《Kapitel 34》▪Claire▪

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Verschlafen versuchte ich, mich zu strecken, doch James' schwerer, warmer Körper hielt mich davon ab, da er zur Hälfte auf mir lag. Ich öffnete träge meine Augen und sah nichts als den vom Sonnenaufgang rötlich gefärbten Himmel über mir. Zuerst war ich von diesem wunderschönen Anblick ganz hypnotisiert. Dann fiel mir ein, dass der Mann, der seinBein gemütlich mit meinem verschlungen hatte und dessen bloßer Rücken schutzlos der Sonne ausgesetzt war, kein normaler Mann, sondern ein Vampir war.

„Wach auf, James!", sagte ich laut und schüttelte vorsichtig an seiner Schulter. Zum Dank dafür erntete ich ein mürrisches Knurren und einen empörten Blick aus grauen Augen. Als James seinen Kopf wieder an meine Schulter lehnen wollte, pikste ich ihm entschlossen in die Seite. „Wach auf. Sofort. Ich will nicht, dass die Sonne dich-"

„Ich bin ein siebenhundert Jahre alter Vampir. Da werde ich mich bei ein bisschen Sonne schon nicht zu einem Haufen Asche verwandeln", beschwerte sich James. Dennoch griff er nach mir und der Decke, die mich vor der nächtlichen Kälte geschützt hatte, und hob uns beide von der Lounge. Sekunden später lag ich in seinem bequemen, übergroßen Bett und kuschelte mich an seine Seite. Ich hätte augenblicklich wieder einschlafen können, wenn da nicht das drückende Gefühl meiner Blase gewesen wäre, die auf einmal dringend geleert werden wollte.

Ich befreite mich aus dem Wirrwarr von James' Armen und verschlungenen Laken und durchquerte das verdunkelte Schlafzimmer bis zur Tür des angrenzenden Badezimmers. Dort angekommen, schloss ich die Tür und lehnte mich von innen dagegen. Mit einem Lächeln auf dem Gesicht dachte ich an die letzte Nacht. James und ich hatten miteinander geschlafen. Mehrmals. Und es hatte sich gut angefühlt ... so, als wären wir für einander geschaffen worden. Ich trat ein paar Schritte hervor und stellte mich vor den großen, mit Ornamenten verzierten Spiegel. Die Bissspuren, die James letzte Nacht auf meinem Körper hinterlassen hatte, hoben sich deutlich in roten Tönen von meiner blassen Haut ab. An einigen Stellen hatten sich Blutergüsse darum gebildet und in meinen Gliedmaßen spürte ich die Nachwirkungen der vergangen Nacht in Form eines schreienden Muskelkaters - und trotzdem hatte ich mich noch nie in meinem Leben besser gefühlt.

Nachdem ich schnell die Toilette benutzt hatte, ging ich zurück in das Schlafzimmer. Obwohl James von uns beiden derjenige mit einer unsterblichen Kondition war, schien er von letzter Nacht mindestens genauso erschöpft wie ich zu sein, denn er schlief immer noch tief und fest. Auf seinem Gesicht lag ein friedlicher Ausdruck, seine Mundwinkel waren leicht nach oben gezogen. Sein mit Muskeln bepackter Brustkorb hob und senkte sich gleichzeitig, was mich automatisch zu der Frage brachte, warum er als Vampir überhaupt atmete. Müsste er nicht rein theoretisch tot sein?

Ich beschloss, ihn mit meiner Frage zu konfrontieren, wenn er aufgewacht war. Bis dahin sollte ich mir etwas zu essen besorgen, denn mein Magen fing lautstark zu knurren an. Ein Hoch auf die menschlichen Bedürfnisse, dachte ich belustigt und verschwand kurz in den Ungetümen des begehbaren Kleiderschrankes, um mir Jeans und Pullover anzuziehen.


In der Küche traf ich auf einen überrascht aussehenden Victor. „Miss Claire! Ich wusste nicht, dass Sie schon wach sind. Der Herr hatte mich ausdrücklich angewiesen, erst nach zwölf Uhr hierher zu kommen, aber ich dachte mir, dass Sie vielleicht ein anständiges Frühstück wollen."

„Vielen Dank, Victor, genau das kann ich jetzt gebrauchen. Aber bitte, Claire reicht vollkommen aus." Ich setzte mich auf einen Stuhl am Küchentisch und beobachtete Victor, der gerade Eier in einer Pfanne briet. Als er das Rührei auf einen Teller lud und diesen zu mir an den Tisch brachte, fiel mir sein hinkender Gang auf, bei dem er sein rechtes Bein immer ein Stückchen hinter sich her schleifte.

„Victor, was ist mit deinem Bein?", fragte ich besorgt und stand abrupt vom Stuhl auf. Erst jetzt bemerkte ich, dass er seinen rechten Arm angewinkelt hielt und ihn weniger belastete als den linken. Bevor Victor etwas einwenden konnte, hatte ich den Ärmel seines Hemdes ein wenig nach oben geschoben und so einen Blick auf seinen rechten Arm erhascht. Blasen und rote Striemen zogen sich über vereinzelte Stellen seines Armes, die aussahen, als könnten sie von Verbrennungen stammen. Dort, wo die Haut nicht mit Blasen oder Striemen bedeckt war, war zart rosafarbenes Fleisch zu sehen. Wenn ich mich mit solchen Dingen auskennen würde, hätte ich vermutet, dass seine Haut an diesen Stellen frisch nachgewachsen war.

Eine Nacht mit einem Vampir Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt