《Kapitel 39》▪Claire▪

21.4K 930 81
                                    

Mit einer vornehmen Geste streckte er seinen Arm aus und bedeutete mir, ins Esszimmer zurückzukehren. Jess stand wie angewurzelt neben mir.

„H-hat Maxim nicht von drei Tagen gesprochen?", fragte ich an Jess gewandt, während ich Lestat perplex anstarrte. Jedoch antwortete Jess mir nicht, sondern starrte genauso wie ich den Vampir vor unserer Nase an.

„Das stimmt. Ich muss mich für mein unhöfliches Verhalten entschuldigen, dass ich zwei Tage früher als geplant hier bin. Aber wo wir gerade von meinem Sohn sprechen, wo steckt er denn?" Lestat schaute sich suchend in dem Esssaal um, als würde Maxim gleich hinter einem der morschen Stühle aufspringen.

„In einer Zelle im Verließ", antwortete ich, ohne den Grund für unsere Unterhaltung zu kennen. Sollte ein Vampir, der extra hierher gekommen war um mich zu töten, seinen Plan nicht gleich in die Tat umsetzen? Oder war es üblich, dass ein Mörder mit seinem Opfer vor dessen Ermordung noch einen kurzen Plausch hielt?

„Dann werde ich ihn wohl beten, mit uns eine Kleinigkeit zu essen. Wenn ihr doch schonmal Platz nehmen würdet. Ich mag mein Essen lieber in einem guten Ambiente serviert als auf der Flucht." Und dann war er plötzlich verschwunden, direkt vor meinen Augen. Ich blinzelte und drehte mich zu Jess um, während mein Nacken unangenehm kribbelte, weil Lestat Jess und mich gerade als Nahrung bezeichnet hatte.

„Wir sollten fliehen, jetzt sofort! Bevor er mit Maxim auftaucht!"

Doch es war schon zu spät, denn in demselben Moment erschien Lestat genauso plötzlich vor unseren Augen, wie er eben verschwunden war. Hinter ihm stand Maxim, dessen gruselig leuchtende, rote Augen sturr auf Jess gerichtet waren. Wenn man die beiden Vampire verglich, sah Lestat nicht viel älter aus als Maxim, jedoch hatte er eine viel mächtigere und vornehmere Ausstrahlung, die einen ahnen ließ, dass er bereits seit undenkbar langer Zeit ein Vampir war. Soger in seinen dunkelroten, trüben Augen spiegelte sich sein Alter wieder, denn sie wirkten viel weiser als die von allen anderen Menschen und Vampiren, denen ich jemals begegnet war. Als hätten sie schon viel zu viel vom Leben gesehen und waren deswegen so trüb geworden.

„Na schön. Wollen wir es jetzt gleich hinter uns bringen oder wartest du auf etwas Bestimmtes?", fragte ich Lestat gerade heraus, weil mich die Stille in dem Saal genauso sehr verunsicherte wie sie mich aufregte. Wenn ich hier schon sterben musste, dann sollte ich wenigstens ein Recht darauf haben zu bestimmen, wann mein Tod sein sollte. Ich fühlte mich zwar nicht gerade bereit zu sterben, doch darauf zu warten schien mir genauso unerträglich zu sein.

„Mutig und unglaublich leichtsinnig. Aber was habe ich erwartet?" Lestat seufzte und klopfte einen der morschen Stühle ab, bevor er sich darauf niederließ. Der Stuhl gab ein besorgniserregendes Knacken von sich, doch wider meiner Erwartung hielt er stand. „Lass es mich dir erklären, Claire. James – wie er sich derzeit nennt – ist der älteste von den von mir geschaffenen Vampiren, die noch auf dieser Erde weilen. Die anderen sind schon alle zu Asche verbrannt oder auf eine andere Weise gestorben. Und als mein ältester Sohn hat er ein einziges Verbot, gegen das er nicht verstoßen darf: Sich zu verlieben. Denn Liebe ist wie eine mentale Krankheit; eine Seuche, die einen schwach macht und einen vergessen lässt, worauf es wirklich auf dieser Welt ankommt. Uneingeschränkte Macht."

„Nein. Du irrst dich. Liebe bedeutet Macht, ohne sie ist das Leben wertlos", widersprach ich Lestat.

„Still! Ihr Menschen wisst gar nichts! Ihr seid dumm und naiv, wenn es um Liebe geht, und würdet sogar für diejenigen sterben, die ihr liebt." Er stieß ein kurzes, belustigtes Lachen aus, bevor er schlagartig wieder ernst wurde. „Und genau das ist es, was du heute tun wirst, Claire: für den Vampir sterben, denn du liebst."

Eine Nacht mit einem Vampir Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt