⌞chapter nine⌝

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Baekhyun sitzt im Schneidersitz auf einem der Plastikstühle, seine Tasche liegt irgendwo unter dem Sitz und jedes Mal, wenn er lacht, dreht sich das gesamte Abteil zu ihm um. Lily grinst, wann immer er etwas sagt und obwohl sie auf Englisch sprechen, habe ich schon längst keine Ahnung mehr, worum es in ihrem Gespräch geht.

Der Bildschirm über der Tür kündigt die nächste Station an, und mir fallen tausend Steine vom Herzen, als ich bemerke, dass es unsere Station ist. Ich weiß, dass Baekhyun noch weiter draußen wohnt, und so mache ich mich innerlich schon dafür bereit, endlich wieder ein wenig mehr Aufmerksamkeit zu bekommen, als ein vertrockneter Apfel.

Ich stehe beinahe unmittelbar auf, als der Zug zum Halten kommt und springe auf den Bahnsteig unserer Station, der zur Hälfte im Freien liegt und an diesem Februarabend von einem eisigen Wind durchweht wird. Die Türen der U-Bahn wollen sich schon wieder schließen, als Lily in einem wagemutigen Satz durch die Metallscheiben hüpft. Als ich mich zu ihr umdrehe, die Türen mit einem lauten Quietschen zufallen und sie neben mir auf dem desertierten Steig landet, sehe ich Baekhyun durch das verspiegelte Fenster, dessen karmesinrotes Haar wie ein Leuchtfeuer durch die Scheibe glänzt.

Er und Lily winken sich demonstrativ melodramatisch zu, wie ein Liebespaar, das durch ihre drastischen Umstände für immer getrennt werden soll, aber keiner der beiden kann den Akt für einen Zeitraum, der länger als vier Sekunden dauert, aufrecht erhalten. Lily biegt sich vor Lachen, während Baekhyun ihr ein letztes, flüchtiges Grinsen durch die Scheibe zukommen lässt, ehe der Zug sich wieder in Bewegung setzt und selbst Baekhyun zu einer bunten Schliere im Einheitsgrau verschwimmt.

Ich lehne an dem Pfosten, der das Vordach stützt und sehe Lily so genervt an, dass ihr Grinsen einem Augenrollen weicht.

„Lass mich Spaß haben", schmollt sie und legt ihren Arm um meine Schultern, während sie mich von dem mit Reklame vollgeklebten Pfeiler wegzieht.

„Spaß mit Byun Baekhyun", sage ich seufzend, „ist das Äquivalent von Spaß in einem aktiven Atomreaktor. Oder Spaß im Weltall ohne Raumanzug. Spaß bei der nordkoreanischen Regierung. Spaß bei einem—"

Lily unterbricht mich, indem sie mich die steilen Stufen hinab zerrt, die aus der erhöhten Station in denjenigen Wohnkomplex führen, in dem wir seit fast neun Jahren ansässig sind. „Was hast du gegen Baekhyun?"

„Nichts Wirksames", seufze ich in den Kragen meiner Jacke und passe auf, dass ich in meinem Versuch, beleidigt zu wirken, nicht über die Bodenwelle stolpere, die ebenfalls seit fast neun Jahren aus dem Metall hervorsteht.

„Leider kann ich nicht mit ihm befreundet sein." Lily zupft am Ärmel ihrer Jacke herum, als müsse er wieder in Form gebracht werden.

„Warum?" Oh, ja. Dank sei Euch, koreanische Götter.

„Sein bester Freund ist Jongdae. Kim Jongdae."

Da ich nicht weiß, inwieweit unser allerliebster Schreihals ein Ausschlusskriterium für eine aufkeimende Freundschaft ist, gebe ich nur einen unverständlichen Laut von mir und sehe verärgert gen Himmel, als mich ein eiskalter Regentropfen an der Wange erwischt.

„Tragisch", meine ich apathisch.

„Ich finde deinen Mangel an Anteilname beklagenswert."

Dass sie Star Wars zitiert, stimmt sogleich viel versöhnlicher und als sie den Arm um meine Schulter legt, schüttle ich sie nicht mehr ab.

„Ich halte es keine zwei Sekunden in Jongdaes Gegenwart aus", fügt Lily erklärend hinzu. „Also wird Baekhyun wohl auf mich verzichten müssen."

Zum Glück verschwindet Baekhyun schon allzu bald wieder aus unserer Konversation, als Lily auf die Tatsache zu sprechen kommt, dass sie zwar Tao ständig im Diner sieht, aber von Kris Wu seit dem Abend im Blue keine Spur ist.

Be My MuseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt