Kapitel 12

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Gott, heute ist hier ja wirklich die Hölle los!
Es ist nicht mal sieben Uhr und die Bar ist jetzt schon gerammelt voll!
Es ist zwar Samstag Abend, aber so schlimm ist es wirklich sehr, sehr selten.
Okay, am Montag ist ein Feiertag, aber das kann dich unmöglich der Grund dafür sein. Oder?
Keine Ahnung.
Jedenfalls haben wir jede Menge zu tun.
Normalerweise sollten heute Abend Kilian und ich die Bar schmeißen, aber das war unmöglich und deshalb habe ich kurzerhand Chrissy angerufen und zum Glück hatte sie nichts besonderes vor und ist sofort her gekommen, um uns zu unterstützen.
Kilian arbeitet erst seit drei Tagen wieder und es ist deutlich zu sehen, dass er beim gehen noch leichte Schmerzen hat.
Er tut mir echt leid und am liebsten würde ich ihn nach Hause schicken, aber das ist im Moment unmöglich.
Um ihn wenigstens etwas zu schonen, lasse ich ihn nur Bier Zapfen und ein paar Cocktails mischen, wenn ich gerade keine Zeit dafür habe.
Das kann er alles im Sitzen machen und so schont er seinen Knöchel wenigstens ein bisschen.
"Alter! Das ist heute echt die Hölle hier! Hätte ich das vorher gewusst, wäre mir sicherlich eine Ausrede eingefallen, um nicht kommen zu müssen!"
Chrissy lehnt sich kurz neben mir gegen den Tresen um zu verschnaufen, während sie einen Schluck Wasser trinkt.
Ich weiß genau, dass sie das nicht ernst meint, deshalb lache ich darüber, während ich Orangen viertele.
"Das könntest du gar nicht mit deinem Gewissen vereinbaren, also hör auf so einen Quatsch zu erzählen!", necke ich sie.
Chrissy lacht laut auf und gibt mir einen Klapps auf den Hintern.
"Hey! Jetzt schau aber, dass du schnell weg kommst!", mahne ich sie lachend mit dem scharfen Messer in der Hand.

Ab Mitternacht ist es plötzlich wie leer gefegt hier.
Bis auf drei Tische, an denen noch einige Leute sitzen, ist der Rest völlig leer.
Muss man das verstehen?!
Egal. Kilian, Chrissy und ich sind wirklich froh darüber.
Obwohl wir Chrissy schon vor über einer halben Stunde gesagt haben, dass sie ruhig gehen kann, ist sie immer noch da.
Da alle Gäste momentan bedient sind, machen wir Drei es uns am Tresen bequem und stoßen mit einem Cocktail aus Kilian's Eigenkreation an.
Heute haben wir uns definitiv einen mit einem guten Schuss Alkohol verdient!
Auch wenn Rum normalerweise gar nicht mein Fall ist, schmeckt der Drink mit exotischen Früchten echt lecker!
"Ich bin echt froh, dass das heute eine Ausnahme war und es hier nicht immer so abgeht! Das könnte ich niemals mit meinem Studium vereinbaren!", meint Chrissy gerade, als Kilian's Aufmerksamkeit auf etwas hinter uns gerichtet wird.
Zuerst denke ich, dass gerade ein gutaussehender Typ die Bar betreten hat und er deshalb so zur Tür herüber starrt.
"Na das kann ja jetzt interessant werden!", meint er grinsend und blickt weiterhin auf einen Punkt hinter mir.
Jetzt werde ich aber stutzig! Was meint er denn damit?!
Langsam drehe ich mich um und falle fast vom Hocker.
Das gibts doch nicht!
Karamellfarbene Augen schauen mich, über einen Strauß weißer Rosen, schuldbewusst an.
Er trägt eine schwarze Jeans und dazu ein dunkelblaues Hemd. Die Ärmel davon sind bis zum Ellbogen hochgekrempelt.
Seine Haare stehen wirr in alle Richtungen und lassen vermuten, dass er bis vor kurzem wohl noch total im Stress war.
Die strahlend weißen Rosen bilden einen krassen Kontrast zu seinem Outfit und lassen ihn nur noch umwerfender aussehen.

Robert!
Ich sitze einfach nur wie angewurzelt da, starre ihn an und bekomme kein Wort heraus.
Ich habe mir die ganze Zeit über zwar wirklich gewünscht, das er hier auftaucht, aber jetzt, wo er nur etwa drei Meter von mir weg steht, bin ich völlig überfordert und weiß nicht, wie ich reagieren soll.
Robert steht einfach nur stumm da, schaut mir ununterbrochen in die Augen und scheint auf eine Reaktion meinerseits zu warten.
Ich bin wirklich erleichtert zu sehen, dass es ihm gut geht denn kurzzeitig habe ich mir Gedanken darüber gemacht, das ihm auch hätte etwas passiert sein können.
Trotzdem bin ich aber gleichzeitig auch unglaublich sauer und wütend auf ihn, weil er sich nicht gemeldet hat.
Ich kann nicht sagen, wie lange wir uns einfach nur stumm ansehen.
Aber plötzlich werde ich durch Kilian aus meinen Gedanken gerissen, der nun grinsend vor mir auftaucht und mir somit die Sicht auf Robert versperrt.
Nur widerwillig lenke ich meine Aufmerksamkeit auf ihn und schaue ihn fragend an.
"Ich wünsche dir einen schönen Feierabend und ein tolles Wochenende! Vermassel es nicht gleich und lass ihn sich wenigstens erklären, dann kannst du ihm immer noch den Laufpass geben!" rattert er runter und drückt mir im nächsten Moment auch schon meine Jacke und Handtasche in die Hand.
Was zum ...?!
Ich kann gar nicht so schnell reagieren, da zieht Kilian mich schon vom Hocker und gibt mir einen zarten Stoß in Richtung Robert.
Ich schaue kurz überfordert zurück zu Kilian und Chrissy, in der Hoffnung, das würde mir in irgendeiner Weise etwas nützen.
Aber die beiden sitzen einfach nur grinsend da und geben mir klar zu verstehen, dass ich jetzt endlich zu Robert gehen soll.
Ich schließe kurz meine Augen, atme tief durch und drehe mich dann wieder um.
Robert steht noch genauso da, wie vor ein paar Sekunden, aber ich glaube so was wie Erleichterung in seinen Augen aufblitzen zu sehen.
Scheinbar hat er schon damit gerechnet, dass ich ihn anschreie und anschließend zum Teufel jage.
Dieser Gedanke bringt mich kurz zum Schmunzeln, aber ich setze schnell wieder eine ernste Miene auf und gehe mit gestrafften Schultern auf ihn zu.
Einen Schritt vor ihm bleibe ich stehen und schaue ihn abwartend an.
Wortlos drückt er mir den riesigen Strauß in die Hand und hält mir anschließend seine Hand hin.
Kurzfristig beschließe ich, für den Moment einfach nicht nachzudenken, deshalb ergreife ich sie und lasse mich dann von ihm aus der Bar führen.
Keine Ahnung, womit ich gerechnet habe, aber als er in Richtung des kleinen Parks ganz in der Nähe, anstatt zu seinem Wagen geht, bin ich ehrlich gesagt überrascht.
Schweigend gehen wir händchenhaltend durch die Straßen, bis wir an unserem Ziel ankommen.
Zum Glück ist es heute Nacht nicht wirklich kalt, sodass wir uns kurze Zeit später auf eine braune Holzbank setzen.
Statt meine Hand loszulassen, hält er sie weiterhin fest in seiner und streichelt mit seinem Daumen zärtlich über meinen Handrücken.
Wir schauen beide eine ganze Weile einfach nur in die Ferne, wo man wegen der kaum vorhandenen Helligkeit, nur noch die Umrisse der Bäume sehen kann.
"Ich kann mir vorstellen, dass du ziemlich sauer auf mich sein musst. Umso mehr freut es mich, dass du mir eine Chance gibst, es wenigstens zu erklären.", sagt er leise in die Nacht.
Kaum zu glauben, aber seine raue und gleichzeitig liebevolle Stimme beruhigt mich ungemein.
"Ich habe eine ziemliche Achterbahnfahrt hinter mir.", sage ich.
Zum ersten Mal seit wir hier sitzen, schaut Robert mich an.
"An manchen Tagen war ich unglaublich wütend auf dich, an anderen habe ich mir unglaubliche Sorgen um dich gemacht und an anderen war ich einfach nur ausgelaugt, verwirrt und traurig.
Ich wusste nicht, ob du einfach nichts mehr von mir wissen willst, ob dir etwas passiert ist oder sonst was.", erkläre ich mich und schaue weiterhin einfach in die Ferne.
Robert's Griff um meine Hand wird etwas fester, aber das stört mich nicht, im Gegenteil. Es zeigt mir, dass ich ihm wohl doch nicht so egal von, wie ich mir zwischenzeitlich eingeredet habe.
"Wo warst du, Robert?", durchbreche ich die aufkommende Stille und bin mir dabei nicht sicher, ob ich die Antwort darauf wirklich hören möchte.

Why do you play with me?Where stories live. Discover now