinse, stehe ich auf und nehme mir eine Schweinshaxe mit. Irgendwas muss ich ja essen, wenn ich irgendwann erneut mit Granger im Regen stehen will...

Amortentia und LibidoWhere stories live. Discover now