t h i r t y n i n e

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Heute begann die nächste Woche, heute würde ich nach der Schule das erste Mal die Shadows besuchen. Ich war etwas aufgeregt und fragte mich, wie viel Stress und wie wenig Zeit für anderes ich tatsächlich haben würde. Gleich würde es losgehen, denn der Englischunterricht, in dem ich mich gerade befand neigte sich dem Ende zu und unsere Lehrerin schrieb gerade die Hausaufgaben an die Tafel. Viele Hausaufgaben. Für morgen. Das fing  ja schon mal gut an, Vollstress am ersten Tag. Wann würde ich wohl nach Hause kommen?

Elouises Ellenbogen in meinen Rippen riss mich aus meinen Gedanken. Sie lehnte sich leicht zu mir hinüber und flüsterte: ,,Hey, kommst du heute Mittag mit Eis essen? Rose und ich finden das Wetter zu schön, um drinnen herumzusitzen." Schweren Herzens musste ich ablehnen. Das Wetter war wirklich toll. Die angenehme Herbstsonne schien und kein Wölkchen war am Himmel. Und ich würde meinen restlichen Tag in einer Parallelwelt verbringen. ,,Nein, sorry ich kann nicht mitkommen. Heute ist mein erster richtiger Unterrichtstag bei den Shadows, weißt du doch." Sie sah nicht übermäßig enttäuscht aus. ,,Ach ja stimmt, das hatte ich ganz vergessen. Na dann einfach nächstes Mal." Lächeln nickte ich , während ich mir eigentlich sicher war, dass ich „nächstes Mal" genauso wenig Zeit haben würde wie dieses mal.

Die Glocke läutete, ich verabschiedete mich von Rose und Elouise und fuhr mit der U-Bahn nach Hause. Mein Dad war heute früher von der Arbeit da und wollte mich vor meiner "Schauspielstunde" noch treffen, doch als ich die Wohnung betrat, war er noch nicht da. Das war eigentlich ein Vorteil für mich, dennoch  konnte ich ungestört die Sachen packen, die ich mitbringen sollte, ohne unangenehme Fragen zu beantworten. Ein Block, Stifte, Wasser und Sportsachen wanderten in meinen Lederrucksack, welchen ich sorgfältig zuschnürte und mitnehmbereit neben die Wohnungstür stellte. Emmy hatte mir die ganze Zeit aufmerksam dabei zugesehen, jetzt kam sie angelaufen und wollte ein paar Streicheleinheiten, die ich ihr auch gewährte. Nach ungefähr fünf Minuten kam mein Dad nach Hause und wollte Nudeln für uns machen, doch  ich hielt ihn davon ab, denn ich musste mich beeile, um noch rechtzeitig bei den Shadows zu sein. Er wirkte ein wenig erstaunt, verabschiedete sich aber von mir. Ich war schnell aus der Tür und ging schnellen Schrittes in Richtung U-Bahn. Sobald ich mir sicher war, nicht mehr im Sichtfeld meines Dads zu sein, der aus dem Wohnungsfenster blickte, bog ich in eine Kleine Seitengasse ein und suchte mir die dunkelste und uneinsichtigste Stelle, was bei diesem Wetter gar nicht leicht war. Als ich dann etwas halbwegs geeignetes gefunden hatte, quetschte ich mich so tief in den Hauseingang wie möglich und stellte mir das Dach des Gebäudes vor, in dem sich Scarletts Zimmer befand. Ich wirbelte durch die Schwärze, und zack, stand ich dort oben. Ich schwankte kurz, dann schwang ich mich in die Luft und flog zu Scarletts Fenster. Ich klopfte an, und sie erschrak sich ziemlich, denn sie hatte lesend auf dem Bett gelegen. Nach einer Schrecksekunde stand sie auf und öffnete mir das Fenster, ich kam herein und landete auf dem Teppich. ,,Hi, Zoe.", sagte sie , ,,Wir müssen auch direkt los. Bei Selbstverteidigung haben sie es nicht so gerne, wenn man zu spät kommt, am besten ziehst du deine Sportsachen direkt schon mal an, dann musst du dich nicht in der Halle umziehen." Ich tat wie geheißen und ging ins Bad, um mich umzuziehen. Das fing ja schon mal gut an. Der erste Tag, an dem ich wirklich den Unterricht hier besuchte, und schon total viel Stress. Zusätzlich plagte mich noch   die Vorstellung von Rose und Elouise, die lachend zusammen Eis aßen und vermutlich gar nicht an mich dachen. In Sportsachen gekleidet trat ich wieder hinaus zu Scarlett, die sich ebenfalls umgezogen hatte.
,,Fliegen?", fragte sie. ,,Fliegen.", bestätigte ich ihr. Also stieg sie auf meinen Rücken, ich öffnete das Fenster und segelte heraus. Wir hielten noch kurz, damit sie das Fenster schließen konnte, dann flogen wir los. Scarlett lotste mich zu einem großen grauen Betonklotz mit vielen großen Fenstern. Ich schwebte vor dem Eingang zu Boden und fing mir ein oder zwei verwunderte Blicke ein, ignorierte sie aber. Wir gingen hinein, und Scarlett wechselte ein Paar Worte mit einer Art Empfangsdame, die daraufhin irgendetwas auf einem Blatt Papier durchstrich. Dann liefen wir in einen  Flur und durch eine Doppeltür im eine große Turnhalle.
,,Das“, sagte Scarlett stolz, ,,ist die Kampfsporthalle. Hier trainiert man, sich im Notfall ohne Waffe zu verteidigen oder auch anzugreifen. Wir trainieren verschiedene Sportarten, du bist neu und wir machen das seit fast einem Jahr, . Ich kann dir jetzt schon sagen: das wird kein Zuckerschlecken, Zoe. Das sollte dir von Anfang an klar sein. Sei nicht zu enttäuscht, wenn du oft scheiterst, ja?"
Ich nickte. Das waren zwar nicht die besten Aussichten, aber ich würde das schon irgendwie gebacken kriegen. Vielleicht war der Unterschied zu den anderen ja gar nicht so groß.

Der Unterschied zu den anderen war groß, wie ich nach ein paar Minuten Training feststellte. Der Trainer war ganz okay und bemühte sich, mir die Grundlagen beizubringen. Das Problem war, dass er die anderen a auch beschäftigen musste. Er gab ihnen also den Auftrag, in fairen Zweikämpfen das zu üben, was sie bis jetzt gelernt hatten. Sie kämpfen also und Mr. Parker brachte mir die Grundlagen on Karate bei. Das war eine der Sportarten, die wir in unserer Ausbildung lernten. Das Training war ziemlich anstrengend, aber ich hatte den Eindruck, mich ganz passabel geschlagen zu haben. Mr Parker sah das anscheinend ähnlich. ,,Sie waren okay, Bronx. Nicht berauschend, aber sie haben ja auch gerade erst angefangen. Sie bewegen sich aber sehr elegant. Auch wenn das bei Karate keine Rolle spielt. Machen sie sonst noch einen Sport? Ballett oder etwas derartiges?"
,,Eiskunstlauf", strahlte ich, erfreut über sein Kompliment. Er nickte, als habe er das gewusst und sagte: ,,Wie auch immer. Wenn sie in ihrer Freizeit schön fleißig üben, Bronx, dann wird das schon was werden." Freizeit. Haha, lustig. Ich hatte nicht mehr so sonderlich viel Freizeit, aber das wusste er wohl nicht. Naja, ich würde es schon irgendwie hinbekommen, so schwer konnte dass ja nicht sein, oder?
Das war eine ziemliche Fehleinschätzung, wie sich in den nächsten Wochen herausstellen sollte.

Die Schattentänzerin | AbgebrochenWhere stories live. Discover now