n i n e t e e n

388 54 7
                                    

Wieder mal schnappte ich mir meinen Mantel und den Schlüssel, holte Emmy, legte meinem wiederstrebenden Hund sein Halsband an und verließ das Haus.

Wieder mal machte ich mich auf den Weg zur Charing Cross Station und stieg in die U-Bahn zum Hyde Park ein.

Alles wie immer.

Ich stieg im Hyde Park aus und machte mich auf den Weg zum kleinen Eiscafé.

Wie immer.

Emmy lief auf ihren Lieblingsbaum zu und entleerte ihre Blase.

Wie immer.

Ich sah Jake grinsend mit einem kleinen Terrier an einem Baum lehnen.

Nicht wie immer.

Wunderbar.

Ich lief auf ihn zu und setzte ein halb künstliches und halb echtes Lächeln auf.

,,Hey! Wie lange wartest du schon auf mich?", rief ich, während ich auf ihn zuging, die eine Hand in der Tasche meines Mantels und die andere an der Hundeleine.

Abermals stolperte ich und wäre fast hingeflogen, weil Emmy mich laut bellend auf Jake und seinen Terrier zuzog.

Bei Jake angekommen, lächelte ich wieder mein halb-echtes Lächeln und fragte: ,,Und, wartest du schon lange? Wenn ja, tut's mir leid, aber ich ..."

Er grinste nur weiter uns meinte: ,,Nee, ist schon okay, ich steh hier erst kurz. "

Er grinste nur weiter in die peinliche Stille hinein und blickte einmal an mir herunter, dann sagte er freiheraus: ,,Du siehst sehr hübsch aus."

Ich errötete verlegen und blickte zu Boden, während er nur weitergrinste und den Vorschlag äußerte, ein Eis zu kaufen.

Erleichtert über den Themenwechsel stimmte ich ihm zu und wir machten uns auf den Weg zum Eiscafé.

Als ich vier Kugeln Eis bestellte, guckte Jake mich erstaunt an.

,,Waschn?", nuschelte ich, mit dem Mund voll Joghurteis.

,,Naja, ich dachte ... Mädchen essen nur so voll Kalorienarm und so ... wegen Diät ..."

Ich tat diese Aussage mit einer Handbewegung ab.

,,Dasch allesch Scheische, weischt du? Diescher gansche Abnehmquatsch, und scho. Klar, mansche schwören drauf, aber dasch sching eigentlisch nur die Tuschen. Die meischten gönnen schisch mal was. Und alsch ob wir nur Schalat eschen würde, scho'n Quatsch ..."

Er sah mich nur mit hochgezogenen Augenbrauen an und lächelte.

,,Okay, dann hast du dieses Gerücht für mich aus der Welt geräumt."

,,Schön.", bestätigte ich, nachdem ich meine vier Eiskugeln verspeist hatte. ,,Wollen wir dann mal weitergehen? Dein Hund, wie hieß er noch? Dog? Wie auch immer, er wird nervös. Muss sich wahrscheinlich mal erleichtern ... "

Stumm gingen wir weiter, beide mit einer Hand in der Tasche, und setzten uns nach ungefähr einem halben Kilometer auf eine der Parkbänke, die im ganzen Park verstreut waren.

,,Na, was hast du so für Hobbys?", fragte er interessiert nach.

,,Pff .. nun ja, ich zeichne ganz gerne, ich habe ziemlich lange mal Eiskunstlauf gemacht, aber ich gab damit aufgehört, hatte keine Zeit mehr. Vielleicht fang ich aber in nächster Zeit wieder damit an, irgendwie vermisse ich das. Und du?", beantwortete ich seine Frage.

,,Eishockey.", grinste er.

,,Oh cool, vielleicht sehen wir uns da mal in der Halle! In welcher bist du denn?"

,,LIH. London Ice Hall. Und du?"

Ich dachte kurz darüber nach und erwiderte schließlich: ,,Früher war ich im COI, aber da möchte ich eigentlich nicht wieder hin. Vielleicht sehe ich mich mal in der LIH um, hat ja 'nen ganz guten Ruf."

Er lächelte immer noch wie besessen. ,,Würde mich echt freuen!"

Danach herrschte unangenehmes Schweigen, in dem wir uns nur in die Augen sahen. Besser gesagt, er sah mir in die Augen und ich wandte kurz meinen Blick ab, da es mir irgendwie peinlich wurde. Doch aus irgendeinem Grund musste ich ihm wieder in die Augen schauen, doch genau in dem Moment als mein Blick seinen traf streckte er seine Hand nach vorne und wischte mir behutsam einmal über den Mundwinkel.

Ich starrte ihn vollkommen verdattert an und er zuckte nur die Achseln, er sagte: ,,Was denn, du hattest da noch Eis." und grinste schon wieder so.

Beschämt, und mit jetzt noch röteren Wangen, wandte ich mich ab und sah zu Boden.

Nach einigen weiteren schweigsamen Minuten fragte er, neugierig und besorgt zugleich: ,,Sag mal? Geht's dir eigentlich gut? Also ich meine, weil du irgendwie ... ich weiß nicht, unglücklich wirkst. Oder traurig. Und was war das letztens am Telefon? Was ist da passiert? Und warum war da Nathans Stimme im Hintergrund?"

Sofort als er den Namen Nathan ausgesprochen hatte, wurde sein Gesicht finster, auf eine beunruhigende Weise, und er fluchte vor sich hin: ,,Mist, den Namen hätt ich nicht sagen sollen.", aber er sagte es so leise, dass ich es eigentlich nicht hätte hören sollen.

Aber jetzt hatte er mein Interesse geweckt.

,,Nathan? Wieso Nathan? Und woher kennst du ihn? Mal ganz abgesehen davon, dass er nicht Nathan heißt."

,,Das ist ... nicht so wichtig. Ich erklär es dir bei Gelegenheit.", redete er sich heraus. Er wollte es mir offensichtlich nicht sagen, und ich hatte keine Lust auf Streit, deshalb ließ ich die Sache auf sich beruhen. Ich würde sie zu einem geeigneteren Zeitpunkt angehen und ihn damit überfallen, sodass er einfach eine Antwort geben musste. Na ja, vielleicht jedenfalls.

Ich schlug vor: ,,Sollen wir vielleicht mal weitergehen? Es ist ja doch ganz schön kalt und Emmy friert glaub ich auch."

Er stimmte mir zu und wir schlenderten zusammen zum Ausgang das Parks und verabschiedeten uns voneinander.

,,Na dann ... Ciao!", lächelte ich gequält. Mir war gerade aufgefallen, dass ich noch wirklich viel zu tun hatte, weshalb ich mich auch nicht damit aufhielt, ihm lange nachzusehen, sondern mit schnellem Schritt davoneilte und in den nächsten Bus nach St. James stieg.

>>>><<<<

Wieder zuhause angekommen, befreite ich meinen überdrehten Hund von seinem Halsband und ließ mich in mein Zimmer auf mein Bett fallen.

Mir war klar, dass ich mir keine lange Pause gönnen konnte, denn in den letzten paar Wochen hatte ich die Schule ziemlich schleifen lassen.

Auch wenn ich ganz gute Noten hatte, meine Zwischenprüfung, die ich für die Versetzung in nächste Stufe brauchte, schrieb sich nicht von selbst.

Ich setzte mich slso an meinen lichtüberfluteten Schreibtisch, kramte meine Sachen heraus und begann zu arbeiten.

Wirklich konzentrieren konnte ich mich jedoch nicht, denn meine Gedanken schweiften immer weiter ab. Zu den Schattenjägern, zu Jake, zu Ethan, Isaac und Riley, zum fliegen, zu Florian. Und schlussendlich blieben sie bei meiner Nahtoderfahrung hängen.

Was war da passiert? Also, mal abgesehen davon, dass ich mir die Pulsadern aufgeschlitzt hatte. Was war vorher passiert? Wie war ich zurück in mein Zimmer gekommen?

Es hatte etwas mit den Shadow-Fähigkeiten zu tun, da war ich mir sicher. Ich hätte ja vermutet, dass es eine meiner Fähigkeiten war, hätte es da nicht diesen einen kleinen Haken gegeben: Jeder Shadow hatte nur eine Fähigkeit. Keine zwei oder drei.

Außerdem, was sollte das denn für eine Fähigkeit sein? Von Schatten zu Schatten zu kommen?

Es gab nur einen Weg, das herauszufinden:

Ausprobieren.

Also legte ich meinen Stift mit bebender Hand zurück auf das Blatt, auf dem ich mitten im Wort gestoppt war. Die Konjugation französischer Verben musste warten.


Die Schattentänzerin | AbgebrochenOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz