⌞chapter two⌝

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[ 02 // tales of awkwardness ]

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[ 02 // tales of awkwardness ]

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Ich weiß sofort, dass Dad Zuhause ist, als ich ein vergeigtes Examen später durch die Haustür schlüpfe und meine Stiefel von den Füßen trete. Natürlich habe ich schlechte Laune und natürlich ist Lily gerade heute von ihrem Englischlehrer zurückgehalten worden und hat es folglich nicht geschafft, mir die gesamte U-Bahnfahrt lang ins Gewissen reden, von wegen, dass es eine schlechte Note ohnehin nur ein relativer Begriff sei und ich froh sein müsste, nicht auch noch obendrein von einem tollwütigen Köter gebissen zu werden.

Dad steht in der Küche an der Theke und lacht gemeinsam mit Rebecca, die heute viel früher Schluss hatte. Eine Wärme, die nichts mit Temperatur zu tun hat, hat sich in der Wohnung ausgebreitet, und kaum, dass ich meine Jacke auf den Garderobenhaken gehängt habe—oder zumindest verwende ich Glindas marokkanischen Holzelefanten dafür—schlittere ich durch den Flur auf die Küche zu.

Meine schlechte Laune ist plötzlich wie weggeblasen. Dass Dad jede Woche in kriegszerrütteten Krisengebieten unterwegs ist, macht seine sichere Heimkehr jeden Freitag aufs Neue zu einem Großevent. Und heute wollen wir auch noch gemeinsam etwas unternehmen, als Familie.

Auch wenn es nur eine dämliche Tanzveranstaltung von Beccas noch dämlicheren Freund ist, gehen wir danach irgendwo in Gangnam essen, und es gibt nichts, das ich mehr liebe.

„Dad!", rufe ich also, kaum, dass ich seine hohe, sonnengebräunte Gestalt an der Theke ausmache. Hinter ihm pfeift ein Teekessel, während meine Zwillingsschwester in Jogginghose und Strickpulli vor ihm steht und irgendetwas Belangloses erzählt. Immer, wenn Dad nach Hause kommt, egal, ob aus Israel, der Ukraine oder sogar Libyen—er muss sich zuerst einen Tee aufsetzen. Es hat beinahe etwas Rituelles, wie er das Wasser in den getupften Kessel füllt, (ein Geschenk von Mum, unserer Mum), in den untersten Schubladen des Proviantschranks die Packung Grünen Tees hervor fischt—die man angeblich nur in einem gewissen Lebensmittelgeschäft in Dublin kaufen kann—und dem nächsten Familienmitglied eine Tasse davon aufdrängen will. Wir sagen immer nein; Grüner Tee schmeckt noch widerlicher, als die Bezeichnung vermuten lässt.

„Mira!", lächelt er und ich springe in seine Arme. Plötzlich bin ich wieder vier Jahre alt, während Becca neben mir mit angesäuerten Blick aus dem Fenster starrt. Vermutlich habe ich ihren äußerst gehaltvollen Monolog unterbrochen und sie fühlt sich in ihrer Wichtigkeit auf der Erde nicht ernst genug genommen. „Wie geht es dir? Wie war dein Examen?"

Ich rechne es ihm hoch an, dass er trotz andauernder, dutzender Grenzkonflikte unter der Woche nie vergisst, wann wir in der Schule eine Prüfung haben. Aber heute mache ich nur eine müde Geste, die bedeuten soll, dass ich meinen akademischen Kopf los bin, während Becca schmal grinst. Sie hat mir die Schmach von heute Morgen noch nicht verziehen, und preist gedanklich wohl gerade ihre Karma-Götter. Schlange.

Be My MuseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt