《Kapitel 7 pt.I》 ▪Claire▪

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Es wird nicht ein Tag vergehen, an dem du nicht an mich denken wirst.

Sein letzter Satz klang mir noch lange in den Ohren nach. Wie recht er doch hatte.

Nachdenklich schaute ich aus dem Fenster des inzwischen altbekannten Bentleys. Victor, der mich nun schon zum zweiten Mal nach Hause fuhr, schien sogar etwas aufgeschlossener zu sein, denn als ich einstieg, hatte er mir einen kurzen Blick zugeworfen, bevor er das Auto startete.

Als wir meine Straße erreichten - in einem weniger befahrenen Viertel Miamis als das, in dem James' Apartment lag - parkte Victor vor dem Haus und drehte sich zu mir um.

Überrascht von so viel Einsatz schaute ich dem älter wirkenden Vampir in sein faltiges Gesicht.

„Miss Claire, ich muss Sie warnen. Offenbar hat der Sir Gefallen an Ihnen gefunden. Nein, das war nicht anders zu erwarten", fing er mit ernstem Ton zu sprechen an. „Doch wie Sie heute gemerkt haben, ist der Herr nicht immer einfach. Er ist nicht wie Sie, wissen Sie. Er ist ein Vampir. Und wenn Sie sich auf ihn einlassen, fangen Sie ein Spiel mit dem Feuer an."

„Danke für die Warnung, Victor - aber ich bin mir sicher, dass ich mich nicht auf den Vampir einlassen werde", erwiderte ich bestimmt.

„Wenn Sie meinen, Miss Claire", lächelte der Vampir, als würde er meinen Worten keinen Glauben schenken. „Passen Sie bloß auf, dass Sie sich nicht verbrennen."

„Das werde ich nicht",versicherte ich ihm. „Eigentlich würde ich jetzt Auf Wiedersehen sagen, aber ich denke nicht, dass das der Fall sein wird."

Jetzt lächelte der Vampir mich noch breiter an und mit seinen funkelnden Augen strafte er mich lügen. Er würde noch sehen, wer von uns Recht hatte.

In der Wohnung angekommen, huschte ich schnell ins Badezimmer. Ich hatte Glück, dass Jess nicht im Wohnzimmer war, sonst hätte sie meine blutbeschmierte Kleidung gesehen. Im Bad stopfte ich T- Shirt, Hose und Schuhe in einen Müllbeutel. Die Sachen würde ich sowieso nie wieder anziehen können, denn sie waren von oben bis unten mit meinem und James' Blut besudelt. Dann setzte ich mich in die Badewanne und ließ kaltes Wasser ein.

Ich fühlte mich wirklich komisch, als stünde ich unter Strom. Mir war heiß, dabei hatten wir Ende Mai die heißen Sommertage nicht einmal ansatzweise erreicht. Und dann diese ständigen Gedanken... Gedanken an James. Wie er von mir trank. Wie er mich küsste. Wie er, nur in Jogginghose, neben mir im Bett lag, als wäre es das selbstverständlichste auf der ganzenWelt.

Bei der Vorstellung von James, wie er sich lässig auf dem geräumigen Bett ausstreckte und mir eines dieser sexy Grinsen schenkte, fing mein Körper an zu kribbeln. Verlegen strich ich mir über den Hals, dort, wo James mich gebissen hatte, und dann weiter hinunter... oh James, was hast du mir nur angetan?

„Claire! Claire, bist du da?", rief mich Jess' aufgebrachte Stimme zurück in die Wirklichkeit. Erschrocken zog ich meine Hand zurück und legte sie auf den kühlen Badewannenrand. „Claire, wo warst du bloß so lange? Ich habe mir schreckliche Sorgen gemacht und dich die ganze Zeit angerufen!"

„Warte, ich komme gleich raus!", rief ich zurück und drehte den Abfluss der Badewanne auf. Dann wickelte ich mich in ein Handtuch ein und beäugte die Stelle an meinem Hals im Spiegel über dem Waschbecken, an der eigentlich Bissspuren zu sehen sein sollten. Merkwürdig. Während ich die kleinen, kaum bemerkbaren Einstichstellen an meiner Unterlippe noch Tage später gespürt hatte, war diese Wunde innerhalb weniger Stunden verheilt.

Dann holte ich tief Luft und schloss die Badezimmertür auf.

„Tut mir Leid, dass ich mich nicht gemeldet habe. Ich habe wohl mein Handy hier vergessen", entschuldigte ich mich und schaute zu Boden. Jess hingegen stand mir aufrecht gegenüber, die Arme wütend vor der Brust verschränkt.

„Wo warst du, Claire? Deine Eltern haben sogar angerufen, und als ich ihnen nicht sagen konnte, wo du warst, sind sie völlig an die Decke gegangen." Oh, oh, nicht gut. Aber auch meine beste Freundin sah so aus, als würde sie jeden Moment an die Decke gehen. Am besten blieb ich so nah an der Wahrheit, wie es ging.

„Ich war auf einem Date, und danach-"

„Was meinst du mit Date? Ein Treffen unserer Lerngruppe? Denn das hätte ich doch-"

„Nein, Jessica. Ein richtiges Date mit einem richtigen Mann", unterbrach ich sie und verdrehte die Augen. Nur weil ich nicht wie sie häufiger mit Männern ausging - naja gut, eigentlich nie - war das doch sicherlich nicht so abwegig.

„Wer ist er? Und warum hast du mir vorher nicht Bescheid gesagt?", fuhr Jess mich an und zog mich mit sich ins Wohnzimmer auf die Couch, damit ich ihr alles erzählen konnte.

„Ich habe es vergessen, dir zu erzählen. Es war eher nebensächlich, keine große Sache", log ich, denn auf keinen Fall durfte ich ihr von seiner Vampirnatur erzählen. Damit würde ich sie nur in die Sache mit reinziehen und sie gefährden. „Sein Name ist James Hunter."

„James Hunter? Doch nicht etwa der James Hunter?", hakte sie mit vor Staunen großen Augen nach. Als ich verhalten nickte, klappte ihr Unterkiefer nach unten. „Claire, weißt du nicht, wer das ist?"

„Nein, woher auch? Wir haben uns über ein Dating - Portal im Internet kennengelernt", schwindelte ich, wobei ich das Dating- Portal der Realität alle Mal vorgezogen hätte.

Jess kramte unterdessen auf dem Couchtisch, bis sie eine ihrer Frauenzeitschriften in den Händen hielt. Dann schlug sie eine Seite auf und begann vorzulesen:

„Heiß, heißer, James Hunter. So wird der erfolgreiche Bauunternehmer von den weiblichen Gästen unserer Prominenz bezeichnet. Noch bis vor fünf Jahren konnte keiner etwas mit seinem Namen anfangen, bis er sich plötzlich aus der Asche der Anonymität erhoben hatte und zu einem weiteren Sternchen an unserem Himmel voller Stars wurde. Man munkelt, dass dem Verkaufstalent sämtliche Bauprojekte an der Ostküste gehören - und nicht nur das. Lesen Sie weiter und tauchen Sie mit mir in die Welt dieses zwielichtig betrachteten Mannes ein, der sich auch auf den gefährlichen Straßen seiner Heimatstadt Miamis einen Namen gemacht hat."

Neben dem Artikel war einFoto von James abgelichtet, auf dem er in einem schwarzen Anzug posierte und finster dreinschaute. So viel dazu, dass man Vampire nicht fotografieren kann.

„Claire, weißt du, was das heißt? Dieser Mann ist höchstwahrscheinlich milliardenschwer!"

Jess' ernster Blick holte mich wieder ein.

„Er hat zu mir nichts davon gesagt. Ich hätte mich vorher über ihn informieren sollen, ich weiß", murmelte ich. Innerlich rügte ich mich dafür, nicht vorher schon nach den bekannten Milliardären in Miami recherchiert zu haben - so, wie James lebte, konnte er nur steinreich sein.

„Erzähl mir, was ihr gemacht habt. Seit ihr zusammen in einem Helikopter über Downtown geflogen?", kicherte sie.

„Oh nein, nicht wirklich. Er... hat mich zum Essen eingeladen, also auf die ganz klassische Tour", berichtete ich. Natürlich, die klassische Tour: Mit zertrümmerten Handgelenken und einem Vampir, der mich fast getötet hätte. Sonst noch was?

„Wie romantisch. Um ehrlich zu sein, hätte ich nicht gedacht, dass du während des Colleges noch eine Beziehung anfängst. Aber was soll ich sagen, mein Baby wird erwachsen", lachte sie. „Ich finde, du siehst irgendwie fertig aus. Aber kein Wunder, es ist ja auch schon wieder früher Morgen. Leg dich lieber schlafen, und morgen erzählst du mir alles über deinen Abend."

„In Ordnung. Gute Nacht", wünschte ich meiner besten Freundin und umarmte sie kurz.

Dann floh ich dankbar in mein Zimmer, streifte mir eines meiner viel zu großen T- Shirts über, die ich immer zum Schlafen trug, und legte mich in mein Bett. Doch obwohl mir der Schlaf gut tun würde, konnte ich kein Auge zutun. Ich spürte in aller Deutlichkeit, wie die schwere Decke sich auf mich legte. Ich hörte die Autos draußen auf der Straße hupen, die viel lauter als sonst waren.

Die Nacht zog mich an; ähnlich, wie eine Motte vom Licht angezogen wurde. Und doch konnte ich erst dann Schlaf finden, als sich schon längst die ersten Sonnenstrahlen in meinem Zimmer ergossen und meine Möbel in ein korallenfarbenes Licht tauchten.








Da das Kapitel sehr lang ist, habe ich es in zwei Teile aufgeteilt. Der nächste erscheint in einer Stunde, also um 19 Uhr. Viel Spaß beim Lesen❤

Eine Nacht mit einem Vampir Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt